«Falcon and the Winter Soldier», Episode 4: «Die gesamte Welt sieht zu»
Hintergrund

«Falcon and the Winter Soldier», Episode 4: «Die gesamte Welt sieht zu»

Luca Fontana
9.4.2021

Eine Woche nach Baron Zemos epischen Dancemoves in Madripoor kommt der nächste Hammer: Das Ende dessen, wie die Welt Captain America einst gesehen hat – und nie mehr sehen wird.

Eines vorweg: Das ist eine Folgenanalyse. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die vierte Episode von «Falcon and the Winter Soldier» an, bevor du weiterliest.


«Was DC kann, können wir schon lange», hat sich wohl jemand bei Marvel gedacht und vergangene Nacht den «Zemo Cut» veröffentlicht. Baron Helmut Zemo, der Mann, der beinahe die Avengers zerstört hätte, zerstört die Tanzflächen Madripoors. Eine Stunde lang. Mit verruchten Moves, bei denen dir die Spucke wegbleibt.

«Now this is an Avengers level threat.»

Wir erinnern uns: Sam und Bucky, der Falcon und der Winter Soldier, haben sich mit dem eigentlich bösen Baron Zemo zusammengetan, um in Madripoor den Flag Smashern, eine Terrororganisation, die sich als moderne Robin Hoods sieht, auf die Spur zu kommen.

  • Hintergrund

    «Falcon and the Winter Soldier», Episode 3: «Power Broker»

    von Luca Fontana

Während Flag-Smasher-Anführerin Karli Morgenthau in Litauen für Angst und Schrecken sorgt, suchen Sam, Bucky und Zemo in Lettland nach einer heissen Spur: der verstorbenen Donya Madani. Den Dreien auf den Fersen ist aber Ayo, die wohl im Namen Wakandas eine offene Rechnung mit Baron Zemo zu begleichen hat.

Die Radikalisierung der Welt

Wakanda. Sechs Jahre zuvor. Der Winter Soldier ist da, und Ayo bei ihm. Ein letzter Test: Die Codewörter, die jedem, der sie aufsagt, Kontrolle über ihn geben. Nur, dass der Winter Soldier dieses Mal nicht mehr reagiert.

«Du bist frei», sagt Ayo, die Zweithöchste in der Befehlskette der Elite-Kriegerinnen der Dora Milaje. Nicht zum Winter Soldier. Zu Bucky.

Endgültig.

Zuvor war es zwar Steve Rogers, dem es in «Captain America: The Winter Soldier» durch die Erwähnung vieler gemeinsamer Erinnerungen gelang, langsam aber sicher in die Psyche des Winter Soldiers vorzudringen. Aber Baron Zemo bewies in «Captain America: Civil War», dass der Winter Soldier noch nicht vollends tot war.

In den Comics war es hingegen der Cosmic Cube, der Bucky seine Erinnerungen zurückgab. Der Cube – ein mächtiges Artefakt, dem Kräfte auf demselben Level eines Infinity-Steins nachgesagt werden. Daher wohl die Inspiration für den Tesseract im MCU.

Zerstört wird der Cube dann auch gleich von Bucky selbst. Der ist noch ganz verstört, als er all die Gräuel realisiert, die er im Namen Hydras begangen hat. Später ist es Tony Stark, zu dem Zeitpunkt Chef von S.H.I.E.L.D., der das letzte bisschen Programmierung aus Buckys Gehirn löscht.

Captain America nutzt den Cosmic Cube, um Buckys Erinnerungen wiederherzustellen.
Captain America nutzt den Cosmic Cube, um Buckys Erinnerungen wiederherzustellen.
Quelle: Marvel Comics

Zurück zur Serie. Acht Stunden. Soviel Zeit kriegen Bucky und Sam von Ayo, um Karli mithilfe Zemos dingfest zu machen. Karli, die nach dem Anschlag auf das GRC-Zentrum rund elf Verletzte und drei Tote hinterlassen hat. Sie wird radikaler. Und Zemo wiederholt: Das Serum verdirbt alle, die es zu sich nehmen. Wie alles, das einem übermenschliche Macht verleiht. Red Skull, Ultron, jetzt Karli…

Zemo unterscheidet sich in dem Punkt, zumindest scheinbar, recht stark von seiner Comic-Vorlage. Dort hält er sich selbst sehr wohl für überlegen und will nichts Geringeres als die Weltherrschaft. Ein Gedankengut, das er von seinem Vater Heinrich Zemo, seines Zeichens auch Baron, geerbt hat, der im Zweiten Weltkrieg einst dem Red Skull gedient hatte.

