Alles muss raus! Der große Adventskalender-Check
Produkttest

Alles muss raus! Der große Adventskalender-Check

Daniel Ramm
17.11.2020

Unboxing mal anders: Hier werden nicht Einkaufstüten sondern Adventskalender ausgepackt. Ich habe mir dabei Unterstützung aus der Zielgruppe geholt: von einem Kind, von meinem Kind, Julius, 9 Jahre alt.

Unsere Auswahl von fünf Kalendern ist figurfreundlich: Keiner enthält Süßigkeiten, alle enthalten, nun ja, nennen wir es mal Spielzeug. Wir werden für die insgesamt 120 Türchen wohl länger brauchen als 120 Minuten. Am Ende werden wir Punkte vergeben – natürlich 24 an der Zahl, logisch! Aber jetzt heißt es, auch wenn keiner klopft: Mach doch mal einer die Tür auf!

Der «Zurück in die Zukunft» Adventskalender

  • von Playmobil, um 34 Euro, von 5 bis 99 Jahren (sagt der Hersteller)
  • Werbeslogan auf der Verpackung? Gibt es nicht. Hat Playmobil wahrscheinlich auch gar nicht nötig. Dafür lernt man, dass Adventskalender beispielsweise auf Spanisch «Calendario Dell’Advento» heißt.

Julius (9): «Wow! Playmobil! Aber was ist denn bitte ,Zurück in die Zukunft’?».
Ich (46): «WAS?! Den kennst du nicht?! Das ist ein absoluter Kultfilm aus den 80ern. Ein Junge reist in einem Auto, das eigentlich eine Zeitmaschine ist, in die Vergangenheit. Den hab’ ich im Kino gehen, als ich ungefähr so alt war wie du jetzt!»
Julius: «Aha. Nö, nie gehört. Dann weiß ich aber doch gar nicht, wie ich mit den Figuren spielen soll, was die im Film gemacht haben. Ich müsste den schon kennen, um mit diesem Adventskalender auch was anfangen zu können, finde ich. Oder Papa? ODER?»
In meinem Kopf: «Ja ja, schon verstanden. Mein Kind guckt halt gerne Filme. Seit er neulich mal ,Karate Kid’ – erst den neuen, dann den alten – sehen durfte, hat er eine Vorliebe für 80er-Jahre-Filme entwickelt: ‚E.T.‘, ‚Die Indianer von Cleveland‘, zu Halloween gab’s ‚Beetlejuice’.»
Ich sage: «Also gut: 116 Minuten Unterbrechung.»

Vor der Tür (Auspacken und Aufbauen): Julius ist im (Film-)Bilde. Er weiß nun also, wer Marty McFly und Doc Brown sind und was es mit dem DeLorean und dem Flux-Kompensator auf sich hat. Es kann losgehen. Endlich! Na ja, doch noch nicht ganz: Bevor das erste Türchen geöffnet werden kann, muss die Filmkulisse aufgestellt werden. Das Rathaus von Hill Valley mit der so wichtigen Turmuhr soll aus großen Pappbögen zusammengesetzt werden. Wer jemals einen Kurs in Origami, der japanischen Kunst des Papierfaltens, an der Volkshochschule belegt hat, ist hier klar im Vorteil. Playmobil kann offensichtlich gut mit Plastik, aber weniger gut mit Papier. Die Pappbögen sind ziemlich störrisch, nichts will sich so recht ineinander fügen. Es braucht Geduld. Eine Eigenschaft, die die wenigsten Eltern im Übermaß besitzt. Aber dann: Huch, es passt! Geht doch. Erste Tür auf, jetzt, sofort!

Hinter der Tür (der Inhalt): Sieben Figuren und allerlei Filmrequisiten, die man benötigt, um einzelne Szenen nachzustellen. Marty McFly und Doc Brown gleich in verschiedenen Aufzügen, Bösewicht Biff Tannen und Jennifer Parker, dazu Skateboard, Gitarre, Verstärker, Blitzableiter, Strommasten… Julius ist eifrig dabei, die Figuren nicht nur aufzustellen, sondern sie zu inszenieren. Dabei sprudelt die Filmhandlung ohne Unterlass aus ihm heraus. Eltern, die ihre Kinder in die Kunst-Kita schicken, weil sie Wert auf möglichst freies, kreatives Spielen legen, sind mit diesem Adventskalender wohl weniger gut beraten. Aber Julius ist begeistert. Sein Urteil: «Cool!» – was zum einen sein derzeitiges Lieblingswort ist, zum anderen aber auch die größtmögliche Form der Anerkennung.

