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Hintergrund

«Nur Neon hat diesen Magic Glow»

Eine Handvoll Neonglasbläser gibt es heute noch in der Schweiz. Einer davon ist Christian Bärtschi. Seit 30 Jahren formt er Glasröhren zu Buchstaben und Kunst. Kunst, die nach langer Krise wieder mehr Beachtung findet.

Der Zug ist voll. Links, auf der Gepäckablage, türmen sich Rucksäcke und Wanderstöcke. In den Viererabteils trifft atmungsaktive Kleidung auf grobes Schuhwerk. Thun lockt die Menschen mit den umliegenden Bergen. Dem Niesen, dem Stockhorn, etwas weiter auch schon Eiger, Mönch und Jungfrau. Und dann ist da noch der See.

Tagesausflügler, das ist die Klientel der Kleinstadt. Das war nicht immer so eindeutig. Früher, bis vor 13 Jahren, zieht Thun auch Feierwütige, Künstler und Freigeister an.
Einer davon ist Christian «Didu» Bärtschi, Neonglasbläser aus Steffisburg. Einer der letzten Überlebenden einer krisengebeutelten Branche.

Neonschilder für die Selve

«Die Atmosphäre in der Selve war vor der Gentrifizierung unglaublich kreativ, alles schien möglich», erzählt Christian in breitem Berndeutsch. Er ist dort nicht nur Besucher, sondern steht mit seiner Band «Amarillo Brillo» auch ab und zu auf der Bühne. Und er fertigt für die Gewerbe Neonschilder an.

Glas, Feuer und viel Konzentration

Krise durch LED

Die Leuchtdioden verdrängen Neon fast komplett. Sie sind günstiger und einfacher zu handhaben. «Früher wurden vor allem Buchstaben oder Kästen mit Neon ausgeleuchtet und dann mit Plexiglas verkleidet. Neonglas kann man nur von Hand herstellen, mit LED hingegen konnte plötzlich jeder selbst die Lichter montieren.»

Viele Neonglasbläser müssen aufhören. Christian hält sich mit Jobs als Elektriker und als Pilot für Deltaseglertrips in Interlaken über Wasser. «Das war richtige Akkordarbeit: Tourist begrüssen, ein paar Scherze, Verabschiedung, Bezahlung und dann dasselbe nochmals und nochmals.» Aber auch Neonbeleuchtungen macht er noch immer, wenn auch sporadisch. «In der Kunst war Neon nie weg. Sie liebt dieses weiche Licht, diesen typischen Magic Glow.»

Kool & the Gang und der Sprayer von Zürich

Auch Christians Werke leuchten in der ganzen Schweiz und sogar im umliegenden Ausland von, an oder in den Häusern. Mal als Werbung, mal als Beschriftung, mal als reine Dekoration oder Kunst. Eines seiner Markenzeichen sind die scharfen Ecken, sie sind fast wie auf Gehrung geschnitten. «Damit hat mich mein erster Chef im Aargau dauernd geplagt», erzählt Christian und beginnt zu lachen. Wie jedes Mal, wenn er sich an eine Anekdote erinnert.

Am liebsten aber denkt er an Harald Nägeli zurück, den Sprayer von Zürich. In pinkem Neon prangt über dem Eingang zum Schiffbau eine grosse Nägeli-Figur. Ein Geschenk des Künstlers an die neue Leitung des Schauspielhauses. Geformt wird das Strichmännchen von Christian. «Ich habe sogar noch eine unterschriebene Zeichnung von ihm bekommen», erzählt er mit begeisterter Stimme und kramt das eingerollte Werk gleich hervor.

Der Meister und kein Lehrling

Heute ist Neon wieder ein Trend, wie vor allem in hippen Bars und grossen Firmen zu sehen ist. Nach 12 Jahren der Krise hat Christian wieder viel zu tun. So wie auch die schätzungsweise vier anderen Neonglasbläser in der Schweiz. Einer davon ist Manuel Cotta. «Er arbeitet ganz in der Nähe und ist seit Jahren ein guter Freund. In meinem Beruf ist es schwer, mit jemandem fachsimpeln zu können.»

Christian ist mit seinen 30 Jahren Erfahrung für das Neonglasbalsen wie Glenn Gould für die Klaviermusik. Um Christians Kunst kommt man nämlich nicht herum. Zumindest nicht in urbanen Räumen, auf den Bergen wahrscheinlich schon. Das spielt aber keine Rolle. Der Magic Glow der Neonröhren entfaltet seine volle Wirkung erst, wenn die Tagestouristen schon längst wieder auf dem Heimweg sind.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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