Heinrich Zemo «forscht» im Dienste des Red Skulls.
Heinrich Zemo «forscht» im Dienste des Red Skulls.
Quelle: Marvel Comics

Donya Madani jedenfalls schien den Flag Smashern sehr wichtig zu sein. oder zumindest Karli Morgenthau. Die Chancen, dass sie eine Art Trauerfeier abhalten werden, stehen gut. Der Plan also: Zuschlagen, wenn Karli am verwundbarsten ist.

Die Zeit drängt.

Karlis radikale Aktionen zwingen das GRC zum Handeln: Der Patch Act soll kommen, der die endgültige Wiederherstellung sämtlicher ursprünglichen Grenzen der Nationen, wie es sie vor dem Blip gab, beschleunigt. Das wiederum würde die Flag Smashern mit dem Rücken zur Wand stellen. Sie geradezu herausfordern.

Gefährliche Sache. Schliesslich bekommen die Flag Smasher von Tag zu Tag mehr Aufmerksamkeit. Mehr Anhänger. Viele sind gar derselben Meinung wie Karli: Dass die GRC sich mehr um die Rückkehrer kümmert als um die, die nie gegangen sind. Schlimmer: Wer sich gegen das GRC wehrt, wird als Krimineller abgestempelt. Wer ständig als Krimineller abgestempelt wird, wird zum Kriminellen. Auf Gewalt folgt mehr Gewalt. Auf Radikalismus folgt mehr Radikalismus.

Ein Teufelskreis, der kein gutes Ende nehmen kann.

Karli Morgenthau erklärt ihre Sichtweise.
Karli Morgenthau erklärt ihre Sichtweise.
Quelle: Disney+

Auch Falcon stellt sich die Moralfrage: Vor dem Blip rückten nicht nur Nachbarn zusammen, sondern die ganze Welt. Man half sich. Egal welcher Abstammung und Herkunft. Grenzen verschwanden. Die Menschheit wurde zu einer Nation. Aber jetzt, da eine halbe Milliarde Menschen von einen Tag auf den anderen wieder da sind, sind viele der nie Verschwundenen plötzlich Vertriebene. Kein Wunder staut sich da viel Wut auf.

Der Zweck heiligt die Mittel.

Da sind wir wieder bei Macchiavelli, Baron Zemos literarisches Vorbild, so die dritte Episode. Sam gibt dem Credo zwar nicht Recht. Aber er sympathisiert mit Karli. Genauso wie viele Menschen, die der Meinung sind, dass sich moderne Helden auch mal die Hände schmutzig machen müssen. Und der Schild – Captain Americas Schild – wäre besser dran, wenn er zerstört würde. Schlussendlich ist er nichts weiter als ein Symbol einer längst vergangenen Realität, die nicht mehr zeitgemäss ist.

Noch etwas, worin sich Sam und Karli einig sind.

Sam Wilson diskutiert mit Bucky und Zemo.
Sam Wilson diskutiert mit Bucky und Zemo.
Quelle: Disney+

Es sind Szenen wie diese, die das Marvel Cinematic Universe so gut machen. So viel besser als das, was DC bis jetzt zu Stande gebracht hat. Das MCU existiert auch ausserhalb der grossen Katastrophen und kosmischen Gefahren. Dort, wo die Menschen sind, die keine Superkräfte haben. Menschen, die ihr eigenes, ganz normales Leben zu führen versuchen und trotzdem fremdgesteuert sind von Dingen, die zu erfassen sie womöglich gar nicht in der Lage sind.

Das macht Angst.

Ich meine: Rückführungs-Programme, Reintegration, Machtmissbrauch, Ignoranz, Rassismus und Radikalismus – ich mag es, wie «The Falcon and the Winter Soldier» immer wieder Raum für diese Konzepte findet, ganz beiläufig, ohne den Erzählfluss zu stören, aber trotzdem spürbar da. So fühlt sich das MCU real an.

