
Kritik
Liefern oder sterben? «Deliver at All Costs» und der Wahnsinn auf Rädern
von Kim Muntinga
«Ruffy and the Riverside» lockt mit sympathischen, handgezeichneten Charakteren. Leider kann das Gameplay nicht ganz mit dem gelungenen Look des 3D-Plattformers mithalten.
Als ich «Ruffy and the Riverside» das erste Mal starte, bin ich begeistert. Das Spiel erinnert mich mit seiner kunterbunten Welt an 3D-Plattformer-Meisterwerke wie «Super Mario 64» und «Banjo Kazooie». Der Look der 2D-Charaktere weckt hingegen Erinnerungen an Nintendos «Paper Mario»-RPG-Reihe.
Als keine zehn Stunden später der Abspann über meinen Bildschirm rollt, ist die anfängliche Begeisterung verflogen. Obwohl ich kein schlechtes Erlebnis mit dem Spiel habe, bleibt es hinter meinen Erwartungen. Aussehen ist nicht alles.
Ich steuere den Bären Ruffy, der von der frechen Biene Pip begleitet wird. Eigentlich bin ich nur ein Malgehilfe, der bis zum Beginn des Spiels die «FLIP»-Fähigkeit ausschliesslich zum Austauschen von Gemälden benutzt. Der FLIP ist das Kernelement, um das sich alles dreht. Dazu kommen wir noch.
Als ich aus Versehen den bösen Würfel Groll erwecke, befindet sich die gesamte Welt von Riverside in Gefahr. Groll zerstört nämlich das Buchstaben-Emblem des Städtchens, das an den Weltkern gekoppelt ist. Um es wiederherzustellen, muss ich die heiligen Buchstaben finden und einsammeln.
Die Geschichte ist Plattformer-typisch simpel und liefert die nötige Motivation, um die Welt durch fröhliches Herumspringen und Rätselraten zu retten. Auch wenn die Story vor allem gegen Ende eine schöne Botschaft bereithält, schwafeln die Charaktere für einen 3D-Plattformer zu viel. Kürzere Dialoge würden es auch tun und weniger vom eigentlichen Spielspass ablenken.
Das ist schade, denn das Design der Spielwelt gefällt mir richtig gut. Die handgezeichneten 2D-Charaktere strotzen nur so vor Charme, genauso wie die 3D-Welt im Retro-Stil. Auch die Musik, die dabei im Hintergrund erklingt, gefällt mir. Allen voran, das Title Theme.
Das Alleinstellungsmerkmal von «Ruffy and the Riverside» ist die FLIP-Fähigkeit. Damit kann ich Texturen nach Belieben kopieren und ersetzen. Wenn ich beispielsweise vor einem Wasserfall stehe, kopiere ich zuerst eine Kletterranke in der Nähe. Anschliessend übertrage ich die Pflanze auf das Wasser. So überwinde ich das Hindernis problemlos.
Die Hauptgeschichte navigiert mich mit ihrem roten Faden durch die Spielwelt. Ich habe immer ein Ziel, dem ich folge. Auf dem Weg lenken mich regelmässig kleinere Auffälligkeiten und Rätselmöglichkeiten ab. Mal muss ich ein Abbild mithilfe der FLIP-Fähigkeit auf eine Tabelle übertragen, mal ein Steingebilde richtig abbilden, indem ich die überschüssigen Steine in Holz verwandle und zerstöre. Es lohnt sich auch, Steine im Wasser in Holz zu verwandeln. So treiben sie auf der Oberfläche und dienen mir als Plattform.
Alles dreht sich um den FLIP. So sehr, dass die Jump’n’Run-Elemente für meinen Geschmack zu stark in den Hintergrund geraten und ich mehr Zeit mit dem Lösen kleiner FLIP-Rätsel verbringe. «Ruffy and the Riverside» fühlt sich an wie ein kunterbuntes «Banjo Kazooie», das sich aufgrund seiner Mini-Rätsel von «The Legend of Zelda» inspirieren lässt.
Die zahlreichen Steingebilde-Rätsel erinnern mich zum Beispiel an die kleinen Krog-Rätsel aus «The Legend of Zelda: Breath of the Wild» und «The Legend of Zelda: Tears of the Kindgom».
Sie sind kurzweilig und ich erhalte 3D-Plattformer-typische Sammelgegenstände. Hier eine Etoi-Kreatur, da ein Schmetterling und dort ein sogenannter «Traumstein», mit dem ich die Welt nach meinen Vorstellungen anmale. Jeder Traumstein steht für eine Textur im Spiel, wie zum Beispiel fliessendes Wasser. Ist mir das originale Design zu schnöde, gestalte ich das Wasser nach meinen Wünschen neu und zeichne es direkt selbst. Dann sehe ich es fortan überall in der Welt.
