PC bootet wie von Geisterhand: Spinnt er oder bin ich das Problem?
Hintergrund

PC bootet wie von Geisterhand: Spinnt er oder bin ich das Problem?

Martin Jud
21.3.2023

Seit einigen Wochen startet mein PC ab und zu von selbst. Es dauert allerdings, bis ich motiviert bin, dem Problem auf den Grund zu gehen. Am Ende finde ich seine Ursache.

Nicht immer, aber meistens ist der User teilweise oder ganz schuld, wenn ein technisches Problem auftritt. Dem bin ich mir bewusst. Dennoch hat dieser User – also ich – aus Gründen keine Lust, sich stets um solche zu kümmern. Noch weniger, wenn der Fehler nur sporadisch vorkommt und die Auswirkungen sich in Grenzen halten.

Folgendes ist geschehen: Die meisten Tage arbeite ich im Homeoffice. Dabei wundere ich mich seit einigen Wochen manchmal, dass der Windows-PC bereits läuft, wenn ich morgens den Raum betrete. Das passiert ein bis zweimal wöchentlich. Mir wäre es jeweils lieber, wenn frisch dampfende Brötchen und ein Kaffee dastünden – doch immerhin schenkt mir das Leben einige Sekunden, die ich sonst beim Hochfahren des PCs verlieren würde.

Nun ist es am Wochenende gleich zweimal hintereinander passiert. Einmal schaltete sich der PC am Samstag ein, als ich Spazieren war. Und dann wieder in der Nacht auf Sonntag, als ich erstmals direkt daneben stand. Ich staunte am Dachfenster im Büro über den sternenklaren Himmel, als neben mir vom PC ein «Klack» erklang. Gefolgt von einem kurzen, intensiven Lüfterrauschen und einem Farbenspiel unterm Pult, hat mir Sekunden danach der Bildschirm mit seinem hellen Licht beinahe die Netzhaut weggebrannt.

Damit war die Jagd auf das Problem eröffnet und mein innerer Schweinehund endlich überwunden.

Spukt es, sind da Hacker oder Aliens … oder liegt es an «Wake on LAN»?

Auch wenn sich der Computer wie von Geisterhand einschaltet, konnte ich keine mystische Erscheinung ausmachen – keine materialisierten Finger oder so. Ebenso finde ich auf dem Computer keine verdächtigen Prozesse, die im Hintergrund laufen. Da ist kein verstecktes Cryptomining auszumachen. Auch keine verdächtigen Netzwerkzugriffe – alles ist ruhig.

Mein erster Gedanke zu später Stunde gilt danach meinem allerersten Verdacht, den ich vor Wochen hatte. Allerdings führte mein Verdacht damals ins Leere und ich liess es bei diesem einen Lösungsversuch. Als der automatische Start zum ersten Mal geschah, musste ich an die Option «Wake on LAN» (WOL) denken. Ist diese im BIOS (UEFI) aktiviert, kann ein PC übers Netzwerk – bei entsprechender Konfiguration auch übers Internet – von anderen Geräten gestartet werden. Das Problem trat zum ersten Mal auf, nachdem ich einen Ordner unter Windows für andere Geräte im Netzwerk freigegeben hatte. Darum verdächtige ich die WOL-Funktion. Vielleicht wollte mein NAS, die Fritz!Box oder die Nvidia Shield Pro darauf zugreifen und hat dann meinen PC gestartet.

Doch vermutlich ist das alles Humbug. Zumal ich nie ein anderes Netzwerkgerät explizit dafür konfiguriert habe, dem PC ein sogenanntes Magic Packet zu senden, um ihn aufzuwecken. Auch sollten die Geräte das nur dann tun, wenn ich es ausdrücklich will. Oder doch nicht? Ich bin unsicher.

Nebenbei: Den Netzwerkordner habe ich freigegeben, um eine grosse Datei zwischen zwei Windows-Rechnern für einen Geschwindigkeitstest eines Routers zu versenden.

Obschon ich es bereits einmal tat, überprüfe ich erneut im UEFI meines Mainboards mit Bezeichnung Asus TUF Gaming Z490-Plus, ob die WOL-Option mit Bezeichnung «Power on by PCI-E» deaktiviert ist. Und ja, sie ist es.

