
Nord-Stream-Sabotage ohne grössere Folgen fürs Klima

Methan ist eines der am stärksten wirksamen Treibhausgase. Doch bei der Explosion der Nord-Stream-Pipelines wurde weniger freigesetzt, als befürchtet wurde.
Am 28. September zerstörten mehrere Detonationen drei der vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines. In der Folge strömte tagelang Gas in die Ostsee und anschliessend die Atmosphäre. Das vor allem freigesetzte Methan ist ein starkes Treibhausgas, weshalb neben den politischen und wirtschaftlichen auch Folgen für das Klima befürchtet wurden. Eine Studie von Xiaolong Chen und Tianjun Zhou von der University of the Chinese Academy of Sciences in Peking in «Advances in Atmospheric Sciences» mindert zumindest letztere Bedenken.
Es handele sich zwar um die grösste bekannte Freisetzung von Methan in einem einzigen von Menschen verursachten Ereignis, doch verglichen mit den weltweiten Gesamtemissionen des Gases seien die Mengen vergleichsweise klein, schreiben die beiden Forscher. Insgesamt gelangten nach ihren auf Satellitendaten basierenden Schätzungen 0,22 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre und damit doppelt so viel wie beim bisherigen Spitzenreiter, einem Unfall im Jahr 2015 am kalifornischen Aliso-Canyon-Gasfeld. Der Wert von Chen und Zhou liegt deutlich unter den 0,5 Millionen Tonnen, die in den ersten Tagen nach der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines geschätzt wurden.
Das Gasleck müsse man jedoch im Verhältnis zu den jährlichen Gesamtemissionen an Methan betrachten: Durchschnittlich gelangten zwischen 2008 und 2017 jährlich 70 Millionen Tonnen des Treibhausgases aus dem Erdöl- und -gassektor in die Atmosphäre. Zusammen mit den Emissionen aus Reisfeldern, Mülldeponien oder Kuhmägen sowie aus natürlichen Quellen entweichen 360 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre. Aus Nord-Stream entwich daher nur so viel Gas, wie sonst jeden Tag durch andere Quellen freigesetzt wird. «Die zusätzliche Erwärmung durch das ausgestossene Methan ist so minimal, dass sie im globalen Massstab nicht wahrgenommen würde», sagt Chen.
Der Physiker warnt dennoch: «Wenn die Menschheit die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen will, sollten Schäden an der Infrastruktur wie dieser vermieden werden.» Auch wenn Methan deutlich kürzer in der Atmosphäre verweilt als Kohlendioxid, so ist seine Treibhausgaswirkung über einen Zeitraum von 20 Jahren mehr als 80 Mal grösser. Bei einem Zeitraum von 100 Jahren ist die Wirksamkeit immer noch 30 Mal höher. Reduzierte Emissionen sind daher dringend nötig, um die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu beschränken.
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Originalartikel auf Spektrum.deTitelbild: © Danska Forsvaret / TT Nyhetsbyrån / picture alliance (Ausschnitt)


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