Abschlepper-Mütter bis Zeppelin-Väter: Das Lexikon der Elterntypen
Hintergrund

Abschlepper-Mütter bis Zeppelin-Väter: Das Lexikon der Elterntypen

Katja Fischer
16.12.2022

Vergiss Helikopter-Eltern. Jetzt sind die Rasenmäher-, Flugzeug- und Delfin-Mamis- und Papis da. Du verstehst nur Bahnhof? Ging mir genauso. Mit diesem Nachschlagewerk weisst du ab sofort Bescheid.

«Rasenmäher-Eltern» stand da in einem Online-Beitrag vor mir geschrieben. Meine Augen stoppten abrupt bei dem Wort. Ra-sen-mä-her-El-tern?! Was zum Geier bedeutet das?

Eine kurze Recherche brachte Licht ins Dunkel. Und warf gleichzeitig noch mehr Fragen auf. Denn unverhofft traf ich auf viele weitere skurrile Elternlabels. Helikopter-Eltern war mir immerhin ein Begriff und bei Taxi-Eltern konnte ich mir die Definition ungefähr vorstellen. Bei Curling-Eltern, Delfin-Eltern und U-Boot-Eltern versagte jedoch mein Abstraktionsvermögen. Also habe ich mich durch den Dschungel der Elterntypen gekämpft und liefere hiermit ein nicht vollständiges und nicht todernst gemeintes Nachschlagewerk.

Helikopter-Eltern

Der wohl bekannteste Elterntyp. Wie ein Helikopter kreisen Mutter und Vater über ihrem Kind und lassen es nicht aus den Augen. Die Angst, dem Nachwuchs könnte etwas zustossen oder er könnte in der harten Gesellschaft nicht bestehen, dominiert. Schon 1969 nutzte der israelische Psychologe Haim G. Ginott die Helikopter-Metapher für überfürsorgliche Eltern. Die US-amerikanische Familientherapeutin Wendy Mogel verhalf dem Begriff 2001 schliesslich zu weltweiter Bekanntheit. Daraus haben sich inzwischen weitere, ähnliche Elterntypen abgeleitet.

Curling-Eltern

Sie gehören zur Gattung der Helikopter-Eltern, gehen aber noch einen Schritt weiter: Curling-Eltern wachen nicht nur permanent über ihr Kind, sie greifen auch aktiv in deren Leben ein. Ähnlich wie Curling-Spielerinnen und -Spieler ebnen sie ihnen den Weg auf dem Glatteis und beseitigen mögliche Hindernisse. Sie werden oft auch mit Rasenmäher- oder Schneepflug-Eltern (siehe unten) gleichgesetzt.

Curling-Eltern wischen alle Hindernisse aus dem Weg.
Curling-Eltern wischen alle Hindernisse aus dem Weg.
Quelle: Shutterstock

Rasenmäher-Eltern

Sie gehören ebenfalls zur Familie der Helikopter-Eltern und sind im Prinzip dasselbe wie Curling-Eltern. Rasenmäher-Eltern räumen potenzielle Gefahren aus dem Weg, noch bevor ihre Kinder überhaupt darüber stolpern könnten. Der Begriff stammt von einem Lehrer, der ihn 2018 in einem Artikel auf Weareteachers.com das Phänomen wie folgt beschrieb: «Rasenmäher-Eltern tun alles, um zu verhindern, dass ihr Kind mit Widrigkeiten, Kämpfen oder Misserfolgen konfrontiert wird. Anstatt ihre Kinder auf Herausforderungen vorzubereiten, mähen sie Hindernisse nieder, sodass ihre Kinder sie gar nicht erst zu spüren bekommen.»

Schneepflug-Eltern

Sie werden gerne mit Rasenmäher- oder Curling-Eltern gleichgesetzt. Aber sie sind oft noch aggressiver, wenn es darum geht, den Weg ihres Kindes für den Erfolg zu räumen. Wer und was sich ihnen in den Weg stellt, wird wie mit dem Schneepflug weggeräumt.

Taxi-Eltern

Eine Subgattung der überfürsorglichen Helikopter-Eltern. Weil sie ihren Kindern den Schulweg nicht zumuten wollen, stehen sie pünktlich zum Unterrichtsstart und -schluss mit dem Familientaxi vor dem Schulhaus. Nicht ohne dabei sämtliche Parkplätze inklusive Trottoir zu blockieren. Taxi-Eltern chauffieren lieber, statt den Schulweg mit ihren Kindern zu trainieren, in der Hoffnung, sie damit vor einem Unfall zu bewahren. Oder auch einfach vor Wind und Wetter.

Taxi-Eltern chauffieren und blockieren.
Taxi-Eltern chauffieren und blockieren.
Quelle: Shutterstock

Flugzeug-Eltern

Sie gelten als Gegenbewegung zu den Helikopter-Eltern der Babyboomer-Generation. Während sich die Boomer-Eltern stark auf ihre Kinder konzentrierten und dabei ihre eigenen Interessen vernachlässigten, indem sie wie Helikopter über ihren Kindern schwebten, verfolgen Millennials einen kollaborativen Ansatz für ihre Erziehung. Sie suchen gemeinsame Erfahrungen, von denen alle Familienmitglieder – Kinder wie Eltern – profitieren. Ganz nach dem Motto: In einem Passagierflugzeug sollen alle mitfliegen können.

U-Boot-Eltern

Sie sind das Gegenteil von immer präsenten Helikopter-Eltern. U-Boot-Eltern gehen auf Tauchstation und ignorieren unangenehme Dinge, die ihre Kinder betreffen. Für Lehrer sind sie nicht erreichbar, sie verpassen Elternabende und glänzen an Theateraufführungen mit Abwesenheit. Aber wehe, wenn dem Kind Konsequenzen drohen. Dann tauchen sie laut «Focus» nullkommaplötzlich und mit schwerem Geschütz auf.

