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Schon die Neandertaler haben geknutscht – und zwar wohl auch mit uns

Anna Sandner
25.11.2025

Warum küssen wir, obwohl es riskant ist? Ein Blick in 21 Millionen Jahre Kuss-Evolution zeigt: Die intime Geste ist uralt. Schon unsere Menschenaffen-Vorfahren und auch Neandertaler haben geknutscht – und zwar nicht nur unter sich.

Küssen ist wohl eine der schönsten Nebensächlichkeiten der Welt. Aber ist es wirklich nur eine nette Geste? Eine neue Studie der Oxford University weist darauf hin: Das Küssen ist verdammt alt – es entstand vor etwa 16,9 bis 21,5 Millionen Jahren. Damals entwickelte sich diese Verhaltensweise beim gemeinsamen Vorfahren aller großen Menschenaffen. Und weil das Küssen über Millionen Jahre erhalten blieb, knutschten mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Neandertaler – möglicherweise sogar mit uns modernen Menschen, als sich unsere Wege vor etwa 50 000 bis 40 000 Jahren kreuzten.

Ein Kuss ist nicht gleich ein Kuss

Die Forschenden um Evolutionsbiologin Matilda Brindle haben eine ziemlich präzise Definition entwickelt:

Ein Kuss ist ein nicht-aggressiver, gezielter Mund-zu-Mund-Kontakt innerhalb der gleichen Art, bei dem sich die Lippen bewegen und kein Essen weitergegeben wird.

Das schließt zum Beispiel Orang-Utan-Mütter aus, die ihren Babys vorgekautes Futter in den Mund schieben (Prämastikation) – das ist kein Kuss. Mit dieser Definition haben die Forschenden die Primaten unter die Lupe genommen. Bei den meisten Menschenaffen wurde Küssen beobachtet – bei Schimpansen, Bonobos, Orang-Utans und natürlich bei uns Menschen.

21 Millionen Jahre Kussgeschichte

Mit phylogenetischen Methoden – also Rekonstruktionsverfahren, die den Stammbaum der Primaten mit dem Kussverhalten heute lebender Arten verknüpfen – schätzten die Forschenden ein, wie wahrscheinlich es ist, dass bereits gemeinsame Vorfahren geküsst haben. Dafür nutzten sie ein sogenanntes Bayes’sches phylogenetisches Modell, das in insgesamt zehn Millionen Simulationsläufen unterschiedliche Evolutionsszenarien durchspielte.

Das Ergebnis: Küssen entwickelte sich vor etwa 21,5 bis 16,9 Millionen Jahren beim gemeinsamen Vorfahren der großen Menschenaffen – also lange bevor es Neandertaler oder moderne Menschen überhaupt gab. Weil das Küssen demnach bereits bei diesem Vorfahren vorhanden war, liegt es nahe, dass das Verhalten an alle nachfolgenden Linien weitergegeben wurde – auch an jene, aus denen später Neandertaler und moderne Menschen hervorgingen.

Dies ist das erste Mal, dass jemand das Küssen aus einer breiten evolutionären Perspektive untersucht hat.
Studienautorin Dr. Matilda Brindle

«Unsere Ergebnisse ergänzen eine wachsende Zahl von Arbeiten, die die bemerkenswerte Vielfalt des Sexualverhaltens unserer Primatenverwandten hervorheben.», erklärt Studienautorin Dr. Matilda Brindle.

Haben Neandertaler auch geknutscht?

Eine frühere Studie zeigte, dass moderne Menschen und Neandertaler orale Mikroben (genauer: Methanobrevibacter oralis) teilten. Als die Forschenden das Erbgut der M. oralis-Stämme aus Neandertaler-Zahnstein mit dem moderner Menschen verglichen, konnten sie zurückrechnen, wann beide Mikroben-Linien zuletzt einen gemeinsamen Vorfahren hatten: vor etwa 112 000 bis 143 000 Jahren – also lange nach der Aufspaltung von Neandertalern und Homo sapiens.

Damit ein und derselbe Mundbewohner in zwei bereits getrennten Menschenarten so eng verwandt ist, muss er auch nach der Aufspaltung der beiden Arten immer wieder von der einen zur anderen gewechselt sein – mit Speichel und anderen Mundflüssigkeiten. Wie genau, bleibt offen: durch gemeinsames Essen, Prämastikation – oder eben durchs Küssen.

Daran knüpft die Oxford-Studie an: Mit einem statistischen Modell schätzt das Team, dass Neandertaler mit einer Wahrscheinlichkeit von 84,3 Prozent geküsst haben. Zusammen mit den Mikrobiom-Daten und der Tatsache, dass sich Menschen und Neandertaler vor etwa 50 000 bis 40 000 Jahren gepaart haben, liegt der Schluss nahe:

Ja, Menschen und Neandertaler haben sich vermutlich auch geküsst.

Aber warum küssen wir überhaupt?

Aus evolutionärer Sicht ist Küssen ein Rätsel: Es hat keinen offensichtlichen Überlebensvorteil, birgt aber das Risiko, Krankheiten zu übertragen. Mehrere Hypothesen erklären, warum sich das Küssen durchsetzte. Beim Küssen sammeln wir über den Geruch und Geschmack unbewusst Informationen über die Gesundheit und genetische Kompatibilität des anderen. Quasi ein Chemie-Check in Echtzeit. Küssen dient auch der sozialen Bindung und erfordert Vertrauen. Bei Schimpansen wird es zur Versöhnung nach Konflikten eingesetzt.

Eines ist klar: Küssen ist keine moderne Erfindung, sondern ein uraltes Verhalten mit tiefen evolutionären Wurzeln. Vielleicht hat es gerade deshalb Millionen Jahre überdauert – weil es Oxytocin freisetzt, Vertrauen fördert und Bindungen stärkt, die für unsere Vorfahren ebenso bedeutsam waren wie für uns heute.

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.


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