Um die Tür herum (Optik und Gestaltung): Im besten Falle hängen Adventskalender nicht nur 24 Tage an der Wand, sondern schmücken diese auch. Auf dem Bild mit den Türchen sehen wir hier die Schlüsselszene des Films: Der DeLorean setzt in dunkler Nacht zum Zeitsprung an und zieht dabei die berühmten brennenden Reifenspuren hinter sich her. Das scheint nur konsequent. Überhaupt wirkt dieser Kalender sehr durchdacht, bis in kleinste Details – sogar das Nummernschild, das der DeLorean während des Films verliert, wurde beigelegt. Ein sehr originelles Zusatz-Gimmick: eine Karte mit Wackelbild, auf dem die Geschwister von Marty verschwinden – genau wie im Film. Playmobils „Zurück in die Zukunft“-Adventskalender ist eben ein durchkomponiertes Gesamtkunstwerk, das Eltern ermöglicht, mit ihrem Nachwuchs eine kleine Zeitreise in die eigene Kindheit und Jugend zu unternehmen – und Kindern jeden Morgen ein klein bisschen Spielspaß bereitet.

Nach der Tür (Was bleibt?): 24 Teile mehr in der Playmobil-Kiste im Kinderzimmer – und ein großer Kinderwunsch. Julius: «Sag mal, Papa, wo ist eigentlich das coole Auto aus dem Film? Dieser Telodorian oder wie der heißt? Der ist ja gar nicht dabei. Guck mal, den zeigen die hier auf der Rückseite. Den bräuchte ich doch schon, um so richtig mit den Figuren spielen zu können, finde ich. Oder Papa? ODER?»

Bewertung: 23/24 Punkten

Der Ehrlich-Brother-Adventskalender

  • von Clementoni, um 35 Euro, ab 7 Jahren (sagt der Hersteller)
  • Werbeslogan auf der Verpackung? Einer von vielen: „24 coole Zaubertricks für eine magische Adventszeit“.

Vor der Tür: Vorne drauf: die Ehrlich Brothers. Hinten drauf: die Ehrlich Brothers. Innen drin: die Ehrlich Brothers. Auf der Anleitung: die Ehrlich Brothers. Und auf den magischen Spielkarten hinter Türchen Eins: gleich wieder die Ehrlich Brothers. Man muss sich das dynamische Duo aus Ostwestfalen-Lippe schon wirklich gerne ansehen – sehr gerne sogar – wenn man sich seinen Adventskalender zulegt, denn man entkommt ihm einfach nicht. Einzig von der grün glänzenden Fläche mit den einzelnen Türchen lächelt keiner der Zauberkünstler. Womöglich befürchteten die Hersteller, offen stehende Türen könnten die perfekt gestylten Frisuren der zwei entstellen – und die sind doch nun mal einer der größten Showeffekte der Gebrüder Hokuspokus.

Der Aufbau ist denkbar einfach: Aufklappen, fertig. Ta ta!

Hinter der Tür: 24 Zaubertricks und ein cleveres Konzept: Hinter den Türchen findet man die Requisiten, in einem großen beigelegten Block die Beschreibungen der Tricks. Man kann die Blätter mit den Anweisungen einzeln abreißen und später in einer beigelegten Plastikhülle sammeln. Wem das schriftliche Tutorial nicht reicht, kann sich im Netz Erklärvideos von und mit den Ehrlichs ansehen. Abrakadabra! Man merkt dabei, dass die Brüder auch selbst mal ahnungslose Zauberschüler waren. Ihre Tipps fallen alle absolut anfänger- und vor allem auch kinderfreundlich aus. Selbst die Schwierigkeitsgrade der Tricks sind mit „Leicht, Mittel, Schwer“ angegeben. Bei manchem Tipp überdrehen die Ehrlichs dann aber doch. Da heißt es etwa: „Nur einmal vorführen! Der Zaubertrick beruht hauptsächlich auf der Schauspielerei, zögere daher nicht, dich ganz in die Rolle des großen Magiers zu versetzen, um deine Zuschauer zu überzeugen.“ Aaahhh ja… Alles in allem keine magische, aber doch eine sehr überzeugende Leistung.