Walkers Entwicklung schreibt sich von selbst

Nachdem Walker aka #NotMyCaptainAmerica eine Folge lang faktisch von der Couch aus zugeschaut hat, treten er und sein Buddy Lemar Hoskins endlich wieder auf den Plan. Nämlich kurz, bevor Sam, Bucky und Zemo bei Donyas Beerdigung aufkreuzen.

Alle wieder vereint
Alle wieder vereint
Quelle: Disney+

Während Walker die Beerdigung am liebsten gleich stürmen würde, plädiert Sam für ein klärendes Gespräch mit Karli. Als Ex-Therapeut für Kriegsveteranen sei das sowas wie sein Fachgebiet. Hoskins, offenbar viel vernünftiger als Walker, gibt ihm Recht. Walker stimmt widerwillig zu. Er gibt Sam zehn Minuten Zeit, Karli zur Vernunft zu bringen. Nur zehn Minuten.

Wieder der Verdacht: Kann Walker nicht mit Druck umgehen?

Sam hätten die zehn Minuten vermutlich gereicht. Karli hört ihm zu. Scheint offen für seine Argumente. Aber die Situation gerät ausser Kontrolle. Natürlich tut sie das. Dass Walker sich nicht an die Zehn-Minuten-Abmachung halten würde, war so vorhersehbar wie die End-Credit-Szene nach einem Marvel-Film. Schlechtes Story Writing Marvels könnte ich sagen. Andererseits aber auch konsequentes Character Writing Walkers.

Karli entkommt, wird bei der Flucht aber von Baron Zemo verwundet. Sie verliert die Ampullen mit dem Supersoldaten-Serum, die sie sich ein paar Szenen vorher aus dem Versteck geholt hat, um neue Supersoldaten zu erschaffen. Zemo hätte die Chance, sich zum Supersoldaten machen – und zerstört sie. Die Ampullen, genau gesagt. Eine nach der anderen. Bis Walker ihn KO schlägt, kurz bevor Zemo die letzte Ampulle zertreten konnte.

Walker nimmt sie sich.

Ja, was jetzt passiert, ist klar.
Ja, was jetzt passiert, ist klar.
Quelle: Disney+

Erinnerst du dich noch an Walkers Comic-Geschichte, die ich nach der zweiten Folge erzählt habe? Kurz gesagt: Walker versucht dort eigentlich nur, seinem älteren Bruder nachzueifern. Aber egal, was er für sein Land zu opfern bereit ist: Nie fühlt er sich seinem heldenhaften, mittlerweile verstorbenen Bruder ebenbürtig.

Dann ist es der Power Broker, der Walker via Supersoldaten-Serum dieselben Kräfte verleiht, die Steve Rogers hat. Von da an nennt sich Walker Super-Patriot. Tatsächlich hält er sich für den besseren Captain America als Steve Rogers, weil patriotischer, und übernimmt später gar dessen Titel, nachdem sich Steve und die US-Regierung zerstritten haben.

Super-Patriot bekämpft Captain America mit seinem ikonischen Flammenschwert.
Super-Patriot bekämpft Captain America mit seinem ikonischen Flammenschwert.
Quelle: Marvel Comics

Wie’s danach weitergeht?

Wie sich herausstellt, steckt hinter dem Disput zwischen der Regierung – in Form der «Commission on Superhuman Activities», nicht ganz unähnlich der GRC – der Red Skull höchstselbst. Steve besiegt ihn aber und bekommt seinen alten Titel wieder zurück. Indes wird Walkers Tod inszeniert, damit er unter dem neuen Pseudonym U.S. Agent im Auftrag der Commission wiederauferstehen kann.

Einer seiner ersten Aufträge im Dienste der Commission ist der Kampf gegen den Ironmonger. Später soll er sich den West Coast Avengers anschliessen, einer Splittergruppe der Avengers, die sich… nun ja, um die Westküste Amerikas kümmert. Sein Job: Die West Coast Avengers für die Commission im Auge behalten. Das Problem: Walker, stur, hitzköpfig und eingebildet, ist kein Teamplayer. Immer wieder zerstreitet er sich mit seinen Kameraden.

