Bellos Pfötli an deinem Herz: So verewigst du dein Haustier
Hintergrund

Bellos Pfötli an deinem Herz: So verewigst du dein Haustier

Dein geliebtes Haustier gehen zu lassen, kann dein Leben ins Wanken bringen. Das Atelier Miah gibt Halt – buchstäblich. Mit seinem Gedenkschmuck kannst du deinen Liebling ein Leben lang festhalten.

Als ob dir das Herz aus der Brust gerissen wird. So fühlt sich der Tod eines Haustieres für viele Tierfreundinnen und -freunde an. Kürzlich hat mein Redaktionskollege Patrick Vogt das Unaussprechliche in Worte gefasst:

  • Hintergrund

    «De Bubi isch jetzt bi de Stärnli…»

    von Patrick Vogt

Zurück bleibt Leere. Und die grosse Frage, wie es weitergehen soll. Sollst du das Tier im Garten bestatten? Die Asche im Meer verstreuen? Oder sie in einer Urne aufbewahren?

Mirjam Glättli (33) und Rahel Kappes (32) vom Winterthurer Atelier Miah haben eine eigene Antwort gefunden. Die beiden Frauen haben eine Möglichkeit geschaffen, die verstorbenen Lieblinge ganz nah am Herzen zu tragen. Und so die Wunde heilen zu lassen.

Wie «Miah» zur Welt kam und vollendet wurde

Es ist ein strahlender Spätsommernachmittag, als ich im Atelier der ehemaligen Marketingmanagerin und Zahntechnikerin eintreffe. Irgendwie paradox, dass wir heute über ein so düsteres Thema wie den Tod sprechen. Doch Mirjam meint: «Auch das Sterben gehört zum Leben. Es ist ein ewiger Kreislauf.»

Der Kreislauf des Ateliers Miah begann 2017. Da starteten die beiden Kindheitsfreundinnen Mirjam und Rahel ihr eigenes Business mit Muttermilchschmuck. Es gedieh prächtig, denn in der Schweiz gab es nichts Vergleichbares. Den provisorischen Arbeitsplatz auf dem heimischen Balkon und in der Stube konnten sie bald in ein eigenes Atelier mit Mitarbeitenden verlegen.

Dort kam es eines Tages zu einer wegweisenden Begegnung. «Eine Kundin fragte uns, ob wir auch Erinnerungsschmuck aus menschlicher Asche herstellen könnten. Also starteten wir einen Versuch», erzählt Mirjam. Nach monatelangem Tüfteln an einem geeigneten Verfahren war es so weit: Eine weitere Geschäftsidee war geboren. Der Kreislauf vom Geburts- bis zum Gedenkschmuck schloss sich.

Rahel Kappes (links) und Mirjam Glättli kennen sich seit Kindstagen. «Miah» ist ihr gemeinsames «Baby».
Rahel Kappes (links) und Mirjam Glättli kennen sich seit Kindstagen. «Miah» ist ihr gemeinsames «Baby».
Quelle: Darina Schweizer

Von der Hühnerfeder bis zum Pferdehaar

Mittlerweile kreieren Mirjam und Rahel auch Schmuck aus Tierasche, Tierhaaren, Tierzähnen sowie gravierten Pfotenabdrücken. «Meist erhalten wir Material von Pferden oder Hunden. Wir arbeiteten aber auch schon mit Schafwolle und Hühnerfedern», erzählt Rahel auf einem Rundgang durchs Atelier. Am Pult ihrer Backoffice-Mitarbeiterin bleibt sie stehen. Hier treffen die Reliquien aus der Schweiz und Deutschland per Briefpost ein. Zugeschickt werden sie in einem speziellen Set aus Behältern, das nach der Schmuckbestellung an den Kunden oder die Kundin versendet wird.

Es gibt aber auch Personen, welche die Asche oder das Haar persönlich übergeben möchten. So wie der Kunde, der das Atelier Miah an diesem Morgen besuchte. Als er einen lieblichen Mädchennamen erwähnte, dachte Mirjam zuerst, er spreche von seiner verstorbenen Tochter. Später erfuhr sie, dass er seine 14-jährige Hündin verloren hatte. «Der Mann meinte mit Tränen in den Augen, er wolle seinen Hund auf der letzten Reise in gute Hände übergeben. Das berührte mich sehr.»

Der Mann meinte mit Tränen in den Augen, er wolle seinen Hund auf der letzten Reise in gute Hände übergeben. Das berührte mich sehr.
Mirjam Glättli, Inhaberin und Geschäftsführerin

Ein Gedenkstein entsteht

Die Asche seiner Hündin liegt nun im Atelier bereit. Rahel verrät: «Mehr als einen Teelöffel davon brauchen wir nicht.» Mit einem Verfahren aus der Zahntechnik wird die Asche ausgehärtet und in die Form eines Edelsteins gebracht. Rahel zeigt auf ein silbernes Gerät. Es erinnert mich an einen Zahnarztbesuch, bei dem mir Drähte eingesetzt wurden. «Ist das etwas Ähnliches?», frage ich. «Nicht ganz», meint Mirjam und fügt zwinkernd an: «Wie wir genau arbeiten, bleibt ein Geheimnis.»

