

Fotografieren mit Film: Meine Expedition in die Untiefen des Hipstertums

Warum ich nach 13 Jahren Digitalfotografie mal wieder analog ausprobiere, was dabei herauskommt und was ich dazu lerne.
Vorbereitungen: Kamera, Film, Scanner
Ich schiesse das erste Foto – und reflexartig schaue ich auf die Kamerarückseite, um die Aufnahme zu prüfen. Es dauert fast einen ganzen Film, bis ich mir das abgewöhne. Interessanterweise macht es Spass, nicht zu wissen, ob das Foto etwas geworden ist. Ich freue mich auf den Moment der Auflösung.
Ich fange an, mir mehr Gedanken darüber zu machen, was ich eigentlich fotografieren möchte. Wo lohnt es sich, abzudrücken und wo nicht? Es passiert mir einige Male, dass ich den Auslöser schon halb durchgedrückt habe und dann finde: Naja, das gibt vielleicht ein ganz nettes Foto – aber von der Sorte habe ich schon hundert. Muss also nicht sein.
Es sind weniger die Kosten, die mich zu diesem Verhalten bringen, sondern mehr das Wissen, dass die Zahl der Aufnahmen limitiert ist. Und dass jede Aufnahme Arbeit nach sich zieht. Neue Filme kaufen, zum Entwickeln bringen, abholen, einscannen, usw.
Der erste Film
Erst nach etwa drei Wochen lasse ich den ersten Film entwickeln. Er wird mir einfach so in einer Dose überreicht, an einem Stück, ich muss ihn selbst in Streifen schneiden. Das Fotogeschäft würde das zwar übernehmen, erfahre ich später, aber man muss es ausdrücklich sagen.
Ich scanne das Zeug ein, wie hier beschrieben.
Die Fotos sind bis auf eine Ausnahme technisch okay. Weder verwackelt, noch falsch belichtet oder fokussiert.
Da ich wusste, dass Film weniger heikel ist bei hartem Licht, habe ich möglichst viele Aufnahmen bei Eis, Schnee und Sonne gemacht. Einiges ist auch ganz gut geworden.
Bei Porträts gefallen mir die Hautfarben des Films. Ich nehme mir vor, mehr Porträts zu machen.
Der zweite Film: Es wird seltsam
Als der Film erste fertig ist, merke ich, dass ich im Kühlschrank noch einen gehabt hätte. Den habe ich drei Mal in den Kühlschrank einer neuen Wohnung gezügelt und trotzdem vergessen. Noch besser: Im gleichen Kühlschrankfach liegt auch eine Filmkamera, allerdings eine ganz einfache. Olympus Mju II. Praktisch nie benützt. Und da ist auch noch ein Film drin.
Die beiden Filme sind seit Februar 2013 abgelaufen, das steht auf der Verpackung. Ich erinnere mich dunkel, dass ich ein paar Fotos mit dieser Kamera gemacht habe, und gleichzeitig auch mit einer Digicam (Sony DSC-HX5V), um vergleichen zu können. Dann habe ich das Interesse an diesem Experiment verloren und seither gammelt der Film in der Kamera vor sich hin.
Nun bin ich aber durch diese seltsame Idee in der Lage, Film und digital direkt zu vergleichen. Der Vergleich hinkt zwar, weil der Film nicht mehr neu ist. Und natürlich ist auch die Kamera auf dem Entwicklungsstand der 90er-Jahre. Trotzdem ganz lustig zu sehen.
Vergrösserung: links Film, rechts digital.
Digital gewinnt hier klar, obwohl die Digicam ein 10-fach-Zoom hatte, was sich bekanntlich nicht gerade günstig auf die Bildqualität auswirkt. Aber wie gesagt, hinkt der Vergleich ein wenig. Der Film ist alt, und meine Scan-Methode ist sicher auch nicht die beste aller Zeiten.
Der dritte Film: Es wird noch seltsamer
Mein Vater, der auch schon längst auf digital umgestiegen ist, schenkt mir anlässlich meines Analog-Trips drei alte, aber noch unverbrauchte Filme. Ablaufdatum: Dezember 2004.
