The Mandalorian, Episode 2, im Review: Ich nehm alles zurück und behaupte das Gegenteil
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The Mandalorian, Episode 2, im Review: Ich nehm alles zurück und behaupte das Gegenteil

Der Mandalorianer muss sein Raumschiff reparieren. Der Plot leidet darunter. Aber die Folge ist unendlich viel besser als die erste. Ein zweiter Blick auf «Star Wars: The Mandalorian» lohnt sich.

Die zweite Folge der «Star Wars»-Serie «The Mandalorian» ist am Wochenende über die Bildschirme der Disney+-Zuschauer geflimmert. Und sie zeigt eines: Die Serie ist doch ziemlich dammi guet.

Das hat vor allem einen Grund: Das visuelle Storytelling.

Plot fehlt, Emotionen sind da

Die zweite Folge mit dem Titel «Chapter 2: The Child» nimmt sich Zeit. Sie ist zwar nur 31 Minuten lang, wirkt in dieser Zeit aber gut. Denn das visuelle Storytelling bringt seine eigenen Hindernisse mit sich, die Regisseur Rick Famuyiwa elegant umschifft. Vor allem darin, dass er wichtigen Momenten den Platz lässt, den sie brauchen. Das beste Beispiel hierfür ist die Rüstung des Mandalorianers.

In der Serie wird die Rüstung des Mandalorianers wiederholt thematisiert. In der ersten Folge fragt der Streitsüchtige in der Bar, ob die Rüstung aus echtem Beskar-Stahl besteht. Star-Wars-Fans wissen, dass die Rüstung eines Mandalorianers ein Heiligtum ist. Sie wird von Generation zu Generation weitergegeben, da sie den Geist der gewonnenen Schlachten in sich trägt. So die Legende der Mandalorianer, die bekanntermassen grössten Kämpfer in der Galaxis, die es jederzeit mit einem ausgewachsenen Rancor aufnehmen würden. Wenn dir also ein Mandalorianer auf den Fersen ist, dann gibst du besser auf. Ansonsten ist das Letzte, was du sehen wirst, das Visier eines mandalorianischen Helms.

Rick Famuyiwa doppelt da nach. Zu Beginn der zweiten Folge ist eine Szene, in der unser Titelheld seine Rüstung repariert. Er ist zwar selbst verwundet, blutet, aber flickt seinen Arm nur notdürftig zusammen. Seine Rüstung behandelt er mit grösster Vorsicht und Sorge. Die Szene dauert lange, hat keinen Soundtrack. Bemerkenswert, da eine Szene vorher und eine nachher im Hintergrund eine Star-Wars-typische Melodie düdelt.

Die Rüstung ist visuell als wichtig etabliert worden. Auch ohne dass der Mandalorianer seine Rüstung hat kommentieren müssen. Wenn also das Riesennashorn – ein Mudhorn, übrigens – den Mandalorianer erwischt, durch die Luft wirbelt und seine Rüstung zerfleddert, als sei sie ein Stück Stoff, ist klar: Der Mandalorianer hat ein grosses Problem.

Wir als Zuschauer wissen: Der Mandalorianer ist verletzt. Die gebrochene Rippe ist ihm egal. Die Rüstung nicht. Würde unser Kopfgeldjäger beide Szenen kommentieren, dann wäre die emotionale Wirkung der Szenen nicht ansatzweise so gross.

Die Kehrseite der visuellen Medaille

Visuelles Storytelling braucht Zeit und Platz. Denn wenn eine Figur in einem Film dem Publikum gerade verrät, was da vor sich geht, dann geht das schneller. Meist aber wird dadurch die Stimmigkeit des Films kaputt gemacht. Angenommen, der Mandalorianer hätte kommentiert. Zu wem hätte er gesprochen? Seinem Kameraden? Da dieser noch nicht in der Lage ist, zu sprechen, wäre das sinnlos.

Diese Art des Storytellings bringt aber einen Nachteil mit sich, den ich gerne in Kauf nehme: Der Plot bleibt praktisch stehen. Hätten Autor Jon Favreau und Rick Famuyiwa den Mandalorianer alle seine Gefühle und Situationen kommentieren lassen, dann wäre der Raumflieger des Kopfgeldjägers wohl etwa 20 Minuten früher gestartet.

Rick Famuyiwa beweist, dass das auch so geht. In einer Art, die vielen nur halb gefallen wird. Ich bin davon überzeugt, dass jeder begreift, was in der Folge vor sich geht, wie sich der Mandalorianer fühlt und was ihm wichtig ist.

Der angenehme Nebeneffekt dieser Erzählweise ist, dass sie dich zwingt, die Serie zu schauen. Du kannst sie nicht irgendwo im Hintergrund laufen lassen und so eine Mischung aus TV-Serie und Audiobook zu konsumieren. Du musst dir eine halbe Stunde Zeit nehmen, dich hinsetzen, und dem Mandalorianer zuschauen, wie er versucht, sein Raumschiff wieder in flugfähigen Zustand zu versetzen.

Darunter leidet aber die Serie als Ganzes. Während der zweiten Folge geschieht nur sehr wenig, das für den Plot der ersten Staffel relevant ist. Das kann sogar in einem Satz zusammengefasst werden: Wir lernen, dass da noch andere Kopfgeldjäger auf die Begleitung des Mandalorianers angesetzt wurden.

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    The Mandalorian im Review: Schlechter wird Screenwriting nicht

    von Dominik Bärlocher

Aber hätte ich mehr von der zweiten Folge erhofft? Nein. Denn die zweite Folge ist unendlich viel besser als die erste, charakterisiert den Mandalorianer besser und erzählt eine dichtere Story.

Gute Arbeit, Disney. Grossartige Arbeit, Rick Famuyiwa.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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