

«Metroid Prime 4: Beyond»: die beste Enttäuschung des Jahres
«Metroid Prime 4: Beyond» wagt viel Neues, stolpert aber über seine eigenen Ambitionen. Alte «Metroid»-Fans werden sich ärgern – für alle anderen ist das Game einer der besten Gründe, sich eine Switch 2 zu kaufen.
18 Jahre. So lange ist es her, seit der letzte «Metroid Prime»-Teil für die Wii erschienen ist. Mit dem von Retro Studios entwickelten «Metroid Prime 4: Beyond» erlöst Nintendo die Fans der intergalaktischen Kopfgeldjägerin Samus Aran endlich von ihrem Leiden.
Hat sich das Warten gelohnt?
Ja. Enttäuscht bin ich trotzdem.

Willkommen auf dem wunderschönen Planeten Viewros
Der Einstieg in das Weltraum-Abenteuer hat es in sich. Eine Forschungsstation der Galaktischen Föderation wird von Weltraumpiraten angegriffen, angeführt vom Kopfgeldjäger Sylux. Fans werden den Bösewicht aus dem DS-Spinoff «Metroid Prime Hunters» (2006) wiedererkennen.
Als Samus Aran kämpfe ich mich durch das chaotische Schlachtfeld und unterstütze die Soldaten der Föderation. Das Intro wirkt für «Metroid Prime»-Verhältnisse ungewohnt episch und cineastisch. Riesige Mechs feuern auf feindliche Raumschiffe, Weltraumpiraten ballern wie wild umher, überall Feuer, Rauch, Explosionen.
Und dann die Katastrophe.
In der Hitze des Gefechts wird ein mysteriöses Artefakt beschädigt, das die Föderation auf der Station erforscht hat. Durch die daraus resultierende Explosion werden Samus und ein Teil der Soldaten auf einen abgelegenen Planeten teleportiert: Viewros.

Mein Ziel in «Metroid Prime 4: Beyond» ist es, irgendwie von diesem gottverlassenen Planeten zu fliehen. Ganz serientypisch wird schnell klar, dass auf Viewros früher eine fortgeschrittene Zivilisation gelebt hat – die Lamorn. Im Spielverlauf erfahre ich mehr über den Untergang dieser Axolotl-ähnlichen Alienrasse. Ich erkunde unter anderem Ruinen einer Dschungelwelt, eine verlassene Forschungseinrichtung in verschneiten Bergen und eine sengend heisse Wüste voller Geheimnisse.
In das Weltendesign wurde viel Aufwand und Herzblut gesteckt. Jedes Biom besticht durch eine markante Farbpalette, einzigartige visuelle Akzente und eine atmosphärische Beleuchtung. Die omnipräsente, futuristische Alien-Architektur der Lamorn zieht sich durch alle Gebiete und sorgt dafür, dass trotz visueller Kontraste ein kohärentes Gesamtbild entsteht.
Sogar meine Gaming-uninteressierte Freundin spricht mich im Vorbeigehen an und meint: «Wow, das sieht ja mega cool aus.» Sie kommentiert sonst nie das Geschehen auf dem Bildschirm, wenn ich zocke. Ein grösseres Kompliment könnte ich mir nicht vorstellen.

Der Soundtrack ist ebenso gelungen. Die Musikstücke runden die Atmosphäre jedes Gebiets mit passenden Klängen ab. In den Dschungelruinen begleiten mich melancholische Alien-Chöre. Im Wüstengebiet dominiert ein bedrohlicher, dumpfer Klangteppich, der mir klarmacht, dass ich auf diesem fremden Planeten nicht willkommen bin. Und während Bosskämpfen eskaliert der Soundtrack zu einem explosiven Klanggewitter aus Gitarrenriffs, Synthesizer-Klängen und aggressiven Soundeffekten.
Kurzum: Das Artdesign und die audiovisuelle Präsentation von «Metroid Prime 4» sind der absolute Hammer.

«Metroid Prime» wie ich es kenne und liebe
Bevor ich zu den Änderungen komme, zunächst die gute Nachricht: Der Gameplay-Kern der «Metroid Prime»-Reihe bleibt unverändert. Die labyrinthartigen Levels sind voller verschlossener Türen und unzugänglicher Abschnitte, die sich mir erst durch das Freischalten neuer Upgrades nach und nach erschliessen.
Viele Fähigkeiten und Upgrades kehren aus früheren Spielen zurück. So zum Beispiel der Morph-Ball-Modus, der Enterhaken und natürlich Samus' Waffenarm, mit dem ich Raketen und Beam-Schüsse abfeuere – neu auch in einer Eis-, Elektro- und Feuer-Variation. Jedes Mal, wenn ich ein Upgrade finde, ertönt der altbekannte «Metroid»-Jingle und das Nostalgiezentrum meines Hirns belohnt mich mit einer Dosis Dopamin. Herrlich.