Die Ereignisse überschlagen sich derart, dass die West Coast Avengers aufgelöst werden und Walker seinen Titel als U.S. Agent verliert. Oder zumindest freiwillig aufgibt. Je nachdem, wer die Geschichte gerade erzählt.

John Walker aka U.S. Agent verlässt die Commission.
John Walker aka U.S. Agent verlässt die Commission.
Quelle: Marvel Comics

Von da an geht Walker seinen eigenen Weg. Als Söldner, oder Auftragnehmer der Zivilregierung nach Bedarf – auch das hängt von der Perspektive ab –, verdient er sein Geld. Ziemlich viel sogar. Und immer noch unter dem Pseudonym des U.S. Agent, einfach nicht mehr im Dienste der Commission.

Sein neues Leben aber gibt ihm endlich all die Freiheit, jene Risiken einzugehen und jene moralisch grenzwertigen Methoden anzuwenden, die er als Captain America oder Commission-U.S. Agent niemals hätte eingehen oder anwenden können. Selbst, wenn ihn das in immer wieder scheinbar ausweglosen Situationen führt, in denen er seinen inneren MacGyver rauskramen muss.

U.S. AGENT, Volume 1, Issue 1, November 2020
U.S. AGENT, Volume 1, Issue 1, November 2020
Quelle: Marvel Comics

John Walker at it’s finest.

Und am Ende schaut die ganze Welt zu

Zurück zur Serie. In Zemos Hauptquartier gehen die Streitigkeiten weiter. Walker und Hoskins tauchen auf, um Zemo zu holen. Die Dora Milaje gesellen sich dazu; die acht Stunden sind um. Es kommt zum Battle Royale: Walker gegen die Dora gegen Sam und Bucky. Zemo macht den Chapo und verschwindet im Trubel durch einen Geheimgang. Walker wird von den Dora Milaje nicht nur besiegt, sondern gedemütigt.

«Und das waren nicht mal Supersoldaten», stellt ein konsternierter Walker fest.

Niemand legt sich einfach so mit den Dora Milaje an. Nicht mal Captain America.
Niemand legt sich einfach so mit den Dora Milaje an. Nicht mal Captain America.
Quelle: Disney+

Karli, mittlerweile auch vom Power Broker wegen des gestohlenen Serums gejagt, verfolgt indes eine neue Strategie: Sam und Bucky müssen entzweit werden, damit sie Walker töten kann. So kann sie es anschliessend mit dem Power Broker aufnehmen; ein Zwei-Fronten-Krieg gewinnt nicht mal sie. Aber ihr Plan, Sam zu überzeugen, den Flag Smashern beizutreten, geht gründlich schief.

Walker und Hoskins tauchen auf. Schon wieder. Aber etwas ist anders. Walker ist anders. Stärker. Viel stärker. Als ob er das Supersoldaten-Serum genommen hätte. Spätestens, als er das Schild mit voller Wucht in eine Betonwand knallt, und es dort feststecken bleibt, ist die Situation klar.

Walker ist ein Supersoldat.

Sowas kann nur ein Supersoldat.
Sowas kann nur ein Supersoldat.
Quelle: Disney+

Okay, mein Tipp, dass es schlussendlich der Power Broker sein würde, der wie in den Comics Walker das Supersoldaten-Serum gibt, war falsch. Was bleibt, ist der Fakt, dass Walker schlussendlich doch das Serum kriegen und nun wahrlich zum neuen Captain America wird – einem viel radikaleren, aber.

Und dann kommt’s, wie’s kommen muss: Hoskins wird von Karli getötet. Das lässt Walker vollends durchdrehen. Auf offener Strasse richtet er einen Flag Smashers hin – mit Captain Americas Schild, dem Symbol aller Symbole, das eigentlich für Schutz und Sicherheit steht.

Aber Walker ist nicht Captain America. Nicht mehr. Walker ist ein radikaler Vertreter der Regierung. Ausgestattet mit der Macht der Götter.

Eine Fratze des Schreckens.
Eine Fratze des Schreckens.
Quelle: Disney+

Bahnfrei für U.S. Agent.


Wie hat euch die Folge gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs oder WTF-Momente, die mir entgangen sind? Schreib es in die Kommentare. Die nächste Folgenanalyse folgt am Freitag, 16. April.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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