Von «Der Bestatter» bis «Tschugger»: Was ist das Schönste am Beruf der Kostümbildnerin, Ursina Schmid?
Hintergrund

Von «Der Bestatter» bis «Tschugger»: Was ist das Schönste am Beruf der Kostümbildnerin, Ursina Schmid?

Laura Scholz
17.11.2023

Ursina Schmid zieht Menschen an. Was das Beste an diesem Job ist und was er für Berufskrankheiten mit sich bringt, hat sie mir im Interview erzählt.

Sich mit Ursina Schmid zu treffen, ist nicht ganz leicht. Denn sie ist schwer beschäftigt. Damit, Menschen für Film und Fernsehen in Schale zu schmeissen. Ob für den «Tatort» (2018, «Das Vermächtnis»), «Der Bestatter» (2013 - 2019) oder den Fernsehfilm «Jetzt erst recht» (2019) – wenn sie ihre Arbeit richtig macht, fällt sie gar nicht auf, sagt die 38-Jährige. Und da muss ich ihr direkt widersprechen. Mir sind die fantastischen Looks in der ersten und zweiten Staffel der SRF-Serie «Tschugger» nämlich sowas von aufgefallen, dass ich unbedingt wissen wollte, wer dafür verantwortlich ist. Spoiler: Ursina Schmid.

Trotz eines Terminkalenders, der mindestens so voll ist wie ihr Fundus, haben wir es geschafft, uns im Zürcher Café Lang auf ein Heissgetränk und ganz viele spannende Einblicke in ihren Beruf zu treffen.

Liebe Ursina, wie wird man Kostümbildnerin?
Ursina Schmid: Es gibt ganz verschiedene Wege, in diesem Beruf zu landen. Der offizielle ist, Kostümbild zu studieren – was in der Schweiz leider noch nicht möglich ist. Ich habe ursprünglich Schneiderin gelernt, eine Weiterbildung zur Theaterschneiderin gemacht und dann lange am Theater gearbeitet. Erst als Regieassistentin und später als Kostümbildnerin. Irgendwann bin ich als Garderobiere beim Film gelandet und von dort wieder zum Kostümbild gekommen.

Der Film «Jakobs Ross» spielt im 19. Jahrhundert.
Der Film «Jakobs Ross» spielt im 19. Jahrhundert.
Quelle: Instagram @eugenieanselin
Mit Liebe zum Detail (und Dreck) liess Schmid Look um Look entstehen.
Mit Liebe zum Detail (und Dreck) liess Schmid Look um Look entstehen.
Quelle: Ursina Schmid

Was sind die grössten Unterschiede zwischen Theater und Film?
Der grösste ist wohl, dass beim Theater alles live ist. Ausserdem wirkt Kleidung auf der Bühne ganz anders, da denkt man oft grösser, opulenter. Zwar hast du eine recht lange Vorbereitungszeit und entwickelst im Vorfeld das Kostümbild, ab der Premiere ist dein Job aber im Grunde erledigt. Beim Film sind die Ansprüche an ein Kostüm ganz anders, weil du es in einer nahen Einstellung sehr detailliert sehen kannst. Die Vorbereitungszeit ist ähnlich lang wie beim Theater, aber du bist bis zum letzten Drehtag involviert. Das Ankleiden ab Drehbeginn gebe ich allerdings an die Garderobiere ab.

Das heisst, du entwickelst im Voraus jeden einzelnen Look für einen Film oder eine Serie und ab Drehstart ist jemand anderes für deren Umsetzung verantwortlich.
Genau. Anders würde das logistisch und arbeitstechnisch gar nicht gehen.

Wie kann ich mir den Ablauf vorstellen, nachdem du ein Projekt angenommen hast? Bekommst du ein Skript und überlegst dir anhand dessen, wie die Figuren aussehen sollen?
Der Ablauf ist ganz unterschiedlich und sehr projektbezogen. Oft kommen die Anfragen sogar Jahre, bevor der Dreh losgeht oder die Finanzierung geklärt ist. Dann habe ich schon erste Meetings, bevor das Skript überhaupt fertig ist.