Ich versuche es einfach mal und kombiniere das mit anderen experimentellen Dingen. Kann ich mein Blitzgerät mit dieser Kamera verwenden? Ja, ich kann. Nicht drahtlos, aber aufgesteckt funktioniert es. Der Fernauslöser dagegen bewirkt nichts. Dafür ist der Selbstauslöser praktischer als bei modernen Kameras. Selbstauslöse-Taste und Rädchen drehen = Vorlaufzeit einstellen. Selbstauslöse-Taste und Auslöser = Aufnahme mit entsprechender Vorlaufzeit starten.
Ich kann jedes meiner Nikon-Objektive anschliessen, aber bei den DX-Objektiven bleiben die Ecken und Ränder schwarz.
Mein Tele ist fürs Vollformat geeignet, hat aber keinen Blendenring. Solange ich im S- oder im P-Modus bin, funktioniert dieses Objektiv tadellos. Nur: jetzt im Winter ist es nie genug hell, um mit 200 ISO «den Vogel abzuschiessen».
Das Rauschen bringe ich softwaremässig ebenfalls gut weg. Jetzt kann ich es ja sagen: Das Foto oben, das die Packung mit dem Ablaufdatum zeigt, habe ich mit dem Film aus dieser Packung geschossen. Nicht übel, oder?
Ich habe alle Fotos eine Stufe länger belichtet. Das wurde in diversen Webforen bei alten Filmen empfohlen. Klar, Top-Bildqualität sieht anders aus. Aber darum gehts ja auch nicht. Wer wirklich Wert darauf legt, sollte heutzutage eh digital fotografieren.
Schwer erklärbare Faszination
Trotz (oder wegen?) aller Umständlichkeit fasziniert es mich, mit Film zu fotografieren. Sicher hat es damit zu tun, dass ich gerne schräge Dinge ausprobiere, um meine Neugier zu befriedigen. Ausserdem freut es mich immer, wenn jahrzehntealte Geräte noch tiptop funktionieren.
Ein weiterer Punkt: Was begrenzt verfügbar ist, ist kostbar. Was kostbar ist, das mag man. Ein simpler Effekt. Aber er funktioniert.
Wie alles Analoge ist Filmfotografie sinnlich und konkret. Diese farbigen Verpackungen der Filme lösen eine ähnliche Muss-Haben-Gier aus wie Smarties. Dann die Filmrolle, der Film selbst, die entwickelten Streifen. Die Abzüge. Der Scan. Das ist alles konkret und sinnlich wahrnehmbar, ganz anders als digital. Je weiter du es treibst, desto sinnlicher wird es, bis zum Selbstentwickeln und dem Gestank der Chemikalien.
Zugleich wird mir aber auch klar: ich möchte nicht ständig analog fotografieren und schon gar nicht das Digitale aufgeben. Auf die Dauer sehe ich keinen wirklichen Vorteil. Zu stark ist digital mittlerweile in Sachen Bildqualität und Effizienz.
Der Lerneffekt von Analog-Fotografie
Es wird oft behauptet, dass man durch die Film-Fotografie bewusster ans Werk geht, statt gedankenlos abzudrücken. Und dass man dadurch auch Fortschritte macht. Ich kann das nachvollziehen, aber analog allein macht dich noch nicht zum guten Fotografen. Kurz zusammengefasst ist meine Erkenntnis:
Das «Wie» lerne ich viel besser digital. Das «Was» lerne ich besser analog.
Mit einer Digitalkamera finde ich viel schneller heraus, wie ich eine Idee handwerklich richtig umsetze. Ich sehe sofort auf dem Bildschirm, wie sich bestimmte Einstellungen und Lichtverhältnisse auswirken und kann gezielt nachkorrigieren. Auch bei längst geschossenen Fotos habe ich alle Aufnahmedaten wie Blende, Belichtungszeit oder Kamera-Modus und kann so meine Lehren daraus ziehen. Fehler kosten nichts, im Gegenteil. Sie bringen mich weiter.
Ganz nett, aber ohne Erinnerungswert und darum eigentlich unnötigEin Foto muss nicht perfekt sein, um einen Wert zu haben. Trotz Unschärfe fängt dieses Bild die Ferienstimmung ganz gut ein und weckt schöne Erinnerungen.Als nächstes möchte ich einen Schwarzweissfilm ausprobieren und später auch mal einen Diafilm.


Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.
Vom neuen iPhone bis zur Auferstehung der Mode aus den 80er-Jahren. Die Redaktion ordnet ein.
Alle anzeigen