Kritik

«Mario Kart World» im Test: ein mutiger Neuanfang, dem nicht ganz alles gelingt

Statt einzelner Strecken gibt es in «Mario Kart World» eine offene Spielwelt. Trotz einiger Schwächen im Spieldesign geht die Open-World-Rechnung auf. «Mario Kart World» ist die Killer-App der Switch 2.

In seiner elfjährigen (!) Lebenszeit entwickelte sich «Mario Kart 8» durch zahlreiche herunterladbare Inhalte zur «ultimativen» Version des Fun-Racers. Mittlerweile zählt das Game 96 Rennstrecken und 42 spielbare Charaktere. Wie kann man dieses Paket in einem Nachfolger toppen?

Mit «Mario Kart World» liefert Nintendo zum Start der Switch 2 eine gelungene Antwort auf diese Frage. Statt noch mehr Inhalte in den Nachfolger zu packen, rüttelt Nintendo an den Grundfesten des Franchises und bietet mit einer riesigen Open World eine neue Spielerfahrung. In einigen Bereichen gibt es jedoch noch Luft nach oben.

Die Open World als Spielwiese für epische Rennen

Auch wenn Nintendo viele Neuerungen eingeführt hat – der Kern des «Mario Kart»-Spielprinzips bleibt auch in «World» unangetastet. Ich fahre als Charakter aus dem Mario-Universum mit anderen Fahrern in Cups oder einzelnen Rennen um die Wette. Dabei kommen allerlei Items zum Einsatz, die für Chaos sorgen. So weit, so «Mario Kart».

Die zusätzlichen Fahrer beeinflussen das Spielgefühl immens.
Die zusätzlichen Fahrer beeinflussen das Spielgefühl immens.

Neu bei «Mario Kart World» ist, dass nicht nur 12, sondern 24 Fahrer an einem Rennen teilnehmen. Die Verdoppelung der Spielcharaktere schraubt sowohl das Frust- als auch das Euphorie-Potenzial des Games in ungeahnte Höhen.

Werde ich von einem roten Panzer getroffen, überholen mich binnen Sekunden über ein Dutzend Fahrer. Genauso schnell, wie ich Plätze verlieren kann, kann ich sie aber auch wieder gutmachen. Die epischen Schlachten sind mehr denn je eine Achterbahnfahrt der Gefühle, an der Freundschaften zerbrechen können (diesen blauen Panzer kurz vor Ziel werde ich dir nie verzeihen, Michelle).

Neu gibt es verschiedene Kostüme für die Fahrer.
Neu gibt es verschiedene Kostüme für die Fahrer.

Die Auswahl an Charakteren ist gelungen und wird mit verschiedenen Kostümen pro Charakter ergänzt. Endlich kann ich Wario in ein süsses Wespen-Kostüm stecken. 🐝

Neben den üblichen Verdächtigen warten auch viele neue NPCs aus verschiedenen Mario-Games darauf, freigeschaltet zu werden. Ich muss immer wieder laut lachen, wenn ich sehe, wie eine Kuh, eine kleine Krabbe oder ein Schneemann auf einem Kart sitzt und mitfährt. Grandios.

LOL.
LOL.

Ebenfalls neu: Die Strecken in «Mario Kart World» sind keine in sich geschlossenen Levels. Stattdessen sind sie organisch in eine zusammenhängende Open World eingebunden.

Während ich beispielsweise im «Peach Stadion» herumdüse, sehe ich am Horizont den «Koopa Strand» und die «Kronen Metropole». Sogar ein Tag-Nacht-System und wechselnde Wetterbedingungen haben es in das Spiel geschafft. Das neue Open-World-Design wirkt sich auch stark auf das Gameplay und die verschiedenen Spielmodi aus.

Die Spielwelt ist gross.
Die Spielwelt ist gross.

Gewöhnungsbedürftige Cup-Struktur

In «Mario Kart World» gibt es insgesamt acht Cups. Im Vergleich zu den Vorgängern haben diese eine gewöhnungsbedürftige Struktur, die mit der Open World des Spiels zusammenhängt.

Nur selten fahre ich eine Strecke im klassischen Drei-Runden-Prinzip. Stattdessen lässt mich «Mario Kart World» einzelne Kurse oftmals nur eine Runde lang fahren und schleust mich dann schon zur nächsten Piste. Der Clou: Die Open-World-Strassen zwischen den traditionellen Strecken sind auch Teil des Rennens.