Auch die Scan-Funktion ist zurück. Scanne ich Objekte der Lamorn, erfahre ich mehr über den Untergang ihrer Zivilisation. Scanne ich Flora und Fauna, erhalte ich detaillierte Informationen zum Ökosystem des Planeten. Feinde scannen ist ebenfalls ratsam, weil ich so Schwachstellen ausmache.
Viewros fühlt sich durch die zusätzlichen Scan-Daten wie ein echter, lebendiger Ort an – und nicht wie eine wahllos zusammengewürfelte Kulisse eines Sci-Fi-Games.

Neu in «Metroid Prime 4» sind Samus' Psy-Fähigkeiten, die sie von den Lamorn vererbt bekommt.
Mit den telekinetischen Superkräften kann die Kopfgeldjägerin bestimmte Items aus der Entfernung manipulieren und einen «Psy Control Beam» abfeuern. Dabei verlangsamt sich die Zeit und ich kann das abgefeuerte Projektil lenken und so bis zu drei Ziele nacheinander treffen. Das ist beispielsweise für ultraschnelle Gegner praktisch, die normalen Schüssen ausweichen.
Ab und zu wird der lenkbare Schuss auch für Puzzles verwendet. So zum Beispiel, wenn ich versteckte Schalter hinter Hindernissen aktivieren muss, die ich mit konventionellen «Metroid»-Mitteln nie erreichen würde.

Die Mechanik hinter den telekinetischen Fähigkeiten finde ich genial. Insgesamt bin ich jedoch enttäuscht, wie wenig Retro Studios aus dieser grandiosen Grundlage macht. In meinen rund 20 Stunden Spielzeit kann ich die richtig coolen Momente mit den Psy-Kräften in Puzzles und Bosskämpfen an einer Hand abzählen. Schade.
Und wenn ich schon am Meckern bin: Alte «Metroid»-Hasen sollten sich darauf gefasst machen, dass «Metroid Prime 4» ein ungewohnt einfaches Spiel ist. Ich bin nur ein paar Mal gestorben und das auch nur, weil ich mich extrem dumm angestellt habe. Der höhere Schwierigkeitsgrad wird leider erst in einem zweiten Durchlauf freigeschaltet.
«Metroid» mit Motorrad – ja, wirklich
Ein neues Feature, das viele Fans im Voraus skeptisch gestimmt hat, ist Samus' Motorrad «Vi-O-La». Auch das bekommt sie von den Lamorn geschenkt. Damit erkunde ich eine relativ grosse Hub-Wüstenwelt, die alle Gebiete des Spiels miteinander verbindet.
Ein Motorrad? Eine grosse, offene Spielwelt? In einem «Metroid Prime»? Das kann doch nicht gut gehen.
Doch, das kann es. Und wie.

Zunächst das Wichtigste: Das futuristische Bike steuert sich verdammt gut. Das Game pfeift auf realistische Physik und setzt stattdessen auf Coolness. Ich flitze durch das riesige Meer aus Sand, nutze Dünen als Abflugrampen und lege stylishe Akira-Slides hin, um die Richtung zu wechseln. Lästige fliegende Robotergegner knalle ich mit zielsuchenden Geschossen ab und sehe zu, wie die Blechbüchsen zu Boden fallen und explodieren.
Wie gesagt: cool.
Natürlich gibt es in der Wüste auch einiges zu entdecken. Sammelwütige Spieler werden mit dem Zerstören grüner Kristalle beschäftigt sein, die überall aus dem Boden spriessen. Ernte ich genug Grünzeug, erhalte ich spezielle Upgrades für Samus' Psy-Fähigkeiten (glaub mir, es lohnt sich!). Zudem warten zahlreiche Absturzstellen voller Equipment der Galaktischen Föderation und alte Tempel der Lamorn darauf, zu Fuss erforscht zu werden. Letztere fungieren als Mini-Dungeons mit Rätseln, die ich nur mit entsprechender Ausrüstung lösen kann.

Die Spielsequenzen in der offenen Wüstenwelt sind die perfekte Abwechslung zu den verwinkelten und bisweilen anstrengenden Labyrinth-Levels, die mich durch klaustrophobische Korridore führen. In der Wüste kann ich die Sau rauslassen und den Kopf ausschalten. Ich hoffe, dass solche Hub-Welten in Zukunft ein fester Bestandteil der Serie sind.
Halt die Fresse, Myles MacKenzie!
Die «Metroid Prime»-Reihe lebt von dem Gefühl der Isolation und des Ausgesetztseins auf einem gefährlichen, unbekannten Planeten. «Metroid Prime 4: Beyond» verfolgt einen anderen Ansatz. Auf ihrem Abenteuer trifft Samus nämlich zahlreiche Soldaten der Galaktischen Föderation, die ebenfalls auf Viewros gestrandet sind.
Diese Neuerung sorgte im Vorfeld der Veröffentlichung für kontroverse Diskussionen. Leider kann ich hier im Gegensatz zu Vi-O-La keine Entwarnung geben. Die neuen Charaktere zerstören in einigen Momenten die sonst dichte Atmosphäre des Spiels.

Die Einführung der Begleitfiguren funktioniert immer nach dem gleichen Prinzip. Beim Erkunden eines neuen Gebiets treffe ich einen Soldaten und befreie ihn – oder sie – aus einer misslichen Lage. Danach begleitet mich die Spielfigur für einen Teil des Levels und kämpft an meiner Seite. Was mich am meisten stört: Die NPCs labern zu viel.
Einige von ihnen werden als Tutorial-Werkzeuge missbraucht und geben mir unnötige Hinweise. Aus den Vorschau-Berichten bereits bekannt ist der Techniker Myles MacKenzie. Der glänzt mit Sprüchen wie: «Samus, da drüben ist etwas Spannendes. Willst du das nicht einsammeln?» oder «Da ist eine Tür aufgegangen, sehen wir mal nach.» Solche In-Your-Face-Anweisungen sind die Antithese zum Spieldesign von «Metroid Prime», das mich normalerweise selber Sachen entdecken und selber nachdenken lässt.
Auch wenn die Charaktere mal keine Tutorial-Funktion erfüllen, nerven sie. Mir missfällt, wie sie geschrieben sind. Die Dialoge erinnern an Marvel-Filme, in denen die Helden immer einen lockeren Spruch auf Lager haben. Ernste Situationen werden mit einem Augenzwinkern abgehandelt, vieles wird ironisch kommentiert – sowohl im Gameplay als auch in den Zwischensequenzen.

Immerhin machen die Spielpassagen, in denen Samus mit Soldaten unterwegs ist, schätzungsweise lediglich ein Viertel der Spielzeit aus. Das bedeutet aber nicht, dass die restlichen 75 Prozent perfekt sind. Dies, weil Samus vor allem in der Wüste und einigen anderen Levelabschnitten per Funk mit dem improvisierten Basislager der Soldaten verbunden ist. So kontaktiert mich Myles mit Sprüchen wie «Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du nicht weiter weisst.» Manchmal verrät er mir auch genau, wohin ich als Nächstes gehen soll und was ich zu tun habe.
Das will ich nicht wissen, verdammt. Ich will es selber herausfinden. Ich will mir Zeit nehmen, die Atmosphäre aufsaugen, scannen, staunen, nachdenken. Halt die Fresse, Myles MacKenzie.

Trotzdem kann ich Nintendo bis zu einem gewissen Grad verstehen. Die «Metroid Prime»-Games waren noch nie massentaugliche Kassenschlager – es sind erzählerisch reduzierte, knallharte Games, in denen man sich oft verirrt und nicht weiter weiss. «Metroid Prime 4» soll mit der cineastischen Inszenierung, den neuen Marvel-Charakteren sowie dem niedrigen Schwierigkeitsgrad einsteigerfreundlicher sein.
Das Ziel, mehr Leute für die Spielreihe zu begeistern, ist löblich. Das hätte man jedoch auch erreichen können, ohne an den Grundfesten der «Metroid Prime»-Formel zu rütteln und die einzigartige Atmosphäre der Games zu torpedieren.
«Metroid Prime 4» zeigt eindrücklich, was die Switch 2 drauf hat
«Metroid Prime 4: Beyond» erscheint zeitgleich für die Switch 1 und die Switch 2. Das Spiel wurde im Kern für die «alte» Switch entwickelt, profitiert aber in der Switch-2-Edition von zahlreichen technischen Upgrades. Es ist der bisher beste Showcase für die Fähigkeiten von Nintendos Next-Gen-Konsole.
Das Spiel bietet zwei Modi – einen Qualitätsmodus in 4K mit 60 FPS und einen Performance-Modus in 1080p mit 120 FPS. Beide Optionen sind auf der Switch 2 immer noch eine Seltenheit – kaum ein Spiel läuft in so hoher Auflösung oder mit so vielen Bildern pro Sekunde. Ich teste beide und entscheide mich für die 4K-Variante. Mit so vielen Pixeln auf dem TV kommt das stimmige Artdesign besonders gut zur Geltung. Framerate-Einbrüche spüre ich nicht, selbst in hektischen Situationen läuft das Spiel bombenfest.
Ebenfalls eindrücklich sind die Handheld-Modi. Dort erreicht das Spiel entweder 1080p mit 60 FPS oder 720p mit 120 FPS. Auch das ist eine Seltenheit – kaum ein Game reizt bisher den VRR-fähigen 120-Hertz-Screen der Switch 2 aus. Es fühlt sich surreal an, ein so gut aussehendes Nintendo-Game im Handheld-Modus so flüssig laufen zu sehen. Ruckler entdecke ich keine und die etwas geringere 720p-Auflösung stört auf dem kleineren Screen nicht. Ganz grosses Kino, Retro Studios!

Das mit Abstand beste Feature der Switch-2-Edition ist jedoch die hervorragende Maussteuerung. Ich steuere das Game wie einen Shooter am PC mit Maus (rechter Joy-Con) und Keyboard (linker Joy-Con). Der kleine Controller passt natürlich nicht so schön in meine Hand wie eine herkömmliche Maus. Trotzdem kann ich problemlos mehrere Stunden am Stück spielen, ohne zu verkrampfen oder sonstige Beschwerden zu spüren.
Feinde visiere ich mit dem ZL-Knopf an und ziele dann mit der Maus auf bestimmte Körperteile und Schwachpunkte. Das funktioniert erstaunlich schnell und präzise. Bei einigen Bossfights – die übrigens allesamt brillant sind – habe ich sogar das Gefühl, dass sie speziell für die Maussteuerung entwickelt wurden. Auch das Erkunden macht mehr Spass mit der Maus. Ich fühle mich allgemein mobiler und schneller.

Neben der Maussteuerung bietet das Spiel auch eine traditionelle Stick-Steuerung sowie eine Bewegungssteuerung, die an Wii-Zeiten erinnert. Nachdem ich mich einmal eingegroovt und die richtigen Einstellungen gefunden habe, will ich aber nicht mehr zurück. «Metroid Prime 4» beweist eindrücklich, dass die Mausfunktion der Switch 2 mehr als nur ein Gimmick ist – sie verändert den Spielfluss und das Spielgefühl grundlegend.
«Metroid Prime 4: Beyond» ist ab dem 4. Dezember erhältlich für die Switch und Switch 2. Die Switch-2-Edition wurde mir zu Testzwecken von Nintendo zur Verfügung gestellt. Wie die Switch-1-Edition aussieht, konnte ich noch nicht testen.

Fazit
Die beste Enttäuschung des Jahres
Der Kern von «Metroid Prime 4: Beyond» überzeugt. Es fühlt sich verdammt gut an, die labyrinthartigen Levels zu erforschen, Upgrades freizuschalten und langsam neue Gebiete der Welt zu erschliessen. Das Artdesign und der Soundtrack sind der Hammer. Gelungen ist auch das offene Wüstengebiet, das ich mit einem Motorrad unsicher mache – ein perfekter Kontrast zum traditionellen «Metroid»-Gameplay. Schade, macht das Game nicht mehr aus Samus' telekinetischen Fähigkeiten, mit denen sie unter anderem Schüsse steuert.
Die neuen Charaktere enttäuschen. Wenn sie mich begleiten, nerven sie mit unnötigen Tutorial-Informationen oder peinlichen Marvel-Sprüchen. Ich hätte mir zudem einen höheren Schwierigkeitsgrad gewünscht. Diese Kritikpunkte dürften vor allem alte «Metroid»-Hasen stören.
«Metroid Prime 4: Beyond» liefert trotz Schwächen einen der besten Gründe, sich eine Switch 2 zu kaufen. Das Game hakt praktisch alle technischen Features der Konsole ab und liefert ein extrem scharfes (4K) oder extrem flüssiges (120 FPS) Spielerlebnis. Am meisten überzeugt die Maussteuerung – sie verändert die Art und Weise, wie ich das Game erlebe, grundlegend.
Pro
- beeindruckende Grafik, stimmiges Artdesign, Hammer-Atmosphäre
- hervorragende Performance, auch im Handheld-Modus
- der bisher beste Showcase für die Maussteuerung der Switch 2
- Hub-Welt ergänzt das klassische «Metroid»-Gameplay perfekt
Contra
- nerviges Hinweissystem zerstört die Atmosphäre
- schlecht geschriebene Marvel-Dialoge, nervige Charaktere
- neue Psy-Fähigkeiten werden nicht genug eingesetzt
- für «Metroid»-Verhältnisse zu leicht
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