Für einen Aschediamanten wird mehr Asche (rund 2,5 Kilogramm statt 5 Gramm) und Geld (ab circa 4000 statt 500 Franken) benötigt als für einen Gedenkstein. Ausserdem wird er bei der Herstellung stark erhitzt. Die Asche in einem Gedenkstein hingegen behält ihre natürliche Beschaffenheit.

Ein anderes Geheimnis wird hingegen gelüftet: wie sie ihren Ascheschmuck veredeln. Auf dem Arbeitstisch nebenan demonstriert Rahel, wie sie einzelne feine Blattgold-Plättchen auf dem Gedenkstein platzieren. So verpassen sie ihm eine Art Marmorierung.

Mit Goldplättchen veredeln Mirjam und Rahel ihren Gedenkschmuck.
Mit Goldplättchen veredeln Mirjam und Rahel ihren Gedenkschmuck.
Quelle: Atelier Miah

Der digitalisierte Pfotenabdruck

Als nächstes schauen wir uns an, wie die Gravuren entstehen. Abgenommen wird der Pfotenabdruck mit einem speziellen Stempelkissen, das Mirjam und Rahel per Post versenden. «Das Spezielle ist, dass damit zu Hause ohne Farbrückstände ein Pfotenabdruck gemacht werden kann. Diesen fotografiert man danach mit dem Smartphone und lädt ihn bei der Online-Bestellung für die gewünschte Gravur hoch», erklärt Mirjam.

Das Stempelkissen hinterlässt keine Rückstände auf der Hundepfote.
Das Stempelkissen hinterlässt keine Rückstände auf der Hundepfote.
Quelle: Atelier Miah

Wir nähern uns einem Bildschirm, auf dem ein grosser Hundepfotenabdruck prangt. Rahel zeigt, wie die Pfote mit einem Bearbeitungsprogramm vergrössert und platziert wird, bis sie auf das Gravurplättchen passt. Danach wird sie maschinell mit einer Diamantspitze auf den Anhänger graviert.

Die eingescannte Pfote wird bearbeitet und mit einer Maschine auf den Anhänger graviert.
Die eingescannte Pfote wird bearbeitet und mit einer Maschine auf den Anhänger graviert.
Quelle: Darina Schweizer

Die Trauer bekommt einen Platz

Eine Frage brennt mir unter den Nägeln. «Kann es nicht auch schmerzhaft sein, wenn man durch den Gedenkschmuck immer an einen Verlust erinnert wird?», frage ich Rahel. Sie nickt und meint: «Gedenkschmuck ist nicht für jede und jeden. Aber vielen Leuten hilft er bei der Trauerbewältigung.» Mirjam nickt. Sie erklärt, weshalb das aktuell besonders wichtig ist: «In unserer schnelllebigen Zeit bleibt oft kein Platz für Trauer. Mit unserem Schmuck können wir ihr Raum schenken. Unsere Kundinnen und Kunden haben ihre Liebsten immer unauffällig bei sich und entscheiden selbst, ob und wann sie darüber sprechen wollen.»

Es ist so weit: Der Gedenkstein des Kunden ist ausgehärtet. Rahel bringt ihn zum Arbeitstisch ihrer Goldschmiedin Anja Bänninger. Die junge Frau betrachtet den Stein unter einer Lupe, fräst die Kanten ab und poliert ihn sorgfältig. Zuletzt setzt sie den Gedenkstein behutsam in eine eigens angefertigte Fassung. Die Asche funkelt im Sonnenlicht, das durchs Fenster fällt. Mirjam und Rahel strahlen. Das Werk ist vollendet.

Anja Bänninger bearbeitet die Fassung, in die der Gedenkstein gesetzt wird.
Anja Bänninger bearbeitet die Fassung, in die der Gedenkstein gesetzt wird.
Quelle: Darina Schweizer

Eine Erinnerung zum Festhalten

Erst ein paar Wochen ist es her, da musste der Kunde seinen 14-jährigen Hund loslassen. Wenn er seinen Gedenkschmuck in ein paar Tagen abholt, wird er ihn wieder festhalten können. Er wird über seinen Anhänger streicheln können, wenn er ihn vermisst. Er wird seinen treuen Begleiter mitnehmen können, wohin er auch geht. Ganz nah an seinem Herzen. Und vielleicht wird es so eines Tages wieder ganz.

Wie gedenkst du deinem verstorbenen Haustier? Verrate es mir in einem Kommentar.

Titelfoto: Atelier Miah

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Ich mag alles, was vier Beine und Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.


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