Das ist einer der schönsten Aspekte meines Jobs, es ist Teamarbeit.
Ursina Schmid

Und hast du zum Beispiel für die Hauptcharaktere von Anfang an eine Vision im Kopf?
Meistens schon. Im besten Fall weiss ich, wer für die Rolle besetzt ist. Das ist natürlich relevant. Ich schätze es auch sehr, mit der Schauspielerin oder dem Schauspieler zusammen einen Stil zu entwickeln. Das ist einer der schönsten Aspekte meines Jobs, es ist Teamarbeit. Im Idealfall soll das Kostüm auch gar nicht auffallen. Ich möchte nicht, dass sich die Zuschauenden fragen ‹Warum hat er jetzt so eine Hose an?!›.

Dabei bin ich ja gerade auf dich aufmerksam geworden, weil ich die Looks der Serie «Tschugger» so wahnsinnig gut und auf den Punkt für die Rollen fand.
Danke vielmals. «Tschugger» war natürlich auch ein besonderes Format. Sogar die Polizeiuniformen waren fiktiv und selbst gemacht.

Die Walliser Kantonspolizei in der von Schmid kreierten Polizeiuniform.
Die Walliser Kantonspolizei in der von Schmid kreierten Polizeiuniform.
Quelle: SRF/Dominic Steinmann
«Tschugger» Bax (David Constantin) und «Smetterling» (Cédric Schild) verdanken ihren unverwechselbaren Stil Ursina Schmid.
«Tschugger» Bax (David Constantin) und «Smetterling» (Cédric Schild) verdanken ihren unverwechselbaren Stil Ursina Schmid.
Quelle: SRF/Severin Nowacki

Woher beziehst du die Kleidungsstücke, die nicht extra angefertigt werden?
Das ist immer eine Budgetfrage. In der Regel ist es ein Mix aus Teilen aus dem Fundus und gekauften Sachen. Oft braucht man ein und dasselbe Kostüm gleich mehrfach, dann geht es gar nicht anders, als von der Stange zu kaufen. Über die Jahre habe ich auch einen eigenen, ziemlich umfangreichen Fundus angesammelt.

Gehst du privat überhaupt noch gerne shoppen? Ich frage mich, wie eine Kostümbildnerin das eigene Styling angeht. Verfolgst du auch da eine Vision?
Ehrlich gesagt würde ich privat nie auf die Idee kommen, shoppen zu gehen. Meine Garderobe besteht grösstenteils aus Secondhand-Stücken. Manchmal gable ich auch irgendwo was im Vorbeigehen auf, das mich anspricht. Grundsätzlich achte ich aber – wohl berufsbedingt – auf Qualität und Stoffe.

Mode und all ihre Subkulturen faszinieren mich.
Ursina Schmid

Mode an sich interessiert dich aber trotzdem auch privat, oder? Sonst könntest du deinen Job wahrscheinlich gar nicht so erfolgreich machen.
Natürlich! Mode und all ihre Subkulturen faszinieren mich. Für meinen Job muss ich immer wissen, was angesagt ist. Auch auf Reisen liebe ich es zu schauen, was die Leute an anderen Orten der Welt so tragen.

Du bist auch für Drehs viel im Ausland?
Ja, vor Kurzem habe ich zum Beispiel an einer Co-Produktion in Lettland gearbeitet. Für die Vorbereitung war ich anfangs viel vor Ort, bin dann aber immer wieder zurück in die Schweiz. Das ging gut, weil ich eine Assistentin in Lettland hatte. «Tschugger» wurde komplett im Wallis gedreht, das war für mich logistisch auch ein bisschen wie ein Auslandsdreh.

Was magst du ganz besonders an deinem Job?
Ich liebe es, dass er so vielseitig ist, ich ständig unterwegs bin und an Orte komme, die ich sonst wohl nicht zu Gesicht bekäme. Ausserdem treffe ich immer wieder neue, spannende Leute und lerne bei jedem Job viel dazu.