Zeppelin-Eltern

Ein bislang selten erwähntes Phänomen, das nur im Zusammenhang mit Helikopter-Eltern in ein paar Diskussionsforen auftaucht. Zeppelin-Eltern sind ruhig, langsam schwebend unterwegs und immer weit weg – ganz im Gegensatz zu Helikopter-Vätern und -Müttern. Wegen des Gases herrscht eine permanente Explosionsgefahr. Geht in ihren Augen etwas schief, platzen sie vor Wut.

Abschlepper-Eltern

Ein Abschleppwagen ist zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wird. Genauso funktionieren Abschlepper-Mütter und -Väter: Egal, was dem Kind zugestossen ist, sie eilen herbei, beseitigen das Chaos und ziehen es aus dem Schlamassel. Oder wie es der australische Psychotherapeut Frank Zoumboulis in einem Eltern-Blog schreibt: Abschlepper-Eltern bieten «unverhältnismässige Unterstützung, anstatt ihrem Kind Raum zu geben».

Tiger-Eltern

Disziplin und Drill sind die Schlagwörter von Tiger-Eltern. Mit autoritären Methoden wollen sie bei ihren Kindern hohe Leistungen und Erfolge erzielen. Bekannt wurde der Ausdruck erstmals 2011 durch die aus China stammende Amerikanerin Amy Chua, auch bekannt als «Tigermom». In ihrem Buch «Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte» beschrieb Chua, wie sie ihre Töchter zu musikalischen Ausnahmetalenten aufzog. Schlaf- und Nahrungsentzug gehörten zum Alltag und nur Superlative wurden akzeptiert: Als ihre vierjährige Tochter ihr zum Beispiel eine selbstgebastelte Geburtstagskarte schenkte, wies sie diese zurück, sie solle eine neue – schönere – machen.

Delfin-Eltern

Delfin-Eltern – tierische wie menschliche – behandeln ihre Jungen liebevoll und fürsorglich. Sie zwingen ihren Nachwuchs zu nichts, sondern bieten Schutz und Freiraum. Dabei gelten sie zwar als Autoritätspersonen und legen Regeln fest, sie diskutieren sie aber mit ihren Kindern und gehen auf deren Bedürfnisse ein. Das «Delfin-Prinzip» stammt von der kanadischen Jugendpsychiaterin und Autorin Shimi Kang und ist ihr Gegenentwurf zu Tiger-Eltern.

Crunchy Mom

Dieser Begriff existiert bislang nur im Englischen und fällt fast ausschliesslich im Zusammenhang mit Müttern. Laut «Urban Dictionary» ist eine Crunchy Mom ein «Mitglied einer immer grösser werdenden Gruppe von Müttern, die Neo-Hippies sind». Mainstream-Produkte zu kaufen oder Mainstream-Dinge zu tun, ist in ihren Augen etwas Schlechtes. Eine typische Crunchy Mom lebt vegan oder zumindest vegetarisch, backt ihr Brot selbst, gebärt ihr Baby zu Hause und setzt auf Lesen statt Fernsehen sowie Stoff- statt Wegwerfwindeln.

Crunchy Moms schwören auf Stoffwindeln.
Crunchy Moms schwören auf Stoffwindeln.
Quelle: Shutterstock

Silky Mom

Gibt’s ebenfalls nur als englischen Begriff und beschränkt sich – genau wie im Fall der Crunchy Moms (siehe oben) – fast immer auf die Mutter. Silky Moms nutzen laut «Urban Dictionary» die Fortschritte der Wissenschaft, Medizin und Technologie als Unterstützung für ihre Erziehung. Sie setzen auf schmerzlindernde Mittel während des Gebärens, ziehen die Babyflasche dem Stillen vor und sind oft Impfbefürworterinnen. Damit sind sie das Gegenteil von Crunchy Moms.

Scrunchy Mom

Aus der Crunchy Mom und der Silky Mom hat sich mittlerweile die realitätsnähere Scrunchy Mom entwickelt, die sich von beiden Erziehungs-Prinzipien bedient. Eine Scrunchy Mom kann etwa Schoppenernährung, Impfungen als auch Spitalgeburten gutheissen und gleichzeitig Stoffwindeln nutzen sowie Babybrei selbst kochen.

Sittervising-Eltern

Hier handelt es sich um einen relativ neuen Elterntyp, der durch Social Media bekannt wurde. Sittervising-Eltern sitzen am Spielplatzrand und schauen ihren Kindern beim Spielen zu, statt aktiv mitzumachen. Das Konzept wird als Win-Win propagiert: Die Kinder spielen unabhängig, sind gleichzeitig beaufsichtigt und in sicherer Umgebung, während die Eltern eine kurze Auszeit geniessen. Die dreifache Mutter und Bloggerin Susie Allison von «Busy Toddler» hat den Begriff 2021 aus «sitting» und «supervising» kreiert: Sie sei eines Morgens auf ihrer Couch gesessen, habe eine Tasse Kaffee genossen und ihrem Kleinkind beim Spielen zugesehen. «Ich habe mit meinem Mann gescherzt, dass ich gerade ‹sittervisiere› – ich sitze und beaufsichtige gleichzeitig.»

Nun weisst du Bescheid. Und bist zudem bestens ausgerüstet, falls du demnächst mit unnützem Wissen glänzen oder am Elternabend eine Kategorisierung vornehmen möchtest. Sinn und Unsinn der Phänomene und Erziehungsmethoden bleiben derweil eine andere Diskussion.

68 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar