iPhone 13 bei Nacht: Was kann der «verbesserte Nachtmodus»?
Produkttest

iPhone 13 bei Nacht: Was kann der «verbesserte Nachtmodus»?

Apple sagt, dass das iPhone 13 in der Dunkelheit noch bessere Bilder macht. Der Test zeigt die Entwicklung, die Apple mit Low Light Photography durchgemacht hat.

Nachts, 22 Uhr in Bremgarten. Ein Stativ und sieben iPhones. Das ist der Kameratest, der dir zeigt, wie viel besser der verbesserte Night Mode auf dem iPhone 13 ist.

Zudem ist das auch eine Frage von User ggfoto, der fragt:

Ist dir die tolle Makrofunktion und die verbesserte Night Funktion nicht aufgefallen?
ggfoto, Kommentarspalte, digitec.ch, 26. September 2021

About this Test

Der Test ist simpel aufgebaut und zeigt Fotografieren mit den iPhones unter realen Bedingungen. Einzig das Stativ unterscheidet den Test von einem Point-and-Shoot-Bild. Der Grund für das Dreibein ist, dass ich das Drittelraster der iPhone-Kameras auf denselben Punkt ausgerichtet habe. So erkenne ich auch gleich wie weitwinklig das iPhone fotografiert. Auch liefert dasselbe Bild aus mehreren Kameras besseres und akkurateres Vergleichsmaterial.

Ziel des Tests ist es, herauszufinden, was genau Apple meinte, als bei der Vorstellung der neuen Geräte einfach nur «Night Mode» eingeblendet wurde.

Die Nacht, in der ich die Fotos mache, ist zufällig gewählt. Der Himmel ist leicht bedeckt, ich sehe einige Sterne. Zu meiner Rechten ist die warme Beleuchtung der Bremgartner Holzbrücke, zu meiner Linken die Strassenbeleuchtung und die Lichter aus den Fenstern der umliegenden Häuser zu sehen.

Die Location ist so gewählt, dass ich sowohl warme Orange- und Rottöne im Bild habe, wie auch die blaukalte Nacht im Hintergrund. Dazwischen der Fluss, der zeigt, wie das Smartphone mit der nächtlichen Langzeitbelichtung umgeht. Wird das Wasser glattgestrichen oder sehe ich einzelne Wellen?

Der Referenzpunkt ist bei allen Phones mit dem Drittelraster möglichst gleich gewählt. Leichte Abweichungen sind möglich
Der Referenzpunkt ist bei allen Phones mit dem Drittelraster möglichst gleich gewählt. Leichte Abweichungen sind möglich

Es ist 22:26 Uhr, als ich zum ersten Mal auf den Auslöser des iPhone SE 2nd Gen drücke. Die anderen Bilder werden bis 22:33 Uhr aufgenommen. Das Licht hat sich in dieser Zeit kaum verändert.

Alle Phones sind auf iOS 15 aktualisiert.

Nachtmodus: Was steckt hinter der Technologie?

Der Nachtmodus eines Smartphones ist eine clevere Sache, die Hardware und Software kombiniert. Hardwareseitig sind die Grösse des Sensors und die Blendenöffnung relevant.

  • Je grösser der Sensor, desto mehr Licht kann die Kamera verarbeiten.
  • Je tiefer die Zahl des F-Stops bei der Blendenöffnung, desto mehr Licht lässt das Objektiv auf den Sensor treffen.

Softwareseitig spielen vor allem drei Elemente eine Rolle:

  • Belichtungszeit: Je länger die Blende geöffnet wird, desto mehr Licht kann sie einfangen. Diese wollen Smartphones so kurz wie möglich halten, damit dein Nachtbild nicht verschwommen wirkt.
  • Bildhelligkeit: Diese wird in der Regel dramatisch erhöht, damit nicht alles in der Nacht versinkt. Das führt zu den hellblauen Himmeln auf Smartphonebildern und zu Bildrauschen.
  • Weichzeichnungsfilter: Damit dir das Bildrauschen nicht so stark ins Auge sticht, wendet ein Smartphone einen Weichzeichnungsfilter an. Die harten Kanten werden verschwommen und so wird das Bildrauschen verwischt. Das Risiko: Gerade Kanten werden ungerade, das Bild verliert an Schärfe.

Entsprechend sind bei den Kamerasystemen der iPhone-13-Serie die Blendenöffnung wichtig.

Jede künstliche Intelligenz (AI) eines Smartphones, das bei Nacht fotografiert, balanciert diese Elemente und mehr aus, liefert dir ein Bild, das sicher social-media-tauglich ist. Es sieht auf kleinen Bildschirmen super oder zumindest passabel aus, zeigt aber auf grösseren Bildschirmen Schwächen.

