Rocketbook-Notizbücher: Unsterbliche Seiten, kurzlebiges Gekritzel
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Rocketbook-Notizbücher: Unsterbliche Seiten, kurzlebiges Gekritzel

Rocketbook entwickelt wiederverwendbare Notizhefte – dafür setzt das amerikanische Unternehmen auf Plastikseiten. Diese lassen sich im Handumdrehen sauberwischen. Damit das funktioniert, musst du aber einen Kompromiss eingehen.

Die Seiten sind für die Ewigkeit, die Tinte dagegen ist sterblich – das ist die Idee hinter Rocketbook. Das amerikanische Unternehmen verkauft wiederverwendbare Notizbücher, deren Seiten du nach dem Gebrauch mit einem Mikrofasertuch abwischen und wiederverwenden kannst.

Spannende Idee. Deshalb habe ich zwei Modelle ausprobiert: Das Rocketbook Fusion und das Rocketbook Panda Planner.

Hauptelement Plastik

Meine beiden Test-Hefte sind im A4-Format. Dabei sind sie vergleichsweise dünn: Nur gerade 5 Millimeter zeigt mir das Massband an. Noch bevor ich die Ringhefte zum ersten Mal aufschlage, fällt mir die Materialqualität des Covers auf.

Sowohl das türkisblaue Rocketbook Fusion wie auch die schwarze Panda Planner-Version sind aussen komplett mit Plastik verkleidet. Das heisst, nicht nur die Heftdeckel, sondern auch die Binderücken sind aus Kunststoff gefertigt.

Für traditionelle Papier-Liebhaberinnen oder Moleskine-Enthusiasten wie mich wirkt das erstmal äusserst unattraktiv. Dafür erlaubt mir das Material aber, die Rocketbooks nach Lust und Laune zu verbiegen, ohne dass ich Schaden anrichte. Immerhin. Die erste Erkenntnis also: Rocketbooks sind robust.

Weich und wächsern

Zeit, einen Blick ins Innere zu werfen und das Herzstück des Systems «Rocketbook» zu erkunden: die wiederverwendbaren Kunststoffseiten. Bei der Fusion-Version hast du 42 davon. Bei der Panda-Planner-Ausgabe 32.

Beim ersten Darüberstreifen bemerke ich einen klaren Unterschied zu Papier. Die Plastikseiten sind viel weicher und glatter. Das fühlt sich zwar komisch, aber nicht unangenehm an. Vom blossen Auge her sind die Plastikseiten etwa gleich dünn wie eine Papierseite. Sie sind aber robuster: Du kannst sie nicht einfach so zerreissen. Wenn du sie hingegen faltest, bleibt auch hier ein Abdruck zurück. Wie bei Papier.

Das Plastikseiten fühlen sich weicher an als Papier.
Das Plastikseiten fühlen sich weicher an als Papier.

Der unschöne Kompromiss

Nach den Streicheleinheiten und Zerreissproben unterziehe ich die Plastikseiten ihrem ultimativen Test. Ich beschreibe sie. Das muss ich mit dem mitgelieferten Stift machen – leider.

Denn es handelt sich um den Frixion Ball Pen von Pilot. Nur mit ihm funktioniert der Zaubertrick mit dem Wegwischen – und somit das Konzept «Rocketbook». Das heisst, wenn du das Rocketbook als Rocketbook nutzen willst, musst du auch den Frixion Ball Pen verwenden.

Das ist schade – denn das Teil ist unsäglich. Die billige Plastikverarbeitung, das freche Tribal-Muster und drei Schriftzüge in verschiedenen Schriftfamilien lösen bei mir ästhetische Panikattacken aus. Zudem finde ich den Frixion Ball Pen viel zu leicht. Beim Schreiben spüre ich gerne die Schwere eines Stiftes in meiner Hand. Das ist bei Frixion definitiv nicht der Fall.

Muss dein Schreibwerkzeug aber kein Briefbeschwerer sein und hast du keine pedantische Fixierung auf dessen äussere Werte, könnte dir der berühmte Plastikstift sogar gefallen. Du kannst dessen Tinte nämlich ausradieren – auch auf Papier. Dass du beim Rocketbook aber quasi zu seiner Verwendung gezwungen wirst, ist ein grosses No-Go für mich.

Das Schreibgefühl mit dem Frixion-Stift auf den Kunststoffseiten ist ungewohnt. Es fühlt sich an, als wären die Stiftspitze und Papieroberfläche beide in weiches Wachs getunkt worden. Der Stift gleitet wie gebuttert und widerstandslos über die Seite. Ich als Papier-Fan finde das unangenehm. Aber wenn du hauptsächlich Whiteboards bemalst, dann dürfte dir das gefallen.

