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Hintergrund

Lauf-Coaching: Der Kampf mit dem Gewohnheitstier in mir

Michael Restin
28.8.2020
Bilder: Thomas Kunz

Ich wollte ein Barfuss-Training und bekam die nackte Wahrheit: An meinem Körper gibt es mehr Baustellen als auf der A1. Das Hauptproblem sitzt ganz oben. Im Detail an ihnen zu arbeiten, fordert vor allem den Kopf.

Mein erstes Problem kann jeder erkennen, der mir kurz auf die Beine guckt. Statt gerader Stelzen finden sich bei mir gebogene Schienbeine, die irgendwie unglücklich an die Knie montiert zu sein scheinen. Darüber Oberschenkel, die sich verschämt abwenden und in eine andere Richtung orientieren. Ein Bildhauer im ersten Lehrjahr bekommt das besser hin.

«Ich sehe selten gut koordinierte Leute», tröstet mich Veronika. «Kleine Kinder haben meistens eine sehr schöne Aufrichtung und es gibt ein paar Glückspilze, die nichts verlernt haben.» Alle anderen wirft das Leben irgendwann aus der Bahn.

Wir treffen uns auf dem Vereinsgelände des FC Oberwinterthur, um mit der Inventur meines Körpers zu beginnen. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass es bei mir nur um einen Knick-Senk-Spreizfuss und die Frage geht, wie ich das letzte Prozent Leistung aus meinen Bewegungsmustern kitzeln kann. Weiter so ist keine Option. Der Zahn der Zeit nagt, ich muss etwas ändern. Der schiefe Turm von Pisa wäre ohne Sanierungsarbeiten längst umgefallen.

Tut nicht so weh wie es aussieht

Seit einiger Zeit experimentiere ich mit Barfussschuhen und habe das Gefühl, dass meine Knie positiv reagieren. Veronika habe ich kontaktiert, weil sie selbst ähnliche Beschwerden in den Griff bekommen hat und beruflich anderen dabei hilft, den Körper anatomisch sinnvoll zu sortieren.

Baustelle Beinachse

«Geh bitte ein paar Schritte», sagt Veronika. Links, rechts, links, rechts, links, rechts. Läuft doch. Ich gebe mein Bestes, drehe mich um und blicke in marianengrabentiefe Sorgenfalten. «Wie sage ich es ihm?», scheint die Therapeutin zu denken, bevor sie mich ein paar Treppenstufen laufen lässt und zum lockeren Joggen auf den Kunstrasen schickt. Hin und her, schön der Linie entlang.

Während ich nur auf Füsse und Knie achte, hat Veronika mein komplettes Bewegungsmuster analysiert: «Das Auffälligste ist, dass deine Beinachse nicht gerade ist und dass dein Knie bei Belastung nach innen wegdreht», setzt die Expertin beim Offensichtlichen an. Doch sie ist noch längst nicht fertig: «Wenn du ins Laufen gehst, hast du eine Asymmetrie. Deine rechte Schulter geht nach oben und rechts verdreht sich das Becken. Auch da knickt die Beinachse.»

Tipp zur Selbstkontrolle: Setze dich vor den Spiegel auf einen Stuhl. Die Füsse stehen parallel und gerade. Der zweite Zeh zeigt nach vorne, das Knie ist in einer Linie mit ihm oberhalb des Sprunggelenks. Wenn du aufstehst, sollten die Knie in Position bleiben und nicht ausweichen.

Fesselndes Feintuning

Um den gleichen Effekt im Gehen und Stehen zu erzielen, bastelt Veronika aus dem Theraband eine Bandage. Es wird um den Fuss gewickelt und dann von aussen um den Unterschenkel geführt, damit dieser etwas nach innen rotiert. Die nächste Windung drückt den Oberschenkel nach aussen, bevor das Band um die Hüfte gewickelt im Hosenbund verschwindet.

Eine Gebrauchsanweisung für anatomisch intelligente Bewegungen. Diese enthalten in der Regel eine spiralförmige Komponente – etwa, wenn sich die Wirbelsäule beim Laufen abwechselnd nach links und rechts dreht. Daher der Name. «Es ist eine extrem differenzierte Herangehensweise», findet Veronika. «Für viele ist sie erstmal sehr schwierig, weil sie ein hohes Mass an Körperwahrnehmung erfordert.»

Mir leuchtet der Ansatz ein. Auch weil er das Hirn zum Mitmachen zwingt. Erste Erkenntnis: Kleine Korrekturen, um das grosse Ganze in Einklang zu bringen, können anstrengend sein. Vor allem für den Kopf, der gegen die automatisierten Bewegungsmuster ankämpfen muss. Das klappt, wenn ich mich auf eine Sache konzentriere. Ein Ausfallschritt, eine Treppenstufe. Von der Bank aufstehen. Ein paar Schritte geradeaus gehen. Sobald sich das Tempo erhöht, wird es kompliziert.

Baustelle Wirbelsäule

Tipp zur Selbstkontrolle: Stelle dich mit dem Rücken an einen Pfosten oder Türrahmen und richte dich auf. Die Lendenwirbelsäule sollte ein bis zwei Finger breit Abstand haben, der Kontaktpunkt der Brustwirbelsäule relativ weit unten sein. Im Idealfall ruht der Hinterkopf entspannt an der Kontrolllinie.

Verloren im Raum

«Jetzt stehst du gerade», sagt Veronika schliesslich. Ich denke gleichzeitig: Es fühlt sich schräg an, aufrecht zu stehen. Bei den ersten Übungen konnte ich auf meine Knie gucken, nun fehlt mir die optische Referenz. Und die zwei Stufen werden endgültig zum koordinativen Hindernis. Unterschenkel eindrehen, Oberschenkel nach aussen rotieren, Steissbein absenken, Rippenbogen rein, Halswirbelsäule – halt – wie war das mit der Haltung?

Ich versuche, Veronikas Anweisungen umzusetzen, und stakse die Stufen rauf und runter. Verloren im Raum, nehme ich mir alle Zeit der Welt. Rauf und wieder runter. Runter und wieder rauf. Mal gibt es Lob für Änderungen, die ich kaum wahrnehme, mal klare Korrekturen. Becken gerade. Und vor allem: Mehr Rotation in der Brustwirbelsäule.

Ein Schritt in die richtige Richtung

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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