Diese oftmals sehr breiten und geradlinigen Sequenzen unterscheiden sich deutlich von den «normalen», kurvigeren Pisten. Was gut ist, denn die zusätzliche Rennfläche sorgt beim 24-Spieler-Chaos für willkommene Verschnaufpausen. Zudem kann ich in diesen offenen Abschnitten mit den richtigen Items oft ziemlich krasse Abkürzungen abseits des vorgegebenen Pfades nehmen.

Bei Mario Kart World gibt es rollende Starts, meist auf den Open-World-Strassenabschnitten.
Bei Mario Kart World gibt es rollende Starts, meist auf den Open-World-Strassenabschnitten.

Die Mischung aus breiten Strassen und normalen «Mario Kart»-Strecken funktioniert grundsätzlich gut und sorgt für Abwechslung – ich hätte mir jedoch auch einen zusätzlichen, klassischen Cup-Modus ohne Open-World-Gedöns gewünscht. Immerhin: im zurückgekehrten «Versus»-Modus kann ich mir meine eigenen «Cups» aus Einzelrennen mit drei Runden und eigenen Regeln zusammenbasteln.

Ich liebe die K.o.-Tour

Noch mehr auf die offene Spielwelt zugeschnitten ist die neue K.o.-Tour, in der ich in «Rallyes» statt in Cups antrete. In diesen fahre ich sechs Strecken (und die Strassen zwischen den Strecken) nacheinander, ohne Pause. Die Rallyes sind quasi Weltreisen durch die Spielwelt, die mich von einem Ende der Open World ans andere bringen.

Auf dieser Weltreise verteilt sind insgesamt sechs Checkpoints. Nach jedem Checkpoint fliegen die letzten vier Fahrer raus – «Battle Royale» à la «Mario Kart».

Ich kann nicht genug betonen, wie genial dieser neue Modus ist. Das Gefühl, wenn ich auf den letzten paar Metern vor dem Checkpoint noch ein paar Konkurrenten überhole und mit Ach und Krach in die nächste Runde stolpere, ist unbeschreiblich. Ebenso gross ist der Frust, wenn mich kurz vor dem Checkpoint noch ein Dödel überrumpelt, nur weil er das verdammte Kugelwilli-Item hat. Das ist «Mario Kart» in Bestform.

Die Checkpoints lassen meinen Puls in die Höhe schnellen.
Die Checkpoints lassen meinen Puls in die Höhe schnellen.

Aufgrund der grossen Anzahl an Strecken pro Rallye gibt es zwischen den acht verfügbaren Rallyes zwangsweise Überschneidungen. Das ist nicht weiter tragisch, weil sich die Open-World-Wege zu den jeweiligen Strecken stark unterscheiden und so für Abwechslung sorgen.

Generell sind die Strassen zwischen den Pisten ein genialer Schachzug seitens Nintendo. Das Game fühlt sich dadurch viel grösser an, als es die 32 Strecken vermuten lassen. Insgesamt gibt es 202 Strassen, die die traditionellen Pisten miteinander verbinden. Um alle zu sehen, braucht man über zehn Stunden, wie Youtuber Getlucky herausgefunden hat.

Auch andere Klassiker sind da

Ebenso chaotisch wie in den grösseren Rennen geht es im «Schlacht»-Modus zu und her. Dort treten ebenfalls 24 Fahrer in zwei Minispielen gegeneinander an: «Ballonschlacht» und «Münzenjäger». In ersterem versuche ich jeweils fünf Ballone gegnerischer Fahrer zum Platzen zu bringen, bevor sie meine fünf Ballone zerstören. In zweiterem sammle ich möglichst viele Münzen und versuche, die Münzen anderer Spieler zu stehlen.

Ein Modus zum Vergessen.
Ein Modus zum Vergessen.

Die Schlachten finden in abgeschlossenen Teilen der offenen Spielwelt statt. Diese sind leider nicht auf den Schlacht-Modus abgestimmt. Der Modus fühlt sich halbherzig umgesetzt an und ich lasse ihn nach kurzer Zeit links liegen.

Wenn du weniger Chaos willst, sind die Zeitrennen etwas für dich. Wie in vergangenen «Mario Kart»-Teilen fahre ich in diesen alleine oder gegen Geisterdaten auf den Strecken und versuche, Bestzeiten zu knacken. Das perfekte Tool, um Abkürzungen und Tricks von Profis kennenzulernen.

Kein Chaos. Hier zählen nur Skills.
Kein Chaos. Hier zählen nur Skills.

