Hintergrund

Ich kam mit einer Tinktur, ich ging mit Tabletten

Meine Haarfülle nimmt ab. Ein schönes Erbstück aus der Familie. Kann ich das Unvermeidliche mit einer Anti-Haarausfall-Kur hinauszögern? Ich will es leider zu genau wissen – und erhalte Trost-Tabletten.

Als ich ein Testmuster der Haarkur mit dem klingenden Namen «Triphasic Progressive» von der Marke René Furterer in die Finger bekomme, bin ich direkt neugierig. Was auf der Packung da nicht alles versprochen wird:

  • «+10 023 Haare nach einer Kur»
  • «Wirksamkeit ab dem ersten Monat»
  • «Professionelle Formel – 3 Patente»

Aber: Wenn schon ein Test, dann richtig. Meine Expertise in Sachen Haare beschränkt sich auf den Ausfall selbiger sowie auf regelmässige Besuche beim Coiffeur, der in Sachen Resthaarverwaltung einen richtig guten Job macht. Mein Haarschneider fürchtet wohl auch ein bisschen um das künftige Geschäft mit mir. Anders kann ich mir nicht erklären, warum bei jedem Besuch das Gespräch auf einen guten Freund kommt, der in der Türkei günstige Haarverpflanzungen machen könnte.

Der Aufwand, grosse Schmerzen und hohe Kosten schrecken mich. Da ist ein Tonikum, das ich mir ein- oder zweimal pro Woche ins Haar schütte, deutlich günstiger. Selbst wenn ich mir die Haare mit einem speziellen Shampoo waschen und danach ein stimulierendes Konzentrat auf die Kopfhaut massieren soll.

Rene Furterer Triphasic Progressive (88 ml)
Haarmaske

Rene Furterer Triphasic Progressive

88 ml

Rene Furterer Triphasic Shampoo bei Haarausfall (200 ml, Flüssiges Shampoo)
Shampoo

Rene Furterer Triphasic Shampoo bei Haarausfall

200 ml, Flüssiges Shampoo

Rene Furterer Triphasic Progressive (88 ml)

Rene Furterer Triphasic Progressive

Rene Furterer Triphasic Shampoo bei Haarausfall (200 ml, Flüssiges Shampoo)

Rene Furterer Triphasic Shampoo bei Haarausfall

Mein Plan: Ich mache einen Vorher-Nachher-Vergleich. Denn ich traue der Angabe von exakt 10 023 mehr Haaren, die René Furterer auf die Packung schreibt, nicht.

Deshalb suche ich die Praxis von Dr. Ralph Trüeb in Wallisellen auf. Er ist so etwas wie der Haarpapst der Schweiz, Autor einer ganzen Reihe von Fachbüchern und Professor für Dermatologie. Der Professor selbst nimmt keine neuen Patienten mehr auf, da gibt’s auch keine Ausnahme für mich als recherchierenden Journalisten. Stattdessen bittet mich Ärztin Cristina Garcia Bielsa ins Behandlungszimmer. Auf ihrem Computerbildschirm sind die Fotos meines Kopfes mit erschütternd schütteren Haaren zu sehen, die kurz zuvor eine Gesundheitsfachfrau gemacht hat.

Die Diagnose gibt keinen Stoff für eine neue Folge von «Dr. House» her. Denn der Fall ist sofort klar: erblich bedingter Haarausfall. Medizinischer Fachbegriff: androgenetische Alopezie. Mein Alter (47), die Haarhistorie der Männer in meiner Familie sowie der Blick auf die Fotos führt zur eindeutigen Diagnose. Meine Haarwurzeln, so erklärt mir die diplomierte Ärztin Garcia, werden im Lauf des Lebens genetisch bedingt immer schwächer. Erst produzieren sie dünneres neues Haar, und irgendwann eben dann keines mehr, weil sie abgestorben ist. Die Folge ist eine immer höher werdende Stirn.

Und da wächst auch nichts mehr nach. Einmal tote Haarwurzeln können nicht mehr zum Leben erweckt werden. Wollte ich dort wieder Haare haben, ginge das nur mittels Chirurgie. Dann würden einzelne Haarwurzeln mit speziellen Nadeln vom Hinterkopf entnommen und vorne wieder eingepflanzt. Autsch!

Hier wächst nichts mehr.
Hier wächst nichts mehr.

Haarwurzeln machen auch Pausen

Trotzdem bin ich kein ganz hoffnungsloser Fall. Die Haarwurzeln, die ihren Job derzeit noch brav erledigen, könne ich stärken, sagt die Ärztin. «Damit?», frage ich und stelle die grüne Kartonpackung «Triphasic Progressive» auf den Tisch. Frau Garcia studiert erst einmal die Liste der Ingredienzien. Sie findet durchaus Gutes wie verschiedene Vitamine, Pflanzenextrakte und Öle. Das aber bringt trotzdem keine neuen Haarwurzeln an bereits kahle Stellen zurück. Möglich sei einzig, dass die Kopfhaut stimuliert wird.

Und die 10 023 mehr Haare, die versprochen werden? Im Internet verrät René Furterer etwas mehr als auf der Packung. Es handle sich um eine Untersuchung an 28 Männern und 32 Frauen, bei der die durchschnittliche Zunahme der Anzahl Haare in der Wachstumsphase ermittelt wurde. Dazu musst du wissen, dass eine Haarwurzel ohnehin in einer Art Schichtbetrieb funktioniert: Wachstum, Übergang und Ruhephase. Die Wachstumsphase dauert mit zwei bis sechs Jahren am längsten, und 80 bis 90 Prozent deiner Haare sind in dieser Phase. Zehn bis 15 Prozent sind in der zwei bis vier Monate dauernden Ruhephase. Hier wächst nichts mehr, die Blutversorgung der Wurzel wird gestoppt, das Haar fällt aus. Um die 100 Haare pro Tag verlierst du so. Und dann hat sich der Haarfollikel regeneriert und es geht wieder von vorne los.

Für mich gibt’s Tabletten

Hat René Furterer für den Aufdruck auf der Schachtel die ohnehin wieder wachsenden Haare mitgezählt? Auf welcher Vergleichsbasis wurde da gerechnet? Klar ist immerhin, dass eine Kur wie «Triphasic Progressive» durchaus helfen kann, sagt auch meine Ärztin. Bei erblich bedingtem Haarausfall bringt sie allerdings so gut wie keinen Effekt. Waren in der von René Furterer selbst durchgeführten Studie zum Beispiel viele Frauen mit hormonell bedingtem Haarausfall, könnte da ein gutes Ergebnis erzielt worden sein. Auf alle Fälle besser, als wenn nur Männer mit meinem Schicksal in der Testgruppe gewesen wären.

Mein Leben wird die «Triphasic Progressive»-Kur nicht entscheidend verändern. Bevor ich es mir in die Haare schmiere, gebe ich es lieber weiter. Ich packe die Kartons wieder in die Tasche. Von Frau Garcia bekomme ich eine Schachtel, bei der deutlich weniger in das Verpackungsdesign investiert wurde. Minoxidil in Tablettenform soll dafür sorgen, dass sich die Blutgefässe weiten, die Follikel besser mit Nährstoffen versorgt werden und dann aus lauter Dankbarkeit dickere neue Haare nachwachsen lassen. Allerdings nur, solange ich die Tabletten auch nehme. Höre ich damit auf, siegen die Gene.

Tablette statt Tinktur – das ist zumindest mal den Versuch wert.
Tablette statt Tinktur – das ist zumindest mal den Versuch wert.

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 

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