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Anika Schulz/Whatsapp
Hintergrund

Ghosting in Freundschaften: Und plötzlich war sie weg

Anika Schulz
23.9.2025

Meine letzte Whatsapp-Nachricht kam nie bei ihr an. Und seitdem frage ich mich: Was ist passiert? Eine Expertin gibt Aufschluss.

Ich: «Es ist besser, wenn wir eine Pause machen. Wir werden uns nicht einig.» – Sie: «Ja, sehe ich auch so.» Zack, aufgelegt. Das war das Letzte, was ich von meiner Freundin gehört habe. Drei Tage später war ihr Profilbild auf Whatsapp verschwunden.

Seitdem bin ich ratlos: Hat sie mich jetzt wirklich wegen eines Streits blockiert? Oder war ihre Reaktion vielleicht doch absehbar? Denn bereits vor dem großen Knall hatte sich unsere Freundschaft verändert. Sie ging kaum noch ans Telefon, rief selten zurück und beantwortete Text-Nachrichten viel zu oft nur mit einem 👍. Und wenn wir dann doch mal telefonierten, kotzte sie sich über ihren Partner oder den Job aus. Anfangs hörte ich noch geduldig zu und stellte meine Themen hinten an. «Sie hat eine schwierige Phase, das gibt sich wieder», dachte ich. Immerhin kennen wir uns seit Jahren.

Doch nachdem sich ihre «Phase» über Monate zog, begann es in mir zu arbeiten. Auf der einen Seite sorgte ich mich, ob es ihr gut geht. Auf der anderen Seite war ich gefrustet, weil sie mich abwürgte. Unsere Freundschaft war in Schieflage geraten.

(K)ein klärendes Gespräch

Ich überlegte lange, wie ich meine Gefühle ansprechen soll. Als ich es dann tat, gerieten wir sofort aneinander. «Ich wünsche mir, dass du dir wieder mehr Zeit für unsere Freundschaft nimmst. Geht das?», fragte ich. Sie blockte ab, machte mir Vorwürfe. «Das ist echt egoistisch von dir. Ich habe schon so viel um die Ohren und jetzt kommst du damit.» Bäm. Ich fühlte mich überrumpelt, verstand noch weniger. Das Ende des Gesprächs hast du bereits im ersten Absatz gelesen.

Seitdem ghostet sie mich. Zurück bleiben gemischte Gefühle und viele Fragezeichen. Habe ich was Falsches gesagt? Mag sie mich schon länger nicht mehr? Was ist überhaupt los? Bevor ich mich in Spekulationen über das «Warum» verliere, begebe ich mich auf wissenschaftliche Spurensuche.

Das sagt die Wissenschaft

Spätestens seit Tinder & Co. ist Ghosting nichts Neues. Wer kein zweites Date möchte, meldet sich einfach nicht mehr. Was hingegen Ghosting in Freundschaften angeht, hat die Universität Wien eine Studie veröffentlicht. Und die Ergebnisse bringen mich zum Nachdenken. In der Studie heißt es: «Menschen mit hohem Selbstwert neigen eher dazu, ihre Freunde zu ghosten.» Überlastung oder depressive Tendenzen spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Das überrascht mich, denn bisher dachte ich, dass nur konfliktscheue Menschen ohne Vorwarnung den Kontakt kappen.

Also spreche ich mit der Autorin der Studie, Michaela Forrai, um das Erlebnis mit meiner Freundin besser einordnen zu können. «Ghosting kann eine bewusste und aktive Entscheidung sein. Nachrichten können aber zum Beispiel auch einfach vergessen oder auf später verschoben werden. Vergeht dann zu viel Zeit, traut man sich mitunter nicht mehr, ‹zu spät› zu antworten», erklärt Forrai. «Was davon es ist, weiß man als geghostete Person meist nicht. Genau diese Ungewissheit macht den Umgang damit so schwierig.»

Dass meine Freundin sich nicht getraut hat, verspätet zu antworten, kann ich mir nicht vorstellen. Das passt einfach nicht zu ihr. Außerdem hat sie mich geblockt. Hatte sie also schlichtweg keinen Bock mehr auf mich? Das würde ja heißen, dass wir beide dasselbe Gefühl teilen: nämlich, dass unser alter Modus nicht mehr funktioniert. Aber warum konnten wir dann nicht darüber sprechen? Forrai: «Ghosting kann zunächst wie der easy way out wirken. Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl ghosten öfter und verzeihen sich allgemein auch eher selbst. Vielleicht nehmen sie deshalb die Konsequenzen für die Geghosteten eher in Kauf – diese fühlen sich oft traurig und grübeln.»

Die Lösung: Krönchen richten und weiterziehen

Mir ging es genauso. Deswegen habe ich mich vor einigen Wochen dazu durchgerungen, meiner Freundin eine E-Mail zu schreiben. Ob sie sie gelesen hat? Keine Ahnung. Ich wollte ihr zumindest ein paar Worte schicken. Dass ich es schade finde, wie sich alles entwickelt hat. Aber auch, dass ich es habe kommen sehen. Und wie bescheuert ich ihr Verhalten finde.

War das eine dumme Idee? «Nein, das kann man durchaus machen, wenn es einem damit besser geht. Ist man aber sicher, dass es sich um ein Versehen handelt, kann ein kurzes ‹Ich hoffe, dir geht es gut und würde mich jederzeit freuen, von dir zu hören› dabei helfen, wieder zusammenzufinden. Man sollte allerdings in beiden Fällen keine Antwort erwarten, das könnte den Frust nur noch mehr erhöhen», rät Forrai.

Klare Worte – und so hatte ich das noch nie gesehen. Ich war bisher davon ausgegangen, dass «zu einem Streit immer Zwei gehören», wie meine Mutti so schön sagt. Doch langsam sickert bei mir die Erkenntnis durch, dass es anders sein könnte. Das fühlt sich befreiend an. Ich kann meinen Frieden machen. Und wer weiß? Vielleicht füllt sich der freie Slot in meinem Bekanntenkreis ja irgendwann mit einer Person, mit der es besser passt.

Du möchtest noch mehr über Ghosting wissen? Dann schau mal in dieses Buch. Es beschreibt das Phänomen von zwei Seiten: von den Ghostern und von den Geghosteten.

Wurdest du auch schon geghostet – und wie bist du damit umgegangen? Verrate es mir in den Kommentaren.

Titelbild: Anika Schulz/Whatsapp

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Als Kind wurde ich mit Mario Kart auf dem SNES sozialisiert, bevor es mich nach dem Abitur in den Journalismus verschlug. Als Teamleiterin bei Galaxus bin ich für News verantwortlich. Trekkie und Ingenieurin.


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