Huawei P40 Pro: Dazu «App Gary», ein Speaker, zwei Uhren und eine Sonnenbrille

Huawei will «Hold my Beer» ohne Google machen. Das wird verdammt schwierig. Doch die Neuentwicklungen seitens Huawei lassen Hoffnung aufkommen. Dennoch, der erste Eindruck des P40 Pro sagt vor allem «kommt noch».
Richard Yu wirkt aufgebracht, aggressiver als sonst. Der eigentlich sonst immer lustig aufgelegte Smartphone-Nerd, der scheinbar fast zufällig CEO der Mobile Divison Huaweis ist, steht auf einer Bühne und gibt sich kämpferisch für das Jahr 2020. Seine Firma sei ready. Mit den Partnern. Mit den Kunden.
Ein erster Werbeclip soll das klarmachen. Die App Gallery wird erneut angepriesen. Sie «redefiniere unsere Welt fundamental». Vision und Innovation treffen da aufeinander heisst es. «This is where it starts. Together.»
Danach geht es Schlag auf Schlag. Richard Yus Gesicht heitert sich auf. Er spricht über das, worüber er gerne spricht: Smartphones. Das P40 ist seit heute Realität. Es soll die Fotografie auf ein neues Level heben. Dafür sorge das Leica Triple Camera Setup hinten und die 32 Megapixel-Linse vorne.
Silber. Ohne Worte
Richard Yu dreht das Phone um. Ein grauer Schimmer. Das P40 wechselt die Farbe von weiss zu hellgrau zu dunkelgrau zu blaugrau. Die Rückseite besteht aus Keramik, was dem Phone eine gewisse Wärme gibt. Es fühlt sich sonst genau so an, wie das P30 Pro. Generell, das Phone fühlt sich an, wie ein alter Kollege. Wie das P30 Pro. Es ist schlank, die obere und untere Kante sind abgeflacht und so wird das Phone griffig.
Wortlos steckt Richard Yu das roségoldene Phone – Blush Gold genannt – in die Innentasche seines Sakkos und zeigt das silbrige noch einen Moment lang. Ja, er weiss, dass es ein Hingucker ist. Schöner und lebendiger als das Grau der Konkurrenz. Silver Frost heisst es bei Huawei.
Die Farbverläufe gibt es trotzdem noch. Das P40 Pro kommt in Ice White, einer Farbe, die Videoproduzentin Stephanie Tresch als «Einhorn-Weiss» beschreibt. Der Farbverlauf geht von einem hellen blau über ein Lila zu weiss. Dann gibt es Deep Sea Blue, dann… «Black».
Netter Nebeneffekt: Standardmässig gibt das Phone 30% weniger Blaulicht aus, was deine Augen schont. Ich empfehle trotzdem den Blaulichtfilter in den Device Settings einzuschalten.
Das P40 Pro hat vier Kameras verbaut:
- 40 Megapixel Ultraweitwinkel Cine-Linse, f/1.8
- 50 Megapixel Ultra Vision Wide Angle Lens mit einem RYYB Sensor, f/1.9, optischer Bildstabilisator
- 12 Megapixel 5x Periskop Zoom-Linse, RYYB Sensor, 240mm, f/4.4, optischer Bildstabilisator
- Time-of-Flight Kamera für schnelleren Tiefenfokus
Dazu kommt ein Farbtemperatursensor der via acht Kanäle die Farbtemperatur misst.
Das Resultat in Form eines Schnappschusses aus dem Aargau.
P40 Pro+ hat noch mehr Kameras
Das P40 Pro+ besticht nicht durch seine Looks, unterscheidet sich äusserlich kaum vom P40 Pro. Dazu ist es entweder schwarz oder weiss. Kein Ice White. Nur weiss.
Dafür aber hat das Ding fünf Kameras verbaut.
Dazu kommt ein Farbtemperatursensor, der via acht Kanäle die Farbtemperatur misst.
Richard Yu gibt an
Dann kommt der Part, an dem Richard Yu angibt. Er blufft mit dem Nachtmodus des P40 Pro, der der Konkurrenz weit überlegen sei. Sowohl ISO-Werte wie auch die Langzeitbelichtung stampfe die Konkurrenz ein.