Ursina Schmid in Aktion am Set von «Jakobs Ross».
Ursina Schmid in Aktion am Set von «Jakobs Ross».
Quelle: Ursina Schmid

So ein klassischer Arbeitsalltag kommt dabei wahrscheinlich gar nicht zustande.
Richtig, aber es gibt immer wieder ähnliche Phasen. Am Anfang eines Projekts habe ich zum Beispiel erstmal viele Sitzungen. Dann arbeite ich grösstenteils allein, recherchiere, entwerfe. Während dieser Phase lässt sich gut Struktur reinbringen. Meistens fange ich da morgens um 9 Uhr an und mache gegen 19 Uhr Feierabend. Während der Drehphase ist es dann sehr unterschiedlich. Manchmal muss ich um 4 Uhr morgens aufstehen, um ganz früh am Set zu sein. An anderen Tagen bin ich dann wieder mit Vorbereitungen und Anproben beschäftigt. Obwohl diese Unregelmässigkeiten als Mutter nicht immer ganz einfach zu managen sind, liebe ich die Abwechslung.

Was war der längste Zeitraum, über den du mal in ein Projekt involviert warst?
Serien sind sehr aufwendig, da drehst du pro Tag viel mehr Minuten als beim Film. Mit manchen Projekten bin ich aber auch im Voraus lange beschäftigt und der Dreh an sich geht dann ganz schnell. Ich würde sagen, am längsten habe ich wohl an der Serie «Der Bestatter» gearbeitet. Da wurde jeweils im Sommer für sechs Monate gedreht. Zwar habe ich nicht alle sieben Staffeln betreut, trotzdem dauerte die Zusammenarbeit alles in allem insgesamt sieben Jahre.

Was macht dir mehr Spass: Serien, bei denen du über längere Zeit mit denselben Charakteren beschäftigt bist, oder Filme, die ein kurzes, abgeschlossenes Projekt ergeben?
Das ist eine gute Frage. Gerade arbeite ich an einer Serie, darum habe ich Lust, mal wieder Kino zu machen (lacht). Bei Filmen drehst du weniger pro Tag und hast darum mehr Zeit. Bei Serien muss oft gespart werden und so müssen alle Beteiligten in kurzer Zeit viel schaffen. Da vermisse ich meistens die Musse, meine Arbeit vorbereiten zu können, bis ich alles perfekt finde.

Klar habe ich auch Momente, in denen ich denke ‹Es wäre besser gewesen, wenn …›.
Ursina Schmid

Schaust du deine eigenen Projekte später im Kino oder TV an?
Ja, klar. Da habe ich auch Momente, in denen ich denke ‹Oh mein Gott, hätte ich doch lieber so …› oder ‹Es wäre besser gewesen, wenn …›. Zum Glück gibt es aber auch die, in denen ich denke ‹Genauso, mega cool!›. So oder so ist es toll, das vollendete Ergebnis mit Schnitt, Color Grading und Musik zu sehen.

Und wenn du «fremde» Serien oder Filme schaust, achtest du dann auch aufs Kostüm?
Definitiv! Da muss ich mich oft selbst daran erinnern, mich auf die Story zu konzentrieren und nicht zu sehr auf die Kostüme zu schauen. Wenn mich ein Plot total fesselt, kommt das zum Glück nicht vor.

Berufskrankheit quasi. Was passiert eigentlich mit den Kostümen, wenn ein Dreh abgeschlossen ist?
Manches kommt in einen Fundus oder wird gespendet. Die gekauften Sachen gehören in der Regel der Produktion und werden eingelagert – für den Fall, dass neu oder weiter gedreht wird. Einiges möchten die Darstellerinnen und Darsteller als Erinnerung behalten oder es gibt einen internen Kostümverkauf an Cast und Crew-Mitglieder. Einmal habe ich im Coop vor mir an der Kasse eine Frau in einer Jacke gesehen, die ich für den «Tatort» gemacht hatte. Das war schon sehr lässig.

Zum Zeitpunkt unseres Interviews arbeitete Ursina Schmid an der SRF-Serie «Mindblow», die im Frühjahr 2024 ausgestrahlt werden soll. Der Film «Jakobs Ross» kommt am 18. Januar 2024 in die Schweizer Kinos.

Titelbild: SRF/Dominic Steinmann

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Immer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.


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