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Hintergrund

«As Long as You're Here» bricht mir das Herz – und heilt es zugleich

Kevin Hofer
9.11.2025
Bilder: Kevin Hofer

«As Long As You're Here» ist kein typisches Videospiel, sondern ein Walking-Simulator. Es bietet keine Flucht aus der Realität, sondern eine Konfrontation mit ihr – emotional, niederschmetternd und auf seltsame Weise heilsam.

Annie erinnert sich nicht mehr. Nicht an die letzten Worte, die sie ihrem Bruder sagte, bevor er vor Jahren nach Europa reiste und sie mit ihrem kranken Vater zurückliess.

So beginnt «As Long As You're Here». Ein Spiel über Vergessen und Erinnern, das unter die Haut geht.

Ein scheinbar harmloser Anfang

Noch nie habe ich etwas gespielt, das sich mit «As Long As You're Here» vergleichen lässt. Es dauert nur eine Stunde und sollte laut Entwicklern in einem Rutsch gespielt werden – dem stimme ich zu. Die Art, wie es mich in Annies Lage versetzt, deren Alzheimer immer präsenter wird, ist beeindruckend.

Als Annie stehe ich an einer Bushaltestelle im Regen, gefangen in Erinnerungen an meinen verstorbenen Bruder Christoffer. Ich lese unseren letzten Dialog, während Textzeilen plötzlich verschwinden – ein genialer Trick, um mein schwindendes, lückenhaftes Gedächtnis zu simulieren.

Als Annie weiss ich nicht mehr, wo ich bin und rufe meine Tochter um Hilfe an.
Als Annie weiss ich nicht mehr, wo ich bin und rufe meine Tochter um Hilfe an.

Ich weiss nicht, wo ich bin, und rufe meine Tochter Elisabeth an. Sie bringt mich zurück in meine Wohnung, wo der Rest des Spiels spielt. Ich bin gerade hierhergezogen, ins gleiche Gebäude wie Elisabeth. Sie ist nur ein paar Treppen entfernt, falls ich sie brauche.

Die Abwärtsspirale

Das Spiel zeigt eindrucksvoll, wie die Dinge langsam entgleiten. Tag für Tag versuche ich, mich auf kleine Aufgaben zu konzentrieren: Kaffee kochen, Pflanzen giessen, Medikamente nehmen. Haftnotizen von Elisabeth helfen mir dabei.

Das Vergessen schleicht sich ein, das Spiel stellt es wirkungsvoll dar. Die Kaffeetasse steht nicht mehr dort, wo ich sie abgestellt habe. An manchen Tagen vergesse ich meine Medikamente. Davon zeugen die übriggebliebenen Tabletten in der Medikamentenbox. Die Familie ist zum Essen da, und ich weiss nicht, dass sie überhaupt da ist.

Huch, wo kommen die jetzt her? Ich wollte doch nur die Pflanzen giessen.
Huch, wo kommen die jetzt her? Ich wollte doch nur die Pflanzen giessen.

Das Erzähltempo ist schnell, mit geschickt eingesetzten Zeitsprüngen: Vor dem Zubettgehen sind die Blätter der Bäume noch golden, am Morgen liegt plötzlich Schnee, als ich zum Fenster hinausschaue. Ich habe keine Ahnung, was dazwischen passiert ist, spüre aber das Gewicht jedes Moments, während das Leben an mir vorbeizieht.

In Erinnerungen bin ich plötzlich an ganz anderen Orten.
In Erinnerungen bin ich plötzlich an ganz anderen Orten.

Das Spiel spielt mir Streiche. Räume sehen plötzlich anders aus, als wäre ich in meinem alten Zuhause. Ich wähne mich in einem Horror-Spiel. Wobei dazu die passende akustische Untermalung fehlt. Die Musik ist zwar gelegentlich düster und unterstreicht die Gesamtstimmung des Spiels hervorragend. Aber sie erzeugt eine andere Art von Horror, als ich ihn in klassischen Spielen des Genres wie «Karma: The Dark World erlebe.

Roter Faden mit kleinen Abzweigungen

Das Spiel zeigt phänomenal die Perspektive eines Menschen mit fortschreitender Demenz. Ärzte geben mir Aufgaben, wie einen Stammbaum zu erstellen, um mich an meine Liebsten zu erinnern. Jeder Abschnitt des Spiels entspricht einem Familienmitglied, das ich eintrage – ein geniales Erzählinstrument.

Der Stammbaum soll Annie beim Erinnern helfen.
Der Stammbaum soll Annie beim Erinnern helfen.

Nebenbei entwirre ich die Geschichte meines Bruders und seiner Europareise. Diese wird in eindringlichen Schnipseln erzählt, etwa durch eine alte Postkarte, die ich beim Auspacken der Zügelkisten finde.

Ich erlebe, wie der Prozess meine Familie belastet. Spannungen zwischen meinen Kindern Elisabeth und Peter entstehen. Sie streiten über Pflege und Finanzen. Das gibt einen authentischen Einblick in den Umgang mit Demenz – nicht nur aus Annies Sicht.

Mein Liebsten sprechen über mich, als ob ich nicht da wäre.
Mein Liebsten sprechen über mich, als ob ich nicht da wäre.

Einige dieser Aspekte könnten vertieft werden. Sie sind Randnotizen, was in gewisser Weise Sinn ergibt, da ich Annies Blick auf die Welt erhalte. Dennoch gibt es kraftvolle Momente mit Nebencharakteren, etwa wenn ich Peter für Christoffer halte oder mit meinem Enkel Noah Zeit verbringe. Dabei beschleicht mich das Gefühl, dass Annie nicht mehr genau weiss, wer er ist. Doch ich verwerfe den Gedanken. Es ist ein Moment, den Noah für immer haben wird.

Eine zutiefst berührende Geschichte

«As Long As You're Here» ist schwere Kost, aber mit Feingefühl zubereitet. Die Grafik und das Gameplay sind simpel, wie oft bei Walking Simulators. Doch wer sich auf die Charaktere, das Thema Demenz und die Geschichte einlässt, erlebt etwas Einmaliges. Mich hat das Spiel zutiefst bewegt. Es ist ein kraftvolles, bedeutungsvolles Must-Play für alle, die einen Bezug zum Thema haben – und alle anderen auch.

«As Long As You're Here» ist seit dem 29. Oktober PC verfügbar. Ich habe mir das Spiel selbst gekauft.

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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