Trap Streets – die absichtlichen Fehler auf Google Maps und Co.
Hintergrund

Trap Streets – die absichtlichen Fehler auf Google Maps und Co.

Karten sollen bei der Orientierung helfen, nicht verwirren. Trotzdem gibt es darauf immer wieder Strassen und sogar ganze Orte, die du auf der Erdoberfläche nie finden wirst. Das ist kein Versehen.

Letzthin habe ich in den Ferien ein Auto gemietet. Auf ein klassisches Navigationsgerät habe ich verzichtet. Einerseits, weil mich die Extrakosten (die den Kohl nicht fett gemacht hätten) nervten. Andererseits, weil ich etwas arrogant dachte, dass ich kein hell leuchtendes Teil über dem Armaturenbrett bräuchte, das mich schon von Weitem als Tourist enttarnt. Google Maps auf dem Handy tut’s auch.

Eine Sackgasse, die nur virtuell existiert

Das hat tatsächlich relativ okay funktioniert. Ein paar Verfahrer hier und da und eine etwas mühsame Platzierung des Smartphones im Auto, aber ans Ziel bin ich stets gekommen. Bei kurzen Strecken habe ich versucht, mir den Weg vorher einzuprägen: Nach der BP-Tankstelle kommen drei Strassen, die links abgehen, ich nehme die vierte. Ganz einfach, eigentlich.

Nur, die eine kleine Sackgasse, die auf Google Maps eingezeichnet war, gab es im realen Strassennetz nicht. Da ich meine Destination trotzdem erreichte, habe ich dem Fehler keine grosse Beachtung geschenkt. Bis ich im Internet über den Namen Trap Street stolperte.

Trap Street ist kein neuer Song aus dem gleichnamigen Hip-Hop-Subgenre, sondern die Bezeichnung für falsche Strassen in grafischen Landkarten oder digitalen Geodaten. Wie bitte? Sollten uns Karten nicht eher orientieren statt desorientieren? Doch, darum sind die Fallenstrassen eigentlich immer Sackgassen oder abgelegene Gehwege.

Sie sollen nicht uns Konsumenten zu Fall bringen, sondern die Diebe des geistigen Eigentums. Denn Karten sind urheberrechtlich geschützt und das Urheberrecht kommt den Kartografen zu. Da Karten und Geodaten im Idealfall immer identisch sind, ist es schwer, ein Plagiat der eigenen Kartografie-Arbeit nachzuweisen. Es sei denn, man fügt bewusst kleine Fehler ein, die keinem Nutzer schaden, die Karte aber einzigartig macht. Werden die Karte oder die digitalen Geodaten illegal kopiert, werden auch die Trap Streets übertragen. Der Täter ist überführt!

Agloe, ein fiktiver Ort im US-Bundesstaat New York. Bild: Omnictionary
Agloe, ein fiktiver Ort im US-Bundesstaat New York. Bild: Omnictionary

Ein erfundener Ort wird zwischenzeitlich real

Es gibt aber auch ein Beispiel, bei dem das nicht ganz funktioniert hat. Hierbei handelt es sich nicht um eine erfundene Strasse, sondern gleich um einen ganzen Ort, einer sogenannten Paper Town. 1925 machten sich Kartograf Otto G. Lindberg und sein Assistent Ernest Alpers daran, eine Strassenkarte des Staates New York anzulegen. Um ihr Urheberrecht zu schützen, trugen sie an der Kreuzung zweier Feldwege Agloe ein – ein Anagramm der Anfangsbuchstaben ihrer Namen. Als ein paar Jahre später die Firma Rand McNally ebenfalls eine Karte von New York herausbrachte und sich der Ort Agloe darauf befand, waren sich Lindberg und Alpers sicher, dass die Kartendaten von ihnen geklaut wurden.

