Wer Macht hat, urteilt strenger über Fehler
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Wer Macht hat, urteilt strenger über Fehler

Um ein Versäumnis mit Augenmass zu bewerten, braucht es Verständnis für die Umstände, unter denen es zu Stande kam. In hohen Positionen fehlt es daran eher als am unteren Ende der Hierarchie.

Privilegierte Menschen haben vergleichsweise wenig Verständnis für Fehler. Das ist das Ergebnis einer Studienreihe in der Fachzeitschrift «Social Psychological and Personality Science». Wie das Team um Ökonomin Yidan Yin von der University of California in San Diego berichtet, urteilen Menschen in Machtpositionen strenger, weil sie meinen, andere würden über dieselben Möglichkeiten verfügen wie sie selbst.

In einer ersten Studie warben die drei Forscherinnen rund 360 Versuchspersonen auf einer Online-Plattform an und legten ihnen ein fiktives Szenario zur Beurteilung vor: Eine Abteilung an der Universität erwäge, einem Assistenten einen Bonus zu geben, obwohl er infolge anderer Verpflichtungen eine wichtige Deadline verpasst habe. Je mächtiger sich die Versuchspersonen laut einer Vorbefragung fühlten, desto weniger waren sie bereit, den Bonus dennoch auszuzahlen.

In einem zweiten Online-Experiment bekamen knapp 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer entweder die Rolle von Aufsichtspersonen oder von Untergebenen zugeteilt. Vermeintlich hatten sie sich ihre Position mit vorherigen Leistungen «verdient», tatsächlich aber liessen die Forschenden den Zufall entscheiden. Beide Gruppen sollten die Leistung eines anonymen Unbekannten bewerten. Die frisch ernannten Aufsichtspersonen wollten dessen Fehler häufiger bestrafen als die Versuchspersonen in untergeordneter Position. Zum gleichen Ergebnis kam eine dritte Studie in einem Labor der Universität, als Studierende über eine ihnen untergebene Person urteilen sollten.

«Menschen in Machtpositionen sind sich weniger bewusst, wie beschränkt ein Handlungsspielraum sein kann, als Menschen mit wenig Macht», erläutert Erstautorin Yidan Yin in einer Pressemitteilung. Das habe auch gesellschaftliche Bedeutung: «Politiker verfügen über Macht und Privilegien und sind womöglich weniger sensibel für benachteiligte Bürger.» Sie könnten Zwänge übersehen und zum Beispiel glauben, dass alle Menschen in der Pandemie die Wahl hätten, zu Hause zu bleiben.

Dasselbe gelte am Arbeitsplatz. «Manager neigen dazu, ihren Mitarbeitern die gleichen Möglichkeiten zuzuschreiben, über die sie selbst verfügen, besonders wenn Mitarbeiter Fehler machen», sagt Yidan Yin. Sie sollten sich deren Situation und Grenzen bewusst machen, die für Aussenstehende vielleicht schwer zu erkennen seien.

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