Statt weißer Tiger lösen die legitimen Erben von Siegfried und Roy allerlei Münzen, Karten und Tücher in Luft auf. Während der Tricks wird hauptsächlich mit Karten und Seilen hantiert, die man dann auch hinter den Türchen findet. Sehr praktisch: Im Plastikbeutel lassen sich neben den Anweisungszetteln auch sämtliche Kleinteile aufbewahren, die dann eben nicht wie von Zauberhand (unterm Tisch, hinterm Regal, im Staubsauger) verschwinden.
Bei Julius kommen die Tricks mit den schnellen Effekten und dem kurzen Weg zum Applaus der Familie am Frühstückstisch am besten an: etwa die Seil-Guillotine, mit der man einen Faden im Handumdrehen zerteilen und auch gleich wieder – Simsalabim! – zusammensetzen kann. Oder «as Wunder mit der Münze», bei dem sich Geldstücke vermehren (Schade, dass das nur ein Trick ist!). «Uncool» (größtmögliche Ablehnung) findet der Neunjährige alle Tricks, bei denen man erstmal üben muss, vor allem auch die eigene Fingerfertigkeit. Darauf hat er am Morgen keine Lust. Verständlicherweise.

Um die Tür herum: Das Cover erinnert deutlich an den Anzug eines Formel Eins-Fahrers: jede Menge (Eigen-)Werbung. Um die Köpfe der Ehrlichs herum werden noch etliche Verkaufsargumente drapiert: „Mit Gewinnspiel: 25 x 2 Tickets für die Show und 25 Zauberkästen zu gewinnen. Mit Rabattcode für Tickets der Ehrlich Brothers Tour. Best of Tricks aus drei verschiedenen Zauberkästen. 3D-Erklärvideos zu allen Zaubertricks“. Dieser Adventskalender verschweigt nicht, was er zu bieten hat. Schillerndes Wortfeuerwerk, eine Menge lautes Getöse – eine Verpackung wie eine Zaubershow der Ehrlich Brothers.

Nach der Tür: Die Ehrlich Brothers: Neu verföhnt. Ein wirklich gelungener Zauberkasten in Form eines Adventskalenders – und nicht nur die Illusion davon. So haarspraygestählt wie die Frisuren der Ehrlich Brothers sind, so beeindruckend ist der Draht, den sie zu ihrem jüngsten Publikum haben. Sie treffen deren Ton und können Tricks in ihren Mitmach-Videos bestens rüberbringen – und auch zum Üben motivieren. Denn bei einigen Zauberkunststückchen braucht es Geduld und etwas Zeit, sonst bricht beim Nachwuchs schon am Morgen der große «Ich kann das nicht!»-Frust aus. Beim Fazit nehmen wir den Künstlernamen von Andreas Ehrlich (dem älteren) zur Hilfe: Als dieser noch ohne seinen Bruder auftrat, nannte er sich Andy McJOY – und SPASS bringt der „Ehrlich Brothers“-Adventskalender auf jeden Fall. Sein Bruder hieß damals übrigens noch Chris Joker.

Bewertung: 20/24 Punkten

Der die Drei ???-Adventskalender

  • von Kosmos, um 20 Euro, ab 8 Jahren (sagt der Hersteller)
  • Werbeslogan auf der Verpackung? „Finde in 24 spannenden Rätseln heraus, was nachts im Spielzeugladen passiert“.

Vor der Tür: Anders als die anderen: Auf diesem Kalender suchen wir vergeblich nach einer Nummerierung von 1 bis 24. Stattdessen weisen Symbole auf den einzelnen Fächern den Weg, die wiederum in eine farbenfrohe Illustration eines Spielwarenladens eingebettet sind. Welche Tür mit welchem Symbol wir öffnen sollen, erfahren wir, wenn wir die dazugehörigen Rätsel richtig lösen – jeden Tag eines. Dreieinhalb Wochen begleiten wir so Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews durch eine Fortsetzungsgeschichte in 24 Teilen und helfen ihnen einen Kriminalfall zu lösen – als vierter und fünfter Detektiv.