Die Anwälte von Rand McNally aber versicherte ihnen, dass es den Ort wirklich gibt, was nicht gelogen war. In den 1930er-Jahren eröffnete ein irischer Auswanderer an dem Ort eine Fischerhütte namens «Agloe Fishing Lodge», vermutlich weil er den Namen auf der Karte von Lindberg und Alpers gesehen hatte. Denn diese lagen zu dieser Zeit gratis an vielen Tankstellen aus. Der Name etablierte sich über die nächsten Jahre. Es gab einen kleinen Laden und auch in einem Reisebericht der New York Times wurde der Name genannt. Unterdessen ist Agloe aber wieder verschwunden.

Ansonsten gibt es nur wenige Beispiele für Trap Streets und Paper Towns, da sich die Kartografen verständlicherweise bedeckt halten. 2005 bestätigte ein Sprecher der «Geographer’s A-Z Street Atlas Company» gegenüber der BBC lediglich, dass sich in ihrer London-Karte gut 100 fiktive Strassen befinden. Der griechische Strassenatlas von Athen ist eines der wenigen Beispiele, in dem Diebe explizit davor gewarnt werden, dass sich auf den Karten falsche Strassen befinden.

Das Schweizer Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) macht bei dem Fake übrigens nicht mit. Seine Karten beinhalten weder Trap Streets noch Paper Towns, sondern sind realitätsgetreu, wie mir Kommunikationsspezialistin Sandrine Klötzli versichert: «Unsere Daten waren immer korrekt und sind es auch heute noch.» Seit dem 1. März 2021 können die digitalen Geodaten von swisstopo sogar von allen kostenlos genutzt (auch kommerziell), weiterverteilt und wiederverarbeitet werden, nur eine Quellenangabe ist noch erforderlich.

Hier bin ich aufgewachsen. Sieht korrekt aus. Bild: swisstopo
Hier bin ich aufgewachsen. Sieht korrekt aus. Bild: swisstopo

Karten als militärisches Instrument

Kartenverfälschungen werden aber nicht nur als Plagiatsfalle angefertigt, sondern auch aus militärischen Gründen. Entweder, um Terroristen die Planung von Anschlägen zu erschweren, weshalb auf Google Maps bestimmte Regierungsgebäude oder militärische Anlagen verschleiert sind. Oder, um im Kriegsfall die Oberhand zu behalten. Besonders gut darin, Feinde auf die falsche Fährte zu locken, waren die Befehlshaber der ehemaligen Sowjetunion. Im Zweiten Weltkrieg spielten sie dem deutschen Militär absichtlich gefälschte Karten zu, die in eine menschenleere Sumpflandschaft führten. In der DDR wurden mit der Methode auch die eigenen Bürger kontrolliert. Wer mit einer öffentlichen Karte in den Westen fliehen wollte, hatte geringe Erfolgschancen, da die Grenzen falsch eingezeichnet waren.

Auch die Daten des von mir geschmähten Einbau-Navis sind vor Manipulation nicht sicher. Das «Global Positioning System» (GPS) wird vom US-Verteidigungsministerium betrieben und war ursprünglich dem militärischen Einsatz vorbehalten. Seit 1983 kann aber jeder die Satellitensignale empfangen. Die Angst vor Missbrauch war gross, weshalb die Signale für die Allgemeinheit künstlich verschlechtert wurden («Selective Availability») und eine Positionsbestimmung nur auf 100 Meter genau möglich war. Im Jahr 2000 kippte US-Präsident Bill Clinton dann die «Selective Availability», sie könnte aber jederzeit wieder von der US-Regierung aktiviert werden. Aus diesem Grund hat die EU ihr eigenes und das erste zivile Satellitennavigationssystem namens «Galileo» entwickelt. Noch aber benutzen die meisten Navigationsgeräte GPS-Daten – ausschliesslich oder in Kombination mit anderen Systemen.

Trotz der geringen Gefahr, dass ich mich meinem Ziel auf einmal nur noch auf 100 Meter nähern kann, werde ich in den nächsten Ferien auf ein Einbau-Navi zurückgreifen. Das fällt weder in den Schlafmodus noch ist es auf mobile Daten angewiesen. Ausserdem sehe ich auch effektiv dessen Bildschirm im Gegensatz zu dem des Handys, das irgendwo in der Mittelkonsole liegt.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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