
Ratgeber
Yogastile im Überblick: So findest du den besten Kurs für dich
von Ronja Magdziak

Mit zunehmendem Wissen über den menschlichen Körper sind heute nicht mehr alle traditionellen Yogahaltungen eins zu eins empfehlenswert. Ich habe mit Yogalehrer Sankey Kumar Sharma gesprochen und ihn gefragt, welche Yogaposen bei ihm garantiert nicht mehr auf der Matte landen.
Kennst du auch diese athletischen «Yogis» auf Social Media? Und hast du dir schon gewünscht, das auch zu können? Mit zusammengepressten Zähnen in eine Haltung gezwungen, nur um in die gewünschte Form zu passen. Aber hat das noch etwas mit Yoga zu tun? Gleichzeitig entsteht der Eindruck, um Yoga zu praktizieren, musst du außerordentlich flexibel sein. Ein Mythos, mit dem wir dringend aufräumen müssen.
Erst einmal ist Yoga eine Jahrtausende alte Praxis bestehend aus Meditation, Pranayama (Atemübungen), Lebensphilosophie – und auch Körperhaltungen (Asanas). Tatsächlich kannst du Yoga üben, ohne je eine Yogamatte berührt zu haben. Meditation und ein Leben voller Mitgefühl und Hingabe haben im Yoga und auf dem Weg der Selbsterkenntnis einen weitaus höheren Stellenwert. Abgesehen davon sollen die Yogahaltungen die eigene Mobilität erhöhen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass du besonders schwierige Posen meisterst, sondern dass du so weit in eine Pose gehst, wie es sich für deinen Körper gut anfühlt.
Mit zunehmendem anatomischen Wissen hat sich heute aber der Blick auf einige der überlieferten Yogahaltungen verändert. Sankey Kumar Sharma ist Yogalehrer spezialisiert auf Hatha, Iyengar und Ashtanga Yoga. Im Interview erklärt er, wie eine gesunde Praxis für jeden Körper aussehen kann und von welchen Posen er heute vehement abrät.
Viele denken, um Yoga zu üben, musst du besonders flexibel sein. Das ist nicht wahr. Du kannst mit Posen anfangen, die die Gelenke aufwärmen und mobilisieren und danach mit einfachen stehenden Posen weitermachen. Viele wollen direkt auf dem Kopf stehen, dabei können sie noch nicht einmal richtig auf zwei Beinen stehen. Probleme mit den Knien, den Schultern und der Wirbelsäule sind heutzutage gängig.
Es ist wichtig, die Praxis dem eigenen Körper anzupassen. Das fängt schon beim Stehen an: Bei nach innen fallenden Knie (X-Beine) oder einem breiteren Becken sollte ein hüftweiter Stand geschlossenen Beinen vorgezogen werden. Es geht darum, zu spüren, was sich für den eigenen Körper komfortabel anfühlt. Asana bedeutet stabil und komfortabel.
Nein. Der erste und wichtigste Schritt ist, die Bewegung mit der Atmung zu verbinden. Du musst nicht besonders flexibel sein, aber du brauchst Stabilität. Um Ruhe und Komfort in einer Haltung zu finden, brauchst du deinen Atem. Wenn du nicht frei atmen kannst, musst du die Ausrichtung deines Körpers anpassen. Unser Atem ist die Brücke zwischen Geist und Körper. Diese Brücke wollen wir stärken, das ist das Wichtigste, was uns die Asanapraxis lehrt.
Es gibt Posen, bei denen empfindliche Knochen direkt auf den Boden gestützt werden. Im Kopfstand (Shirshasana) oder das Knie im Halbmond (Ardha Chandrasana) zum Beispiel. Diese Posen sollten immer auf einer weichen Unterlage geübt werden. Praktizierenden, die bereits Schmerzen in den Knien haben, empfehle ich aus eigener Erfahrung eine Bandage, die das Knie unterstützt und eine Überstreckung verhindert. Überstreckst du dein Knie dauerhaft, werden die Bänder immer lockerer und die Gefahr einer Verletzung steigt.
Manches, was früher korrekt schien, ist heute mit mehr anatomischem Wissen nicht mehr ganz richtig. Im modernen Yoga ist die korrekte Ausrichtung des Körpers viel wichtiger geworden. Der richtige Abstand zwischen den Beinen, damit das Knie niemals vor das Fußgelenk wandert beispielsweise oder das Pressen des gesamten Fußes in den Boden, um Druck vom Knie zu nehmen, sind wichtige Maßnahmen für eine gesunde Praxis.

Im Ashtanga gibt es mehrere Posen, die ich nicht unterrichte. Bei der fortgeschrittenen Variation von Setu Bandhāsana (der Brücke) liegt der Kopf normalerweise auf dem Boden und es lastet sehr viel Druck auf den empfindlichen Halswirbeln. Ich empfehle dir hier die Variation mit den Schultern am Boden oder den Händen unter der Hüfte. Auch Wrestler nutzen diese Übung zur Stärkung des Nackens, haben aber auch eine andere Muskulatur in den Schultern. Wrestling ist ein Extremsport. Das müssen wir nicht nachmachen.

Auch Marichyasana D (der Drehsitz) unterrichte ich nicht. Meiner Meinung nach sind vielleicht 20 Prozent der Praktizierenden in der Lage, diese Haltung sauber und mit geradem Rücken auszuführen. Hier sollte der Brustkorb geöffnet und die Atmung frei möglich sein. Ist das nicht gegeben, hat die Haltung keine Vorteile.

Janushirasana C (Kopf-zu-Knie-Stellung) empfehle ich aufgrund der von der Rotation des Schienbeins ausgelösten Drehung im Knie nicht. Das Ziel dieser Haltung ist eine Vorwärtsbeuge und Hüftöffnung, die genauso gut in Janushirasana A und B erreicht werden kann.


Im Ashtanga werden gezielte Blickrichtungen (Drishtis) praktiziert. Das löst zum Teil sehr viel Stress im Nacken aus. Im herabschauenden Hund (Adho Mukha Svanasana) sollen die Arme gestärkt und der Rücken gestreckt werden. Ziel des heraufschauenden Hundes (Urdhva Mukha Svanasana) ist die Öffnung des Brustkorbes. In beiden Haltungen hat eine Überstreckung des Nackens keine Vorteile. Der Nacken ist bereits flexibel und braucht keine zusätzliche Dehnung. Im Hatha und Iyengar richten wir den Blick geradeaus und entspannen und schützen so die Halswirbel.
Danke für das Interview!
Aus dem Gespräch mit Sankey Kumar Sharma habe ich fünf Faustregeln mitgenommen:
Freie Texterin, Biologin und Yogalehrerin. Fasziniert von Natur, Körper und Geist bin ich eine große Frischluft- und Bewegungsfanatikerin und schreibe am liebsten über alles, was uns gut tut!
Praktische Lösungen für alltägliche Fragen zu Technik, Haushaltstricks und vieles mehr.
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