Die Zoomlinse sei die erste ihrer Art. Im P40 Pro+ sei sie Multifocus-fähig und könne mit Hybrid Zoom bis zu 100x Zoom hinkriegen. Er demonstriert das. Das sieht unglaublich gut aus. Aber wer morgen digitec liest, wird sehen, dass 100x Zoom manchmal zu viel versprochen ist. Daher: Bevor ein Test unter Real Life Conditions unabhängig vom Hersteller gemacht werden kann, würde ich das nicht zu sehr mit Begeisterung überhäufen.
Farbwerte, Optischer Zoom, Hybrid-Zoom, 4k60fps Selfie Videos. Low Light Infrared Face Unlock… Richard Yu ist in seinem Element. Sollte am Ende auch nur die Hälfte im echten Leben so umsetzbar sein, wie er es ankündigt, dann ist Huawei der «Hold my Beer»-Moment gelungen. Zumindest im Kamerabereich.
Ein 50x-Zoombild aus dem P40 Pro sieht übrigens im echten Leben so aus, wurde aber mit noch nicht finaler Kamerasoftware gemacht.
Dazu komme die AI der Kamera. Sie sucht mit einer Technologie, die Golden Snap heisst. Sie sucht den besten Moment von springenden Menschen am Strand, rechnet einzelne Personen aus dem Bild, die quasi als Photobomb da waren und sortiert Bilder bereits im Vorfeld aus, sucht die schönsten Aufnahmen und präsentiert diese dem User.
Der Elefant im Raum: Google
An Pressenalässen ist es immer etwas seltsam, wenn da jemand in Anzug und Krawatte sagen muss, dass die Installation der Apps so einfach wie eh und je sei. Und das Angebot an Apps sei mindestens so reichhaltig wie das des Google Play Store. Das stimmt schlicht nicht. Noch nicht.
Damit die verbreiteten Apps, die App Gary noch nicht hat, trotzdem in Huaweis App Gallery angeboten werden können, linkt die App manchmal auf offizielle APK-Downloads der App-Hersteller, wo die Apps direkt bezogen werden können. Sonst wird die Nachrüstung eines App Stores Dritter empfohlen. APKPure fällt in diesem Zusammenhang oft.
Einfach ist anders. Vollständig auch.
Das Huawei'sche Frankenstein-System der Apps hat keine Zukunft in seiner aktuellen Form. Das ist schlicht zu wenig Komfort, zu wenig Angebot und zu viel «Geht schon, aber...»
Trotzdem: Es bessert sich. Ich beobachte die Situation mit App Gary schon seit Beginn der Loslösung Huaweis von Google, dem finanziellen Commitment Huaweis zum eigenen App Store. Da geht schon was, aber wir sind im Moment mitten im Entwicklungsprozess. Huawei versucht zehn Jahre App Store in einigen Monaten nachzuholen. Obwohl das unmöglich scheint, so ist doch eine Entwicklung in die richtige Richtung zu beobachten. Aber das braucht noch Zeit.
Fakt ist aber: Ein zweiter, grosser und breit akzeptierter App Store würde der Welt gut tun. Konkurrenz belebt das Geschäft und am Ende gewinnen wir Konsumenten. Okay, wir lassen zwar Geld liegen, aber wir bekommen bessere Geräte und bessere Software dafür.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass innerhalb von wenigen Tagen irgendein Hacker einen verlässlichen Weg findet, wie die Google Services nachgerüstet werden können. Dann steht dem P40 Pro nichts mehr im Wege. Ich selbst arbeite in Zusammenarbeit mit Lesern auch daran. Wir halten euch auf dem Laufenden.
Weiteres in Kürze
Zum Schluss: Das P40 Pro kommt am 7. April auf den europäischen Markt. Das P40 Pro+ kommt im Juni nach Europa.
Und leider kein Google. Mist. Was das «One More Thing» war, ist auch nicht ganz klar. Der Speaker? Die Watch? Das P40 Pro+? App Garys neuester Propaganda-Vorstoss?


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.
Vom neuen iPhone bis zur Auferstehung der Mode aus den 80er-Jahren. Die Redaktion ordnet ein.
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