Ein Highlight der Rätsel für die Sammelgegenstände sind die zweidimensionalen Abbildungen an Wänden, in die ich über ein Portal eintreten kann. In den Abbildern spiele ich kurze Jump’n’Run-Passagen, die ich vor dem Betreten mit dem FLIP-Effekt manipuliere, um sie meistern zu können. Auch hier fühle ich mich an ein Nintendo-Spiel erinnert: dieses Mal an die 2D-Passagen aus «Super Mario Odyssey».
Insgesamt hat sich das Entwicklerteam für meinen Geschmack etwas zu sehr von Ruffys Copy-Paste-Fähigkeiten inspirieren lassen. Zu viele Elemente wurden aus anderen Games kopiert und in Ruffys Welt wiederverwertet. Trotz der offensichtlichen Nintendo-Inspirationen wie «Zelda», «(Paper) Mario» oder «Banjo» kann Ruffy spielerisch nicht mit diesen Titeln mithalten. Die «ausgeliehenen» Gameplay-Elemente sind so stark vereinfacht, dass ich nie zum Knobeln komme. Dadurch bekomme ich auch keine Lust, die charmant aussehende Welt zu erkunden. Das Herz im Spiel fehlt mir. Die Entwicklerinnen und Entwickler hätten sich lieber ein wenig mehr trauen oder einige Elemente streichen sollen.
Im ersten Moment bin ich von den vielen Erkundungsmöglichkeiten überfordert und folge lieber der klaren Story. Als ich später den einen oder anderen Abstecher wage, empfinde ich die zahlreichen optionalen Rätsel-Abschnitte als nette Abwechslung. Leider funktionieren die Rätsel-Typen alle nach einem ähnlichen Prinzip, das wenig mit Jump’n’Runs zu tun hat. Deswegen verliere ich schnell das Interesse und bleibe weiterhin bei der Story, die mehr Abwechslung bietet.
Auf einem Friedhof muss ich beispielsweise die Blumen eines Grabes richtig färben, um einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Dafür muss ich mich erst ins Mausoleum mit der Geister-Jury begeben und Wachen in einer kleinen Schleich-Passage umgehen.
An anderer Stelle fühle ich mich wie Tony Hawk, wenn ich auf einer Halfpipe mithilfe eines Strohballens Kunststücke vollführe. Ist mir das Minispiel zu schwer, schummle ich einfach in der Halbzeit-Pause und verändere mithilfe des FLIP-Effektes meine Punktzahl.
Weniger gut gefallen mir die Laufwege während der Hauptgeschichte. Wenn ich der Story pausenlos folge, muss ich oft hin und her laufen. Da hilft es nicht, dass der eingebaute Kompass mehr verwirrt als hilft. Am oberen Bildschirmrand sehe ich mein Ziel, jedoch nicht den Weg dahin. Weil Riverside einige Abzweigungen hat, kann ich dem Ziel nicht gerade folgen. Stattdessen muss ich immer wieder zur Karte greifen, um sicherzustellen, dass ich nicht vom Weg abkomme. Das stört den Spielfluss.
Kaum der Rede wert sind die wenigen Bosskämpfe. Die Gegner greifen stets mit dem gleichen Muster an. Die Kämpfe sind so simpel, dass sie sich wie ein Punkt auf der Check-Liste anfühlen. Mit den spektakulären Kämpfen aus «Astro Bot» sind sie nicht zu vergleichen.
«Ruffy and the Riverside» erscheint am 26. Juni 2025 für PC, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S und Nintendo Switch. Die PC-Version für Steam wurde mir von Phiphen Games zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Weil 3D-Plattformer aus den 1990er- und 2000er-Jahren zu meinen liebsten Spielen gehören, möchte ich «Ruffy and the Riverside» lieben. Aber das Spiel bietet schlicht zu wenig Tiefgang, damit ich die Welt entdecken möchte. Das ist schade, denn genügend Sammelkram dafür ist vorhanden. Im Fokus steht stattdessen die FLIP-Fähigkeit der Spielfigur Ruffy, mit der ich Texturen austausche. Ich verbringe mehr Zeit mit Rätseln und dem Lesen der Story als dem Meistern herausfordernder Sprung-Passagen.
«Ruffy and the Riverside» punktet dafür mit seinem charmanten Design aus handgezeichneten 2D-Charakteren und einer farbenfrohen Welt. Die Geschichte bringt auch einige abwechslungsreiche Herausforderungen mit sich.
Als 3D-Plattformer-Futter für zwischendurch eignet sich «Ruffy and the Riverside» allemal – vor allem mit der richtigen Erwartungshaltung. Es scheint aber, als hätten sich die Entwickler zu stark an Nintendo orientiert. Dadurch fehlt «Ruffy and the Riverside» das Herz, welches das charmante Design verdient hätte.
Pro
Contra
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.