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Hintergrund

Geschlechterforschung: Männlichkeit im Wandel

Viele Männer leiden unter einem traditionellen Rollenbild. Um das zu ändern, sollten sie sich mit ihrer Identität auseinandersetzen.

Manche männlichen Helden wirken heute wie aus der Zeit gefallen. Sean Connery etwa verkörperte den britischen Geheimagenten James Bond von 1962 bis 1971. Die damaligen Drehbücher strotzen vor frauenfeindlichen Klischees. «Lass die Männer reden», empfiehlt 007 in einem der Streifen seiner weiblichen Filmpartnerin und gibt ihr, nachdem sie ihn massiert hat, einen Klaps auf den Hintern.

Für Dörr zeigt der Wandel des Doppelnullagenten die Entwicklung des männlichen Idealbilds in den letzten Jahrzehnten. Zwar werde offener Sexismus nicht mehr toleriert, das Männerideal vom «kommunikationsunfähigen Durch- und Aushalter» bestehe aber weiter und sorge für Probleme – nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.

Wie sich männliche Geschlechterrollen auf die seelische Gesundheit auswirken, untersuchen Psychologinnen und Psychologen seit den 1980er Jahren. Bis dahin galt Männlichkeit vor allem als natürliche Eigenschaft. Vermeintliche Abweichungen wurden darum oft pathologisiert, Homosexualität etwa galt bis 1973 im US-amerikanischen Handbuch der psychiatrischen Störungen (DSM) als Krankheit.

Mutig, mächtig, männlich?

Im Zentrum der «neuen Psychologie des Mannes» stehen Geschlechternormen. Das sind ungeschriebene Regeln, wie sich Männer oder Frauen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einem Geschlecht in einer Gesellschaft zu verhalten haben. «Menschen orientieren sich bei ihrem Verhalten an sozialen Normen», sagt der Psychologe Matt Englar-Carlson, Professor an der California State University in Fullerton.

Befragte sollen angeben, wie sehr sie persönlich verschiedenen Aussagen wie «Ich spreche nie über meine Gefühle» oder «Frauen sollen mir gehorchen» zustimmen oder diese ablehnen. Das gibt Aufschluss darüber, inwiefern sich derjenige an traditionellen Rollenbildern orientiert (siehe «Wann ist ein Mann ein Mann?»).

«Für die Auseinandersetzung mit der eigenen Männlichkeit ist es nie zu spät» (Matt Englar-Carlson, California State University)

Arbeiten wie die von Wong und seinen Kollegen erheben zunächst einmal rein statistische Zusammenhänge. Daraus lässt sich nicht ableiten, was Ursache und was Wirkung ist. Dazu bräuchte es etwa Längsschnittstudien, die untersuchen, ob starre Männlichkeitsnormen mit der Zeit tatsächlich die psychische Gesundheit beeinträchtigen oder ob umgekehrt mentale Probleme zu rigiden Rollenbildern beitragen.

Zwar scheint es eigentlich erstrebenswert, Probleme selbst lösen zu können. Laut den Forschern beharren einige Männer jedoch derart starr darauf, dass sie fremde Hilfe mit einer persönlichen Niederlage gleichsetzen. Die subjektiv empfundene Erniedrigung könne depressive Tendenzen verstärken.

Stark sein um jeden Preis

Die australische Soziologin Raewyn Connell prägte hierfür den Begriff «hegemoniale Männlichkeit». Ihrer Theorie zufolge ist eine zentrale Norm die Abwertung alternativer Geschlechterrollen (siehe «Wann ist ein Mann ein Mann?»). Dadurch werde die Vormachtstellung des Mannes selbst ohne offene Gewalt gefestigt.

Englar-Carlson plädiert dafür, dass sich Männer mit ihrem Rollenbild auseinandersetzen. «Nur so können sich neue Männlichkeitsnormen entwickeln», sagt der Psychologe. Eine Möglichkeit bieten Seminare, die sich explizit mit Maskulinität beschäftigen.

«Man muss die eigenen Emotionen ersticken, wenn man stark wirken will. Der damit einhergehende soziale Nutzen hat aber eine Kehrseite» (Matt Englar-Carlson, California State University)

Moritz, der in seinem Workshop eben noch über die Filmhelden seiner Jugend nachdachte, reflektiert nun, mit welchen Männlichkeitsnormen er aufgewachsen ist. Etwa im Fussballverein, in der Schule oder im Freundeskreis, bei der Kneipentour am Wochenende. Nicht selten konkurrieren junge Männer beispielsweise darum, wer am meisten trinken kann und den lockersten Spruch auf Lager hat. «Das hat mich ins Grübeln gebracht», erklärt der 30-Jährige.

Männlichkeit neu denken

Im ersten Block klärt der Schulungsleiter über Gesundheit und Geschlechterrollen auf. Dabei geht es etwa um die Unterschiede zwischen biologischem und sozialem Geschlecht, Machtdynamiken in Beziehungen oder sexuelle Gewalt. Dieser Teil wird durch verschiedene Gruppenaktivitäten ergänzt. Zum Beispiel sollen sich die Teilnehmer darüber Gedanken machen, welche gesundheitlichen Probleme mit typisch maskulinen Verhaltensweisen zusammenhängen.

«Männer nehmen keine Hilfe in Anspruch aus Angst, als Schwächling zu gelten» (Matt Englar-Carlson, California State University)

Es gibt aber auch Kritik an solchen Kursen. Mehrere Forscher befürchten, die Auseinandersetzung mit Geschlechternormen könne sogar zur Festigung traditioneller Rollenbilder führen. Die kroatische Kampagne «Budi Muško» setzte etwa darauf, dass es «männlich» ist, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Damit lassen sich Männer zwar gut ansprechen, es kann aber Normen wie «Stärke» und «Eigenständigkeit» noch tiefer in den Köpfen verankern.

Matt Englar-Carlson hält dagegen: «Für die Auseinandersetzung mit der eigenen Männlichkeit ist es nie zu spät. Männer müssen anfangen, über ihre Erfahrungen mit Maskulinitätsnormen zu sprechen.» Eine gute Gelegenheit ist vielleicht der neue «James Bond»-Streifen, der Ende September 2021 erschien. Es ist der letzte mit Daniel Craig als britischem Geheimagenten. Seine Nachfolge steht bereits fest: Lashana Lynch – die erste Frau als 007.

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