Gähnende Leere im Free Roam

Enttäuscht bin ich vom «Free Roam»-Modus. In diesem erkunde ich ohne Leistungsdruck die riesige Spielwelt von «Mario Kart World». Das Problem dabei: die Welt wirkt ohne Rennen leer und langweilig. Es können mehrere Minuten vergehen, bis ich etwas Spannendes in der Welt entdecke. Schade auch, dass ich die Spielwelt nicht mit Mitspielern erkunden kann.

Nicht viel los hier.
Nicht viel los hier.

In der offenen Spielwelt sind ungefähr 400 Mini-Missionen verteilt, die ich mit P-Schaltern starte. Meist sind diese innerhalb von Sekunden erledigt. In den Missionen absolviere ich Hinderniskurse, sammle eine bestimmte Anzahl Münzen in kurzer Zeit oder drifte durch Horden von Gegnern. Alles ziemlich unspektakulär. Ich bin nie länger als ein paar Minuten im «Free Roam», bevor ich zurück zu den anderen Modi wechsle.

Die Missionen bieten wenige Überraschungen. Hier muss ich in ein paar Sekunden durch alle Ringe fliegen
Die Missionen bieten wenige Überraschungen. Hier muss ich in ein paar Sekunden durch alle Ringe fliegen

Enttäuschend sind auch die Belohnungen, die ich für das Absolvieren der Missionen bekomme – das Game gibt mir lediglich popelige Sticker, die ich an meine Karts aufkleben kann. Auch für das Auffinden versteckter sammelbarer Gegenstände erhalte ich diese unnützen Aufkleber, die ich auf den Karts kaum sehe.

Cartoon-Physik und Mario als Tony-Hawk-Wannabe

Das Fahrgefühl hat sich im Vergleich zum achten Teil stark verändert. Die Karts «kleben» nicht mehr so stark am Boden, sondern wackeln und hüpfen beim Fahren und Driften in einer lustigen Cartoon-Physik hin und her. Werde ich von einem Item getroffen, fliegt mein Kart chaotischer und unvorhersehbarer durch die Luft. Auf dem Wasser reite ich auf Wellen, als würde ich «Wave Race» zocken. Explosionen von Panzern und anderen Items erzeugen gar Schockwellen im Wasser – so cool!

Neue Items gibt es ebenfalls – so zum Beispiel den «Turbo Snack», mit dem ich neue Outfits freischalte oder den Hammer, mit dem ich gezielt andere Fahrer weghaue.
Neue Items gibt es ebenfalls – so zum Beispiel den «Turbo Snack», mit dem ich neue Outfits freischalte oder den Hammer, mit dem ich gezielt andere Fahrer weghaue.

Zu dieser «leichteren» Physik passen auch die neuen Moves, die Mario und Co. auf Lager haben. Neben den altbekannten Drifts gehören jetzt auch «Powersprünge» zum Moveset. Diese lade ich auf, indem ich ZR halte, während mein Kart geradeaus fährt. Lasse ich los, springt mein Charakter hoch. So kann ich wie Tony Hawk auf Geländer gelangen und auf diesen grinden oder sogar Wandsprünge hinlegen. All diese Aktionen geben mir, ähnlich wie die Drifts, einen kleinen Boost.

Es macht Spass, eine neue grundlegende Mechanik in einem «Mario Kart» zu lernen. Überall in den Levels finde ich versteckte Wege mit grindbaren Geländern oder befahrbaren Wänden. Mit den neuen Möglichkeiten werden Spieler belohnt, die viel Zeit in ihre Skills investieren. Toll!

Für etwas ist der Free-Roam-Modus ganz praktisch: Ich kann neue Moves üben...
Für etwas ist der Free-Roam-Modus ganz praktisch: Ich kann neue Moves üben...
... und mit einer Rewind-Funktion meinen Charakter bei Fehlversuchen ganz einfach an die Ursprungsposition zurückspulen.
... und mit einer Rewind-Funktion meinen Charakter bei Fehlversuchen ganz einfach an die Ursprungsposition zurückspulen.

Eingeschränkte Online-Funktionalität

Natürlich kann ich alle Modi und Rennen nicht nur alleine oder im Vier-Spieler-Splitscreen, sondern auch online fahren – wahlweise mit einem lokalen Mitspieler. Der Online-Modus funktioniert solid. Auch bei 24 Fahrern fallen mir keine gröberen Verzögerungen auf.

Die Optionen im Online-Modus wirken im Vergleich zu anderen Online-Titeln und sogar im Vergleich zu «Mario Kart 8 Deluxe» rudimentär. Ich kann Cups, Rallyes und Schlachten fahren. Je nachdem, wie ich abschneide, erhalte ich Punkte für mein Ranking.

