Tschüss Roboter: Daft Punk trennen sich
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Tschüss Roboter: Daft Punk trennen sich

Daft Punk haben sich nach 28 Jahren getrennt. Damit löst sich eines der stilprägendsten Musik-Duos der jüngeren Geschichte auf. Ein Hoch auf Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter.

Mit einem rund acht-minütigen Video aus ihrem Film «Electroma» verabschieden sich Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter aus der Öffentlichkeit, die sie selbst so scheuten. Keine Pressemitteilung, kein Statement, das mysteriöse Image halten sie bis zum Schluss aufrecht.

Wir schreiben das Frühjahr 2013. Ein graues Sitzungszimmer irgendwo in Zürich. Gemeinsam mit Musikjournalisten aus der ganzen Schweiz bin ich eingeladen, das neue Daft Punk Album «Random Access Memories» exklusiv und vorab zu hören. Das Goldene Ticket für das Vorabhören hat mir der damalige Radio 24 Musikchef Andreas Meier verschafft. Wochenlang lag ich ihm in den Ohren wegen des neuen Albums, bis er schliesslich nachgab und mir den Kontakt zu Sony Music verschaffte. Was ich dort an diesem Nachmittag zu hören bekam war unerwartet. Fast schon erwartet unerwartet. Unerwartet 1970er. Unerwartet Disco. Unerwartet funky. Und unerwartet hitverdächtig. Es war für mich ein magischer Moment, schliesslich war der Sound des französischen Elektro-Duos seit dem ersten Album «Homework» prägend für mich…

Der Song «Get Lucky» sollte schliesslich zum Sommerhit 2013 werden und mich eine Wette gegen den Musikchef gewinnen lassen. Jetzt ist Daft Punk nicht mehr.

Aus Jugendlichen werden Roboter

«Daft Punk» waren vor allem für ihre Roboter-Outfits bekannt, hinter denen sie sich stets versteckten. Musikalisch zogen sich lediglich die Vocoder-Stimmen durch all ihre Werke und machten die zwei unverkennbar. Dabei schufen sie das mysteriöse Roboter-Image erst über die Jahre. Eigentlich spielten Guy-Man und Thomas Anfang der 1990er Jahre nämlich in einer Rock Band Namens «Darlin’», gemeinsam mit Phoenix-Gitarrist Laurent Brancowitz. Ihre einzige EP wurde von einem Englischen Journalisten als «dafty punky trash» bezeichnet, womit auch klar ist, weshalb De Homem-Christo und Bangalter ihr gemeinsames Elektro-Projekt 1993 «Daft Punk» tauften. Nach ein paar Veröffentlichungen auf kleineren Labels erschien 1997 das Album «Homework» auf Virgin und schlug im Untergrund hohe Wellen. Schon damals bewahrten sich die zwei Franzosen über einen geschickten Vermarktungs-Deal absolute künstlerische Freiheit, was sich bis ans Ende der Karriere durchziehen würde.

Dank geschickter Vermarktung und abgefahrenen Musik-Videos, unter anderem von Spike Jonze, Michel Gondry oder Roman Copolla gelang dem sample-lastigen, technoiden Sound auch auf MTV der Durchbruch.

Daft Punk waren die Speerspitze des «French Touch», dem funky-monotonen House Sound, der Ende der 1990er Jahre die Charts in Europa dominierte. Übrigens war Thomas Bangalter Teil der kurzlebigen Dreier-Combo Stardust.

Damals spielten «Daft Punk» ihre Gigs noch ohne Maske und an Raves, weit weg von der grossen Bühne. Das Roboter-Image legten sie sich erst für ihr zweites Album «Discovery» aus dem Jahr 2001 zu. Die selbstgeschriebene Legende lautet: Am 9.9.1999 explodierte um exakt 9:09 der Sampler im Daft Punk Studio. Sie seien leicht verletzt worden und hätten sich daher gleich zu Robotern umbauen lassen… Fortan versteckten sich Guy-Manuel und Thomas immer hinter ihren Masken.