Beim Schreiben musst du vorsichtig sein, dass du deine Notizen nicht verwischst – denn es dauert etwa zehn Sekunden, bis die Tinte des Frixion auf den Kunststoffseiten getrocknet ist. Das ist wie damals in der zweiten Klasse, als du mit dem Fülli schreiben gelernt hast. Auch heute finde ich das sehr unpraktisch – vor allem für Linkshänder.

Vom Plastikpapier in die digitale Unsterblichkeit

Sobald du die Seiten deines Rocketbooks mit Notizen oder Zeichnungen gefüllt hast – oder wann immer du Lust darauf hast – schickst du das physische Gekritzel ins digitale Jenseits. Dafür kommt die Rocketbook-App ins Spiel. Es gibt eine Android- und eine iOS-Version.

Mit dieser scannst du die gewünschte Seite. Der Scan landet dann an einem zuvor designierten Zielort. Dafür sind die fast unsichtbaren Symbole am unteren Seitenrand da: Eines davon musst du vor dem Scan ankreuzen.

Du kannst deine Notizen anhand dieser Symbole im digitalen Raum ordnen.
Du kannst deine Notizen anhand dieser Symbole im digitalen Raum ordnen.

In der App kannst du die Symbole mit Zielorten verknüpfen – dann landet der Scan dort, wo du das Kreuz gesetzt hast – in deiner Mailbox oder im Google Drive zum Beispiel. Ziemlich praktisch. Zudem kannst du seit wenigen Monaten deine handgeschriebenen Notizen mit der App in Text umwandeln.

Die Schrifterkennung ist zwar noch in der Beta, funktioniert aber schon teilweise gut. Um diese Funktion zu nutzen, musst du aber erst bei jedem festgelegten Zielort in den Einstellungen die OCR-Transkription aktivieren.

Wenn du das gemacht hast, schickt dir die Rocketbook-App die Transkriptionen deiner Handschrift im selben oder einem separaten Dokument an deinen gewählten Zielort. Das funktioniert bei meinem kurzen Text nicht ganz einwandfrei – die Transkription enthält einen kleinen Fehler und erkennt einen Abstand falsch.

Für diesen Test habe ich auch Gebrauch von den sogenannten Smart Titles gemacht. Wenn du einen handgeschriebenen Dokumententitel zwischen zwei Hashtags setzt, erkennt ihn die Rocketbook-App und benennt die Datei im digitalen Raum automatisch danach. Dieser Aspekt der Handschrifterkennung ist sehr praktisch und funktioniert wunderbar.

Ein weiterer Trick der Handschrifterkennung ist die Smart Search. Damit kannst du im Suchfeld deines Google Drives auch nach Worten suchen, die sich in einem rein handgeschriebenen Rocketbook-Dokument befinden. Praktisch.

Die digitalen Möglichkeiten der Rocketbook-App sind ein grosser Pluspunkt für das Produkt. Sie bilden einen interessanten Gegenpol zum unschönen physischen Zubehör des Herstellers. Zurzeit ist die Handschrifterkennungsfunktion von Rocketbook jedoch nur in Englisch verfügbar.

Gelungene Wischaktion

Nach dem Rundgang im digitalen Jenseits kommt die Putzaktion in der physischen Welt. Normalerweise ist dieses Wort nicht unbedingt mit Spass verbunden – doch in diesem Kontext ist es grossartig. Wenn du deine Dokumente digital gespeichert hast, kannst du mit dem mitgelieferten Mikrofasertuch die Tinte auf den Seiten des Rocketbooks mit einem Handstreich zum Verschwinden bringen.

Dafür benetzt du die untere Hälfte des Tuches mit Wasser und wischst damit über die Seite – den trockenen Teil des Stoffs nutzt du für einen zweiten Wischer über die gleiche Stelle. Das funktioniert sehr gut. Nur ein leichter Abdruck weniger Buchstaben bleibt bestehen, aber das stört nicht weiter und verblasst immer mehr.

Ich würde behaupten, dass dies das beste Feature des physischen Heftes ist.

Leider funktioniert es aber nur mit dem Frixion-Stift. Das Wegzaubern klappt nur bedingt mit anderen Schreibutensilien – gewisse Leuchtstifte kommen gut weg, Bleistift nur bedingt und normaler Kugelschreiber gar nicht. Auch Kaffeeflecken lassen sich nicht ganz wegbringen. Das habe ich für dich ausprobiert, wenn auch nicht ganz geplant. Trotz Plastik-Finish gilt also: Vorsicht mit Flüssigkeiten.