Es gibt nichts zum Freischalten und kein Fortschrittssystem. Ich kann auch keine eigenen Turniere erstellen oder Turnieren beitreten, wie es noch im Vorgänger möglich war. Hoffentlich bessert Nintendo hier noch nach.

Immerhin, eine tolle Funktion: Mit Freunden kann ich sowohl online als auch offline mit der Nintendo Switch 2 Kamera (oder einer anderen USB-Webcam) zocken. So sehe ich die Gesichter meiner Feinde, bevor ich sie niedermähe, muahaha. Liest sich wie ein Gimmick, bereitet mir in Multiplayer-Sessions aber sehr viel Freude.

Michelles und Simons Gesicht wird über ihren Fahrern eingeblendet. Unten siehst du das Gamechat-Interface – Nintendos neue Chat-App auf der Switch 2.
Michelles und Simons Gesicht wird über ihren Fahrern eingeblendet. Unten siehst du das Gamechat-Interface – Nintendos neue Chat-App auf der Switch 2.

Ein audiovisuelles Fest für die Sinne

Die zusätzliche Power der Switch 2 nutzt Nintendo nicht nur für fancy grafische Effekte, sondern vor allem für die Grösse der Spielwelt und das erweiterte Fahrerfeld. «Mario Kart World» ist kein Game, bei dem dir die Kinnlade runterfällt, wenn du das erste Mal siehst. Je mehr ich spiele, desto mehr spüre ich aber die technischen Fortschritte im Vergleich zum Vorgänger.

In den epischen Rennen ist so unglaublich viel auf dem Screen los. 24 Fahrer, aufwändige Partikeleffekte, Explosionen, liebevolle Details neben den Strecken – und das alles in einer makellosen Bildqualität bei 60 FPS. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Abseits der Strecken wirken einige Gebiete des Spiels mit detailarmen Texturen und kantigen Modellen grafisch sehr trist. Ein Grund mehr, dem «Free Roam»-Modus fernzubleiben.

So viel Action!
So viel Action!

Durchgängig genial ist der Soundtrack, der aus gelungenen Remixes klassischer Mario-Tracks besteht. Immer wieder höre ich eine Melodie, summe mit und versuche zu erraten, aus welchem Spiel ich den Track kenne. Besser geht es nicht.

«Mario Kart World» ist erhältlich für die Nintendo Switch 2. Ein Testexemplar wurde mir von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Fazit

Ein mutiger Neuanfang mit einigen fragwürdigen Design-Entscheidungen

«Mario Kart World» ist nicht das neue «ultimative Mario Kart». Stattdessen ist es ein mutiger Neuanfang, der sich nicht nur wegen der Verdoppelung der aktiven Fahrer ungewohnt frisch anfühlt. Die Open World krempelt die gewohnte Cup-Struktur um und ermöglicht einen komplett neuen Spielmodus: die sensationelle K.o.-Tour. Das an Battle-Royale-Games angelehnte Spielprinzip ist das beste, was «Mario Kart» passieren konnte.

Luft nach oben gibt es im unspektakulären «Free Roam»-Modus, der die Spielwelt langweilig wirken lässt. Auch der «Schlacht»-Modus und Online-Multiplayer könnten mehr Fleisch am Knochen vertragen. Dies sind insgesamt aber Randnotizen in einem sehr gelungenen, bunten und chaotischen Gesamtpaket. Nennst du eine Switch 2 dein eigen, solltest du dir diesen Spass auf keinen Fall entgehen lassen.

Pro

  • erfirschend ungewöhnliche Auswahl an Charakteren und Kostümen
  • gelungene Farphysik und Steuerung
  • viel Abwechslung im Open-World-Streckendesign
  • hervorragende technische Umsetzung und göttlicher Soundtrack
  • lustige Kamera-Integration

Contra

  • langweiliger «Free Roam»
  • eingeschränkter Online-Modus
Nintendo Mario Kart World (Switch 2, DE, FR, IT)
Game

Nintendo Mario Kart World

Switch 2, DE, FR, IT

21 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Kritik

    «Super Mario Bros. Wonder» im Test: Das beste 2D-Mario aller Zeiten?

    von Domagoj Belancic

  • Kritik

    «Mario & Luigi: Brothership» ist ein wunderschönes Rollenspiel, für das du viel Geduld brauchst

    von Domagoj Belancic

  • Kritik

    «Super Mario Bros. Wonder» Vorschau: So spielt sich das neue, verrückte 2D-Mario

    von Domagoj Belancic

17 Kommentare

Avatar
later