Interview mit Klimaschutzunternehmen South Pole:  Was nützt ein Klimaeuro wirklich?
Hintergrund

Interview mit Klimaschutzunternehmen South Pole: Was nützt ein Klimaeuro wirklich?

Livia Gamper
15.6.2020

Für unsere CO2-Kompensation arbeiten wir mit South Pole zusammen. South Pole bietet verschiedene Projektlösungen rund um den Klimaschutz an. Im Interview erklärt Sustainability Adviser Roman Bolli, wie viel des Geldes tatsächlich in Projekte fließt, wie diese ausgewählt werden und was South Pole von anderen Organisationen unterscheidet.

Was genau macht ein Sustainability Adviser?
Roman Bolli, Sustainability Adviser: Ich arbeite mit diversen Unternehmen und Institutionen zusammen, damit diese ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Dies reicht von der Berechnung eines CO2-Fußabdrucks über die Erarbeitung von Klimazielen und -strategien bis hin zur Umsetzung und Überwachung von konkreten Klimaschutzmaßnahmen. Für Galaxus haben wir ein Emissionsmodell der Shop-Produkte entwickelt. Damit können Kunden die Emissionen ihrer Einkäufe durch Investitionen in Klimaschutzprojekte von South Pole mittels Kauf von sogenannten CO2-Zertifikaten kompensieren und somit klimaneutral einkaufen.

Was passiert mit dem Kompensations-Geld, das bei der Bestellung eingezahlt wird?
Der eingezahlte Euro wird mittels CO2-Zertifikate in Klimaschutzprojekte investiert. So können die Kunden die Treibhausgasemissionen, die mit ihren Einkäufen einhergehen, kompensieren. In diesem Beispiel entspricht ein Euro 50 Kilogramm CO2, welches an einem anderen Ort der Welt durch konkrete Maßnahmen vermieden oder aus der Atmosphäre gezogen wird. Diese Projekte ließen sich ohne solche Investitionen gar nicht erst entwickeln. Konkret finanzieren die Kunden beispielsweise einen effizienten Kochofen, der weniger Brennholz verbraucht, oder den Schutz eines Waldgebiets.

Hier ist Isangi zu sehen – ein Waldschutzprojekt von South Pole, das im Projektmix von Galaxus dabei ist. Bild: South Pole
Hier ist Isangi zu sehen – ein Waldschutzprojekt von South Pole, das im Projektmix von Galaxus dabei ist. Bild: South Pole

Wie lange dauert es, bis das Geld bei einem Projekt ankommt?
Der Prozess verläuft so, dass wir bei South Pole nach Zahlungseingang durch Galaxus die entsprechende Menge an CO2-Zertifikaten stilllegen lassen. Das heißt, die Zertifikate werden aus dem Markt gezogen und können nicht mehr weiterverwendet werden. Der sogenannte Klimanutzen, also die Vermeidung oder Einsparung von Treibhausgasen wird je nur einer Käufer*in zugesprochen. Mit der Stilllegung wird eine Zahlung ans Projekt ausgelöst.

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Die Mehrheit der Projekte von South Pole sind in Afrika oder Asien angelegt. Wieso erachtet ihr es als sinnvoller in Asien oder Afrika zu kompensieren, statt in lokale Projekte zu investieren?
Das hat in erster Linie mit der sogenannten Additionalität zu tun. Ein Klimaschutzprojekt kann nur dann CO2-Zertifikate generieren, wenn nach anerkannten Standards nachgewiesen werden kann, dass es auf externe Finanzierung durch solche Zertifikate angewiesen ist. Damit wird sichergestellt, dass diese Projekte einen zusätzlichen (additionellen) Nutzen für das Klima haben und nicht ohnehin stattgefunden hätten – das würde dann unter «Greenwashing» fallen. In Entwicklungsländern – so genannten Less Developed Countries, also LDCs – sind Projekte viel stärker von Finanzierungen abhängig als in Europa. Zudem tragen Projekte in LDCs insgesamt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei und stiften Mehrwert für die Lokalbevölkerung, beispielsweise durch Zugang zu Arbeit, sauberem Trinkwasser oder Bildung. Ein weiteres Kriterium ist, dass sich Emissionen in LDCs weitaus kosteneffizienter reduzieren lassen. Anders ausgedrückt: Mehr positive Effekte für Ökosysteme und Klima für den gleichen Betrag. Dem Klima ist es letztendlich egal, wo auf der Welt eine Emissionsreduktion stattfindet. Gleichzeitig sind wir verstärkt dabei, Projekte in Deutschland und Europa zu entwickeln, um auch in unseren Breitengraden aktiv etwas für das Klima zu tun.