Hier muss man also gleich nach dem Aufstehen mitdenken. Ich lese die Geschichte vor, Julius rätselt, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Ein wenig elterliche Unterstützung ist an der ein oder andere Stelle schon gefragt. Sollte aber auch der elterliche Grips mal nicht ausreichen, ist Schummeln erlaubt: Am Rande der Geschichte versteckt sich zu jedem Rätsel ein kleines Lösungskästchen. Die Detektivstory hat übrigens Uwe Blanck zu Papier gebracht, geübter Autor von «Drei ??? Kids». Der Spannungsfaktor bleibt kindergerecht. Dem Nachwuchs stehen nicht gleich am frühen Morgen vor lauter Aufregung die Haare zu Berge wie einem Ehrlich Brother. Eltern, die die drei Fragezeichen früher selbst auf Kassette gehört haben (so wie ich!) oder sie vielleicht heute sogar noch zum Einschlafen hören (so wie ich!), werden immer mal wieder schmunzeln müssen, wenn Tante Mathilda Kirschkuchen serviert oder der seltsame Wecker auftaucht. Nostalgische Freude für die Großen, Rätsel mit Erfolgserlebnis und Belohnung für die Kleinen, Lesespaß für beide zusammen. Eine runde Sache im Eckigen!

Hinter der Tür: Sticker, Anstecker, Magneten – allerlei «Drei ???»-Merchandise, aber durchaus origineller. Dazu Geheimschrift-Karte, Tatort-Schablone, Dechiffrier-Scheibe, Code-Fächer, Maßband, die Basis-Ausstattung eines Detektiv-Labors (Messbecher und Pipette) und ein passendes Experiment. Nach 24 Tagen kann die CSI Adventskalender ihre Arbeit sofort aufnehmen. Julius hat sich über jedes einzelne der Türchen gefreut, denn man weiß hier wirklich so gar nicht, was man bekommen könnte. Irgendwas mit Detektivbezug halt, doch die Auswahlmöglichkeiten sind groß. Sein absoluter Favorit: der Spionage-Spiegel. Sein absolutes Hassobjekt: der Rechenwichtel. Zum einen konnte sich Julius so gar nicht erklären, warum sich eine Art Rechenschieber in diesen Adventskalender verirren konnte. Zum anderen bedeutet für ihn alles, was auch nur annähernd mit Mathematik zu tun hat, das Gegenteil von Spaß. Und ein Adventskalender soll doch Spaß machen!

Um die Tür herum: Halt die Klappe! Oder schneide sie am besten ab. Auf der Rückseite des Covers findet sich die Illustration eines Spielzeugladens im typischen «Drei ???»-Stil, wie man ihn von zahlreichen Kassetten- bzw. CD-Hüllen kennt. Es ist als cooles Poster fürs Kinderzimmer gedacht. Julius findet es eher weniger cool. Nicht sein Geschmack. Das Bild bleibt also dran. Auf der Front mit den Türchen sind dann, wie beschrieben, zahlreiche Symbole versteckt, die es zu suchen und zu finden gilt, ein Wimmelbild für kleine Rätselfreunde. Die Mechanismen der Rätsel sind dabei allesamt bekannte Klassiker, nur eben mit Fantasie auf die Detektivgeschichte abgestimmt: Welches sind die Unterschiede zwischen diesen beiden Bildern? Was passt nicht in diese Reihe? Welche zwei Gegenstände sind gleich? Wie muss man dieses Puzzle zusammensetzen? Kannst du die Spiegelschrift entziffern? Durchaus machbar.

Nach der Tür: Auch Tage später wird unsere gesamte Familie noch mit dem Spionage-Spiegel zum Um-die-Ecke-Gucken beobachtet. Manche der Detektiv-Utensilien werden ein langes Leben im Kinderzimmer haben, andere (Rechenwichtel!) werden mit Sicherheit nie wieder angefasst werden. Bleibend ist aber vor allem auch die Erinnerung an zehn Minuten gemeinsame Qualitätszeit am frühen Morgen. Und mir bleibt außerdem noch ein Anstecker mit dem seltsamen Wecker drauf, den ich Julius abgeschnackt habe.