Die Kameras der iPhone-13-Serie

Die iPhone-13-Serie haben zwei unterschiedliche Kamerasysteme verbaut. Das iPhone 13 Mini und das iPhone 13 teilen sich eines und die beiden Pro-Phones teilen sich ein anderes. Äusserlich erkennst du den Unterschied daran, dass da zwei oder drei Kameralinsen an der Rückseite des Phones sind.

Für diesen Test sind aber nur wenige der Aspekte wichtig, die ein Gesamtsystem ausmachen.

Lichtempfindlichkeit iPhone 13 Mini / iPhone 13

Die verbaute Kamera beim iPhone 13 Mini und beim iPhone 13 ist identisch. Es hat zwei Linsen.

  1. 12 Megapixel, f/1.6 Weitwinkellinse
  2. 12 Megapixel, f/2.4 Ultraweitwinkellinse

Lichtempfindlichkeit iPhone 13 Pro / iPhone 13 Pro Max

Auch bei den beiden Pro Versionen des iPhones 13 sind die Kameras identisch. Zusätzlich ist ein Tiefensensor verbaut, der die Linsen mit Light Detecting and Ranging (LiDAR) Tech unterstützt.

  1. 12 Megapixel, f/1.5 Weitwinkellinse
  2. 12 Megapixel, f/2.8 Tele-Objektiv mit 3x optischem Zoom
  3. 12 Megapixel, f/1.8 Ultraweitwinkellinse
  4. Time-of-Flight (TOF) 3D LiDAR Tiefensensor

Alles in allem sollten die Kameras der Pro-Modelle die besseren Nachtaufnahmen machen.

Der Direktvergleich

Vor der Analyse: Hier sind alle Bilder aus allen vier Phones. Besonderheiten und Details schlüssle ich nachher auf. Da digitec.ch, galaxus.ch, galaxus.de und galaxus.at keine Zoomfunktion zulassen, sind alle Bilder am Ende dieses Textes in einem ZIP-Archiv für dich zum Download bereit. Darin findest du die Originalbilder.

iPhone 13 Mini

iPhone 13

iPhone 13 Pro

iPhone 13 Pro Max

Die Frage nach der Belichtungszeit

Jedes Mal, wenn ich in der Nacht ein Foto mache, will das iPhone, dass ich fünf Sekunden lang stillhalte. Das würde eine Belichtungszeit von fünf Sekunden implizieren. Damit wäre die Linse der Kamera fünf Sekunden lang geöffnet und die Gefahr der Verwacklung wäre extrem hoch. Doch die EXIF-Daten – Metadaten, welche die Details der Aufnahme festhalten – sagen etwas anderes. Kein Bild hat eine Belichtungszeit von über 1/2, also einer halben Sekunde.

Smartphone-Fotografie wird von Profifotografen und Ambitionierten genau aus diesem Grund belächelt: Die Software übernimmt viel Arbeit für dich und bessert die Aufnahme danach auch noch auf. All das passiert ungesehen und ohne dein Zutun. Darum ist es schwierig zu sagen, was hier vor sich geht.

Es kann sein, dass das iPhone falsche EXIF-Daten abspeichert. Es kann aber auch sein, dass das iPhone während den fünf Sekunden mehrere Bilder macht mit unterschiedlichen Einstellungen und dann das beste aussucht und aufbereitet. Oder es kann sein, dass das fertige Foto nicht ein Bild ist, sondern eine Collage aus mehreren Bildern.

  • Hintergrund

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Ein Wohnzimmer entscheidet über die Lichtmessung

Wenn du das Bild aus dem iPhone 13 Mini mit dem Bild des iPhone 13 vergleichst, dann sollte eigentlich kein Unterschied feststellbar sein.

iPhone 13 Mini
iPhone 13 Mini
iPhone 13
iPhone 13

Trotzdem unterscheiden sich die Bilder stark. Der Grund ist in den EXIF-Daten zu finden. Denn das iPhone 13 Mini entscheidet sich für den Metering Mode «Spot» und das iPhone 13 setzt auf «Pattern».

  • Spot: Die Software entscheidet über die Belichtung anhand des Lichtes in der Bildmitte.
  • Pattern: «Pattern» wird manchmal auch «Matrix Metering» genannt. Bei dieser Belichtungsmessung wird das Bild in eine von Kamera zu Kamera unterschiedliche Anzahl Gitter unterteilt. Jedes Viereck im Gitter wird nach Helligkeit und Detail analysiert. Darauf basierend wird dann ein Durchschnitt errechnet, der die Belichtung bestimmt.

Und tatsächlich, wenn wir die Bildmitte ansehen, dann fällt auf, dass in einem Wohnzimmer ein Licht ausgegangen ist.

iPhone 13 Mini mit beleuchtetem Balkon
iPhone 13 Mini mit beleuchtetem Balkon
iPhone 13 mit gelöschten Lichtern
iPhone 13 mit gelöschten Lichtern

Wieder nimmt dir das iPhone Arbeit ab. Ein Profifotograf müsste sich manuell für die Belichtungsmethode entscheiden, falls das auf der fertigen Aufnahme überhaupt einen merklichen Unterschied macht. Das iPhone hingegen macht einfach mal.