Das Gekritzel vom Frixion kommt mit der Wischaktion am besten weg.
Das Gekritzel vom Frixion kommt mit der Wischaktion am besten weg.

Zwei Hefte, zwei Strukturen

Kommen wir zur Seitenstruktur meiner beiden Testhefte. Zur Fusion-Version gibt es nicht viel zu sagen. Das ist ein Projektplaner mit undatierter Wochen- und Monatsübersicht am Anfang. Auf der nächsten Seite kannst du deine Ziele, Resultate, Massnahmen und Überlegungen anbringen – diese Seiten sind auf Englisch beschriftet. Danach gibt es noch eine Seite für Ideen, Bewertungen und Next Steps. Dann folgt eine ganze Reihe gepunkteter und linierter freier Blätter.

Mit diesem offenen Aufbau kannst du die Fusion-Ausgabe also sehr gut für Vorlesungen, Kurse oder freie Notizen verwenden.

Bei der Fusion-Version sind nur die ersten paar Seiten strukturiert. Bei der Panda-Planner-Version bekommst du mehr vorgegebene Seiten, die deine persönlichen Ziele und Entwicklung dokumentieren sollen.
Bei der Fusion-Version sind nur die ersten paar Seiten strukturiert. Bei der Panda-Planner-Version bekommst du mehr vorgegebene Seiten, die deine persönlichen Ziele und Entwicklung dokumentieren sollen.

Die Panda-Planner-Version bietet vom Inhalt her mehr Struktur. Das Heft heisst so, weil es in Zusammenarbeit mit der Firma Panda Planner entworfen wurde. Das Unternehmen hat sich der Produktivität und persönlichen Entwicklung verschrieben, indem es entsprechende Kalender entwirft.

Der Aufbau ist hier folgendermassen: Es beginnt mit einer undatierten Monatsübersicht. Darin kannst du wichtige Daten speziell vermerken. Danach kannst du deine Ziele für das Jahr festlegen – dafür sind Kategorien wie «Familie und Freunde» oder «Gesundheit und Fitness» vorgegeben.

Nachdem die grossen Ziele definiert sind, wird die Planung über die nächsten Seiten immer konkreter. So brichst du deine Ziele in Zwischenziele herab und identifizierst, wie du deren Erreichung messen kannst und wo mögliche Stolpersteine liegen.

Bevor es beim Panda Planner an die detaillierte Tagesplanung geht, kannst du hier einen Commitment-Vertrag mit dir selbst unterschreiben – dieser kleine Psycho-Trick soll dich noch intensiver an die Ausführung der versprochenen Taten binden. Für die, die sich mit diesem oder ähnlichen Produktivitätsplanern beschäftigen, ist dieser Aufbau nichts Neues.

Für die Wochenplanung bietet die Panda-Planner-Version vier Seiten. Für die Tagesplanung zehn – danach musst du zum Mikrofasertuch greifen. Also nach etwa zwei Wochen, wenn du fünf Tage die Woche arbeitest.

Für wen ist das Rocketbook?

Es war spannend, das Rocketbook kennenzulernen. Richtige Freunde werden wir aber nicht. Die Plastikverarbeitung des ganzen Heftes, der Zwang zum unsäglichen Frixion-Pen und das wächserne Schreibgefühl sowie das lange Trocknen der Tinte sind nichts für mich.

Wer aber nach einem Notizbuch sucht, das langlebig, wenig zimperlich und wiederverwendbar ist, ist hier an der richtigen Adresse. Es ist für Menschen gedacht, die Berge von herumfliegenden Papieren fürchten und ihre Notizen lieber einfach geordnet in einer virtuellen Kammer verstauen als in irgendeiner Schublade im Keller aufbewahren wollen.

  • Produkttest

    Ein Hoch auf die Handschrift – das ReMarkable 2 im Test

    von Coya Vallejo Hägi

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«Ich will alles! Die erschütternden Tiefs, die berauschenden Hochs und das Sahnige dazwischen» – diese Worte einer amerikanischen Kult-Figur aus dem TV sprechen mir aus der Seele. Deshalb praktiziere ich diese Lebensphilosophie auch in meinem Arbeitsalltag. Das heisst für mich: Grosse, kleine, spannende und alltägliche Geschichten haben alle ihren Reiz – besonders wenn sie in bunter Reihenfolge daherkommen. 


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