Mit der Verkleidung kam die Abkehr vom «French Touch». Sie stiessen Fans mit einem kitschigen Elektro-Pop-Album vor den Kopf, voll mit Inspirationen aus den 1970er- und 1980er-Jahren, war «Discovery» ein Konzeptalbum. Es sollte die kindliche Naivität und den Sinn nach Entdeckung verkörpern, was mit dem abendfüllenden Animationsfilm «Interstella 5555: The 5tory of the 5ecret 5tar 5ystem» unterstrichen wurde. Als Regisseur fungierte ein Kindheitsidol der beiden: Leiji Matsumoto ist der Schöpfer diverser Anime-Weltraum-Opern, die im Französischen Fernsehen rauf und runter gespielt wurden.

Vom Album wurde «One More Time» wurde zum grossen Hit, ein paar Jahre später sollte «Harder, Better, Faster, Stronger» den Soundtrack für das virale Video «Daft Hands» bilden, einem frühen Prototyp eines Tik-Tok Videos.

2005 veröffentlichte «Daft Punk» das dritte Album «Human After All», bloss um die Fans erneut zu verwirren. Ein Leak, der sich schliesslich als echt herausstellte, wurde von den Fans als genialer Marketing-Witz abgetan. Nach dem zuckersüssen Kaugummi-Pop war das neue Album düster, rockig und schon fast zynisch. In nur zehn Tagen und mit bewusst beschränkten Mitteln aufgenommen ist «Human After All» das roheste, deftigste und punkigste «Daft Punk» Album, das Künstler wie Justice, Boys Noize oder DFA1979/MSTRKRFT beeinflussen sollte.

Die einzige Tour

Daft Punk waren ihrer Zeit oft weit voraus. Die Bühnenshow zur gigantischen «Alive» Tour soll soviel wie ein Einfamilienhaus gekostet haben. Weil ich mitten im Diplom-Abschlussstress war, konnte ich damals nicht mit meinen Kumpels ans Eurockéennes, wo Daft Punk spielten. Eine Entscheidung, die ich heute noch bereue. Eine gigantische Pyramide stellte den Mittelpunkt, ein Netz aus LEDs den Hintergrund der abgefahrenen Bühne. Ihre Hits verwoben die beiden Roboter gekonnt ineinander. Wurden Dance-Acts zuvor bei Festivals ins Rave-Zelt verbannt, war Daft Punk Headliner und das völlig zurecht. Aber schau selbst.

Dass die sonst so stilsicheren Daft Punk sich auch mal einen Fehltritt leisten, ist fast nicht zu glauben, geschah aber 2010 beim Soundtrack zu Tron: Legacy. Uninspiriert, orchestral und zu durchschnittlich gilt dieses Album als Tolggen im sonst so reinen Heft der zwei Franzosen.

Die Roboter bei der Premiere zu Tron
Die Roboter bei der Premiere zu Tron

2013 überraschten sie die Fans aufs neue mit «Random Access Memories», einem Album produziert als wäre es 1979, mit überraschenden Gastkünstlern, etwa Giorgio Moroder, dem sie im hohen Alter noch zu einer zweiten Karriere verhalfen. Der Sound hatte sich abermals gewandelt, war funky und eine Hommage an die Künstler, von denen sie zu Beginn ihrer Karriere so rotzfrech die Samples gestohlen hatten. Dass es das letzte Album sein würde ergibt im Nachhinein irgendwie Sinn. Die Roboter sind erwachsen und haben ihre Mission erfüllt.

Guy Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter hinterlassen ein Gesamtkunstwerk, das weit über ihre Musik hinausgeht. Mit ihrer Ästhetik, ihren Filmen, Soundtracks, Gastauftritten und Labels haben sie die elektronische Musik einer ganzen Generation geprägt, wie kaum jemand sonst. Dass es keinen nächsten, magischen Moment wie damals im Sitzungszimmer von Sony Music mehr geben wird, schmerzt und hinterlässt mich genauso sprachlos, wie damals, als der Marketingchef von Sony mir die Frage stellte: «Und, was sagst du zum Album?».

Merci, Guy-Man et Thomas.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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