Der Weichzeichner übertreibt es

Die grösste Fallgrube eines jeden Nachtmodus ist der Weichzeichner. Wenn die Kamera nicht genug Licht einfängt, können die Software-Programmierer entscheiden, dass die Helligkeit zu stark hochgedreht und dann das Bildrauschen mit Weichzeichner wegretuschiert wird. Das führt dann zu extrem hässlichen Bildern, die im Prinzip nichts darstellen, sondern einfach den Tatbestand «Foto» erfüllen.

Als Faustregel lässt sich festhalten: Je hellblauer der Nachthimmel, desto stärker der Weichzeichner.

Das iPhone 13 ist da nicht der schlimmste Verbrecher. Trotzdem bestehen die Bilder der neusten iPhone-Generation den PC-Screen-Test nicht. Wann hast du jemals Wolken über der Schweiz gesehen, die so aussehen?

iPhone 13 Mini
iPhone 13 Mini
iPhone 13
iPhone 13
iPhone 13 Pro
iPhone 13 Pro
iPhone 13 Pro Max
iPhone 13 Pro Max

Auf Instagram und Facebook sieht das alles okay aus, aber auf dem grossen Bildschirm werden die Mängel offensichtlich. Diese sind bei Tag aber nicht festzustellen.

Zum Vergleich: Kein Nachtmodus und kein Licht

Der Nachtmodus ist technologisch beeindruckend, selbst wenn mir die hellblauen Himmel nicht gefallen. In meinem Kopf ist eine Nacht nicht hellblau, sondern grau-schwarz oder dunkelblau. Der Technologie kann ich das aber nicht vorwerfen.

Die Fotos oben mögen ihre Mängel haben, aber sie sind doch beeindruckend, wenn du dir ansiehst, was ein Kamera-Phone ohne Nachtmodus als Bild auswirft. Dazu muss das iPhone SE 2nd Generation herhalten. Denn die eine Linse des Budget-iPhones unterstützt keine Low Light Photography.

iPhone SE 2nd Generation, iOS 15
iPhone SE 2nd Generation, iOS 15

Der Nachtmodus braucht die Lichtverschmutzung der modernen Welt, denn ohne sie funktioniert gar nichts. Das zeigen die allerersten Versuche bei Nacht mit dem iPhone 13 Pro Max am dunkelsten Ort im Grossraum Zürich, den ich kenne: der Sihltalstrasse.

iPhone 13 Pro Max, iOS 15
iPhone 13 Pro Max, iOS 15

Fazit: Besser ist besser

ggfoto stellt eine gute Frage. Fällt der verbesserte Nachtmodus auf? Nein, in diesem Vergleich nicht. Aber wir können daraus ein paar Faustregeln ableiten zum Thema Low Light Photography.

  • Je mehr Kameralinsen ein iPhone hat, desto besser die Aufnahme im Dunkeln.
  • Je neuer das iPhone ist, desto besser die Aufnahme im Dunkeln.
  • Je teurer das iPhone, desto besser die Aufnahme im Dunkeln.

Das heisst aber nicht, dass ein iPhone 13 Pro oder ein Pro Max perfekte Nachtbilder schiesst. Nach wie vor ist Apple nicht vor den üblichen Schwächen des Nachtmodus gefeit. Die Helligkeit wird hochgeschraubt und ein Weichzeichnungsfilter soll dann das Ärgste kaschieren. Das funktioniert, aber macht auf einem grossen Bildschirm nicht den allerbesten Eindruck. Die Bilder zeigen bei genauer Betrachtung auf einem grossen Bildschirm offensichtliche Schwächen.

Die Hardware von Apple entwickelt sich langsam, der Konzern macht nicht bei dem Rennen um die meisten Megapixel mit und auch die Blende wird nur langsam kleiner. Von einer virtuellen Blende von f/0.95 wie bei Huawei ist Apple noch ein Stück entfernt, was aber die Leistung des AI/Kamerakonstrukts nicht entwertet.

Das iPhone 13 macht zwar über vier Sekunden der fünfsekündigen Belichtungszeit irgendetwas, die Resultate dürfen sich aber durchaus sehen lassen. Die 13er-Serie verbessert nicht nur die Blendenöffnung, sondern trickst auch gut mit der Software, um noch mehr aus den Bildern rauszuholen.

Es ist mittlerweile eine Weile nach Mitternacht. Ich geh schlafen. Nächstes Mal vergleiche ich die iPhones Pro Max 11, 12 und 13.

Referenzlinks

Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfehle ich dir die Daten von gsmarena.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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