Bewertung: 21/24 Punkten

Der Fortnite-Adventskalender

  • von Funko, um 56 Euro, ab 3 Jahren (sagt der Hersteller)
  • Werbeslogan auf der Verpackung? Keiner, stattdessen gleich in mehreren Sprachen der Warnhinweis, dass Kleinkinder sich am Inhalt verschlucken könnten – und nicht nur die.

Vor der Tür: «Och nö! ,Fortnite’, das ist doch so ein Ballerspiel für ältere Kinder. Das mag ich nicht, Papa! Da bin ich raus», sagt Julius. Und ist raus. Er gehört eindeutig nicht zur Zielgruppe dieses Adventskalenders: rund 350 Millionen Spieler, die sich weltweit mit dem Koop-Survival-Shooter vergnügen, davon ein Drittel weiblich. «Fortnite»: geliebt, gehasst, auf jeden Fall ein unübersehbares Popkultur-Phänomen. Nicht weniger als die «Pint Size Heroes», kleine Figuren mit großen eckigen Klotzköpfen, eine moderne Variante der Sammelfigur in Großmutters Setzkasten. Dieser Adventskalender bringt beide Trends zusammen: Mini-Figuren treffen auf Mega-Game. Die beliebtesten «Fortnite»-Charaktere springen als Pint Size Heroes hinter den Türen hervor. Kreisch! Wie süüüüüß!

Hinter der Tür: Deutlich mehr als sieben Zwerge. Die Däumlinge mit den Riesenköpfen sind natürlich durchaus putzig anzusehen. Tinseltoes, Lynx, Onesie, Wild Card, Frozen Red Knight und Funtime Freddy sind darunter, viele tragen eigens ein Weihnachts-Outfit. Doch nach dem Ansehen kommt dann auch nicht mehr viel. Man kann sie hübsch aufstellen. Und dann stehen sie und stehen sie und stehen sie. Und leise rieselt der Staub. Für einen Adventskalender reichlich unerquicklich. Da fällt die Interaktion, die Möglichkeit, selbst etwas tun zu können, bei allen anderen Kalender doch wesentlich größer aus. Um nicht zu sagen: Laaaaangweilig!

Um die Tür herum: Wenn Nag Ops von der Vorderseite des Kartons winkt, will keine rechte Weihnachtsstimmung aufkommen, auch wenn die Brünette ein neckisches Nikolausmützchen und einen Rentier-Pullover trägt. Ihr gegenüber steht Peely, die Banane, und lächelt verdruckst, ganz so als hätte ihn gerade jemand gefragt, wo denn eigentlich der Zusammenhang zwischen einer Banane und der Adventszeit ist. «Hmmmh, gestern auf dem Weihnachtsmarkt eine leckere Bratbanane mit Marzipan-Füllung gegessen» hört man dann ja doch eher selten.

Klappt man die Pappe in der Mitte auf, hat man 24 rote Türen auf hellblauem Grund vor sich. Zu ihrer Linken stemmt White Tiger, eine Motorradbraut mit weißer Lederkombination und blank geputzten Helm, die Hände in die Hüften. Zu ihrer Rechten lässt Gingerbread, der breit grinsende Lebkuchenmann, seine Muskeln spielen. Stellt man den Kalender auf einen Tisch, hat man 24 Tage lang einen Altar der modernen Popkultur. Halleluja!

Nach der Tür: Na ja, 24 Figuren für die Fensterbank halt. Hardcore-Fans mit Sammelleidenschaft werden sicher auf ihre Kosten kommen. Obwohl: Über 50 Euro für 24 kleine Portionen Kunststoff ist auch nicht eben geschenkt. Dieser Adventskalender ist wie ein riesiges Überraschungsei, nur ohne Schokolade, aber dafür ganz sicher mit Figur. Denen droht letztlich wohl ein ähnliches Schicksal, wie den zahllosen Happy Hippos, die sich in einem Kinderleben anhäufen: Sie landen in Schubladen, hinter Heizungen und unter Betten – und viele wurden das letzte Mal gesehen, als der Hund darauf rumkaute.

Bewertung: 12/24 Punkten

Der Elektronik-Retro-Spiele-Adventskalender

  • von Franzis, um 11 Euro, ab 14 Jahren (sagt der Hersteller)
  • Werbeslogan auf der Verpackung? «24 Spiele der 70er und 80er zum Selberbauen. Jeden Tag ein neuer Bastelspaß».