Die Arbeiten am Waldschutz-Programm in Isangi. Bild: South Pole
Die Arbeiten am Waldschutz-Programm in Isangi. Bild: South Pole

Nach welchen Kriterien wählt ihr ein neues Projekt aus? Warst du schon selbst vor Ort?
Beim Entwickeln neuer Projekte gehen wir nach einem klaren Schema vor. Als Erstes müssen sämtliche Parteien, die im Projekt involviert sind, unseren ethischen Richtlinien entsprechen. Ein neues Projekt muss weiter einen nachweisbaren Umwelt- und Sozialnutzen haben und groß genug sein, damit die Investition sich für den Planeten lohnt. Wir sprechen hier von einem Minimum von etwa 10.000 Tonnen CO2, welche jährlich durch das Projekt eingespart werden können. Als Hauptkriterium muss ein neues Projekt in der Lage sein, das strikte Audit-Verfahren zu bestehen, um unter einem international anerkannten CO2-Standard zertifiziert zu werden. Dafür müssen wir nachweisen können, dass das Projekt additionell sowie permanent ist und nachweislich den Nutzen generiert, den es verspricht. Ich selbst hatte bisher noch nicht das Glück, ein Projekt vor Ort zu besuchen. Unsere Projektteams sind regional aufgestellt, um unnötige Reisen zu vermeiden. Aber wenn sich in Deutschland eine Möglichkeit ergeben sollte, ist das sehr weit oben auf meiner To-Do-Liste.

Wird mit der CO2-Kompensation nicht ein falscher Anreiz beim Konsumenten gesetzt? Wir sollten doch alle weniger konsumieren.
Es gibt ja den Slogan: Do your best, compensate the rest. Das fasst es ganz gut zusammen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen wir unsere Emissionen deutlich reduzieren und dazu gehört auch weniger Konsum in der Gesellschaft. Aber was letztendlich im (digitalen) Einkaufswagen landet, entscheiden die Käufer selbst. Was wir als South Pole anbieten, ist sich des Themas bewusst zu werden. Wenn ich heute einen Laptop oder ein Gartengerät auf Galaxus bestelle, wird von der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zur Lieferung nach Hause CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Wir machen darauf aufmerksam. Wenn der Einkauf aber dennoch notwendig ist, macht es Sinn, gleichzeitig in Klimaschutz zu investieren. Mit zertifizierten Projekten ist so genanntes «klimaneutrales» Einkaufen heute möglich. Außerdem gibt es Studien, die herausarbeiten, dass E-Commerce ab einer bestimmten Größe des Anbieters einen Klimavorteil gegenüber klassischen Einkaufsformen besitzt, da etwa weniger Konsumenten mit dem Auto zum Einzelhändler fahren und Waren so CO2-effizienter in die Haushalte gelangen.

Unterstützt wird auch das Projekt des WWFs in Mamize. Weil in der chinesischen Region noch oft über dem offenen Feuer gekocht wird, leiden die großen Pandas. Mit effizienten Öfen werden die Treibhausgase reduziert und es wird weniger Holz benötigt. Das heißt, es werden weniger Wälder für Brennholz abgeholzt, in denen die Pandas leben. Bild: South Pole
Unterstützt wird auch das Projekt des WWFs in Mamize. Weil in der chinesischen Region noch oft über dem offenen Feuer gekocht wird, leiden die großen Pandas. Mit effizienten Öfen werden die Treibhausgase reduziert und es wird weniger Holz benötigt. Das heißt, es werden weniger Wälder für Brennholz abgeholzt, in denen die Pandas leben. Bild: South Pole

Wie effektiv werden die Gelder eingesetzt? Viele Firmen haben hohe Administrativkosten. Wie sieht das bei euch aus?
Bei uns fließen je nach Projekt ca. 70 bis 80 Prozent der Gelder direkt in Projektaktivitäten, sprich in die Pflanzung von Bäumen, den Betrieb von Kraftwerken oder den Bau von Schulen. Der Rest deckt dann unter anderem die Kosten für die Entstehung und Zertifizierung des Projekts ab. Ein kleiner Teil bleibt bei South Pole, welchen wir für unsere eigene Administration und die Entwicklung neuer Projekte einsetzen.