Die Lösung: Schalte dein Hirn ein

Na gut, jetzt aber mal von vorne. Was habe ich abgesehen vom freigegebenen Netzwerkordner noch am PC verändert? Ach ja, da ist diese neue Netzwerkkarte mit 10-Gigabit-Anschluss, die ich eingebaut habe.

Langsam dämmert es mir: Die WOL-Option im BIOS beeinflusst offenbar nur den LAN-Anschluss meines Motherboards, aber nicht denjenigen der Netzwerkkarte.

Über den Geräte-Manager gelange ich zu den Einstellungen (Eigenschaften) der Netzwerkkarte.
Über den Geräte-Manager gelange ich zu den Einstellungen (Eigenschaften) der Netzwerkkarte.
Quelle: Martin Jud

Ich starte Windows 11 neu und gehe in den Geräte-Manager, der in den Systemeinstellungen zu finden ist. Dann klappe ich den Punkt «Netzwerkadapter» aus und klicke rechts auf meine TP-Link-Netzwerkkarte (Marvell AQtion 10Gbit Network Adapter), um dann «Eigenschaften» auszuwählen.

Den Haken unter dem Mauszeiger entferne ich gleich mal, um WOL bei der Netzwerkkarte generell zu deaktivieren.
Den Haken unter dem Mauszeiger entferne ich gleich mal, um WOL bei der Netzwerkkarte generell zu deaktivieren.
Quelle: Martin Jud

In den Eigenschaften ist unter dem Reiter Energieverwaltung die Option «Gerät kann den Computer aus dem Ruhezustand aktivieren» (engl. Bez.: «Allow this device to wake the computer»). Davor sehe ich einen Haken. Nehme ich den heraus und starte Windows neu, ist mein Problem vorerst Geschichte. Ich entziehe damit generell die Möglichkeit, über diese Netzwerkschnittstelle den Computer starten zu lassen. Falls ich künftig WOL nur mittels Magic Packet verwenden möchte, könnte ich WOL erneut aktivieren und bei der Zusatzoption «Nur Magic Packet kann Computer aus dem Ruhezustand aktivieren» ebenfalls einen Haken setzen. Damit wäre der Spuk ebenso vorüber.

Doch das erklärt noch nicht, warum mein PC sporadisch selbst startet. Welche Möglichkeiten gibt es noch, WOL zu verwenden – was steckt dahinter?

Ich suche weiter und finde unter dem Erweitert-Reiter interessante Optionen. Einige davon sind für mich nicht selbsterklärend. Ich informiere mich online, welchen Nutzen sie haben.

Der Übeltäter des Problems: «Wake on Pattern Match»
Der Übeltäter des Problems: «Wake on Pattern Match»
Quelle: Martin Jud

Da sind mehrere Optionen, welche WOL direkt beeinflussen. Eine davon ist bei mir aktiviert und sticht mir auch sonst besonders ins Auge: «Wake on Pattern Match». Je nach Netzwerkkartentreiber kann die Option auch auf Deutsch bezeichnet sein und heisst dann «Bei Musterübereinstimmung aufwecken». Ist sie aktiviert, lässt sich der PC abgesehen von einem Magic Packet auch durch eine gezielte Verbindungsanfrage wecken, die beispielsweise den Netzwerkordner ansprechen möchte. Microsoft schreibt dazu: «Aufweckmuster beziehen sich auf Netzwerkpaketfilter, die bestimmen, ob eingehender Netzwerkverkehr den Computer aufwecken soll.»

Alles klar: Schuld an der ganzen Misere sind in erster Linie fehlende Kenntnisse meinerseits. Ob es Sinn macht, dass WOL bereits inklusive Pattern-Match-Option direkt nach der Installation des Treibers (Marvell AQtion v3.1.7) aktiviert ist, sei dahingestellt.


Es sind nun vier Tage her, seit ich WOL im Geräte-Manager bei der Netzwerkkarte deaktiviert habe. Bisher gab es keine weiteren, komischen Geschehnisse im Büro. Ich denke, ich habe den «Käfer» erwischt.

Titelfoto: Martin Jud

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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