Vor der Tür: «Tennis», «Senso», «Der heiße Draht», «Lügendetektor», «Tresorknacker» – das klingt verlockend nach Damals, nach simpelster Konsolen-Technik, nach Spielhalle, nach Arcade-Games, nach gutem, altem Spaß zwischen «Weißt du noch…?» und «Stimmt, so war das…» Die flache Verpackung in schönstem Seventies-Braun verstärkt das Retro-Gefühl noch. Abgerundete Schriften und orangefarbene Umrandungen lassen mich sofort nostalgisch werden. «24 Spiele der 70er und 80er zum Selberbauen!» Hach ja, wie schön! Doch kaum öffne ich den Karton, bricht meine Erwartungshaltung noch schneller zusammen als die Gegner des A-Teams.

Noch ganz hübsch: Aus zwei Pappbögen soll ich mir eine kleine braune Konsole zusammenbasteln. Gemeinsam mit den Inhalten der Türchen ergibt sich dann nach Vorstellung der Macher ein unglaublich großer Spielspaß! Ich sage mal: Pustekuchen!

Hinter der Tür: «Ha! Genial! Ich dreh durch: eine Steckplatine, einen Tastschalter und ein Batteriefach! Und auch noch jede Menge Draht. Wie geil ist das denn bitte?!» So der so ähnlich müssen sich die kreativen Köpfe der Herstellerfirma Franzis wohl den morgendlichen Jubel im Jugendzimmer vorstellen, den der Elektronik-Retro-Spiele-Adventskalender auslöst. Hinter den Türchen verbergen sich nämlich Kleinbauteile, mit denen man seinen bisherigen Bausatz immer weiter ergänzt. Eine LED-Leuchte. Ein Widerstand. Und noch eine LED-Leuchte. Und noch ein Widerstand. Und ein Schallumwandler. Fügt man die Teilchen richtig in die Steckplatine ein, kann man anschließend «Hau den Maulwurf», «Roulette» oder «17 und 4» spielen, natürlich in allereinfachster Form. Auweia! Spaß beim Aufbauen: Wenig. Spaß beim Spielen: Keiner. Für wen soll dieser recht schlichte Elektro-Baukasten denn nur bestimmt sein? Laut Herstellerempfehlung will man Käufer ab 14 Jahren erreichen. Aber die Handvoll Jugendliche, die sich wirklich für Stromkreise interessiert, wird doch längst weiter sein. Die fängt man mit «Bau dir mal dein eigenes Senso» nicht mehr ein. Und alle anderen Jungs und Mädels wollen doch sowieso lieber auf einer Konsole rumdaddeln, als zu erfahren, wir das Ding funktioniert.

Um die Tür herum: Denkbar einfallslos wurden einfach 24 Türchen auf das ansonsten identische Cover gedruckt. Würde ich mir den Kalender an die Wand hängen, sähe es so aus, als hätte ich vergessen, ihn auszupacken. Ein wenig gestalterische Abwechslung zwischen Außen und Innen wäre wünschenswert gewesen. Andererseits ist das für den Schnäppchenpreis von 11 Euro vielleicht auch zu viel verlangt.

Nach der Tür: Wie drücke ich es freundlich aus? Zu den Anfängen des Adventskalenders im 19. Jahrhundert gab es unter anderem die Variante, dass Eltern 24 Kreidestriche an eine Tafel malten und die Kinder jeden Tag einen davon wegwischen durften. Dann doch lieber den Elektronik Retro-Spiele Adventskalender.

Bewertung: 2,4/24 Punkten

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Ich bin seit 20 Jahren Journalist und war unter anderem Redakteur eines Wissensmagazins, Textchef eines Nachrichtenmagazins und Chefredakteur eines Jugendmagazins. Für mich können Themen und Texte gar nicht abwechslungsreich und bunt genug sein. Am liebsten jeden Tag etwas Anderes, Neues, Spannendes. Die Menschen um mich herum aber, also jene, die mit mir Tisch, Bett und Badezimmer teilen, die dürften gerne den Rest meines Lebens dieselben bleiben. 


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