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Was unterscheidet South Pole von anderen Organisationen, wie etwa myclimate?
South Pole zeichnet sich insbesondere durch seine globale Vernetzung aus. Wir sind mittlerweile in 19 Ländern vertreten und somit sehr nahe an unseren Klimaschutzprojekten. Wir haben beispielsweise lokale Hubs in Kolumbien und Indonesien aufgebaut, von wo aus wir konstant an neuen Projekten arbeiten. Im Vergleich dazu handelt es sich bei vielen Anbietern von CO2-Kompensation nicht um Projektentwickler sondern um Zwischenhändler, die Zertifikate am Markt ein- und weiterverkaufen. Des Weiteren liegen unsere Stärken darin, dass wir wie eingangs erwähnt praktisch allen Bedürfnissen von Unternehmen und Organisationen im Bereich Klimaschutz nachkommen können. Wir können Unternehmen neben Kompensationsmöglichkeiten auch zu effektiven Reduktionsmaßnahmen beraten. Außerdem sind wir wohl die einzige Firma, welche ihre Mitarbeiter*innen als Pinguine bezeichnet – das finde ich persönlich ziemlich cool.

Screenshot von southpole.com/de/warum-spg, Pinguine sind auch dort prominent abgebildet.
Screenshot von southpole.com/de/warum-spg, Pinguine sind auch dort prominent abgebildet.

Hinter South Pole steht eine Aktiengesellschaft. Kannst du erklären, wieso? Ist dies in eurer Branche so üblich?
In unserer Branche gibt es unterschiedliche Gesellschaftsformen. South Pole selbst ist ein Profit for Purpose-Unternehmen. Als Privatunternehmen können wir viel schneller wachsen, weil wir unsere Investitionen deutlich flexibler tätigen können. Unsere Struktur erlaubt es uns also, den positiven Impact auf unsere Klima zu skalieren. So haben wir seit unserer Gründung 2006 über 170 Millionen Tonnen CO2 reduziert, was ungefähr 20 Prozent der Emissionen Deutschlands im Jahr 2019 entspricht. South Pole ist fast vollständig in Mitarbeiter-Hand. Das trägt auch dazu bei, dass wir trotz unseres Wachstums über die letzten 14 Jahre nie unseren Start up-Spirit verloren haben.

Roman Bolli erklärt via Skype was South Pole macht.
Roman Bolli erklärt via Skype was South Pole macht.

Wird die Corona-Krise kurz- und langfristig einen Einfluss auf eure Arbeit haben? Wenn ja, welchen.
Auch wir arbeiten großteils von zu Hause und reduzieren den direkten Kundenkontakt auf ein Minimum, um uns und andere zu schützen. Da wir es, wie beschrieben, gewohnt sind, möglichst ressourcenschonend auch international zu arbeiten, können wir aber im Moment noch weitestgehend weitermachen wie zuvor. Die täglichen Telefonkonferenzen mit Kolleg*innen in Jakarta, London oder New York gehören bei uns ohnehin zum Alltag.

Kurzfristig sind einige unserer Partner natürlich selbst von der Krise betroffen. Doch wir sind beeindruckt davon, wie klar sich Unternehmen weiterhin für Klimaschutz aussprechen und ihre angekündigten Maßnahmen weiter voran treiben. Gleichzeitig sehen wir, dass nun auch eine Zeit ist, in der sich viele Unternehmen mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie auseinander setzen. Corona hat aufgezeigt, wie stark globale Krisen die Wirtschaft treffen. Vorausschauende Organisationen wissen: Auch die Auswirkungen des globalen Klimawandels werden gravierend sein, wenn nicht bereits jetzt die eigenen Klimarisiken sowie -Chancen aufgezeigt und bewertet werden.

Wir sehen insgesamt positiv an der Situation, dass wir als Gesellschaft im Angesicht einer Krise entschlossen handeln können. Diese Entschlossenheit werden wir im Hinblick auf den Klimawandel ebenfalls zeigen müssen. Da möchten wir alle dabei unterstützen, die etwas für das Klima tun wollen.

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