Warum USB-C Audio eine dumme Idee ist
Ratgeber

Warum USB-C Audio eine dumme Idee ist

Für Audio den USB-C-Anschluss zu nutzen, ist einleuchtend. Der 3,5 mm Anschluss hat seinen Ursprung im Jahr 1878, als Telefonistinnen an einem grossen Tableau damit Verbindungen vermittelten. Vielleicht hat es aber einen Grund, dass die analoge Technik fast 150 Jahre überlebt hat ...

Wir schreiben das Jahr 2020. USB-C ist die Gegenwart. Der Stecker ist symmetrisch und lässt sich auf beide Seiten einstecken. Dank dem USB-3.1-Protokoll liegen Datenübertragungen bis zu 10 Gigabit pro Sekunde drin. Smartphones, Laptops und andere Geräte lassen sich über USB-C bequem mit Strom versorgen. Der Anschluss ersetzt zudem die veralteten 3,5-mm-Klinken-Anschlüsse und verspricht der neue Standard bei Audio zu werden. Wobei das mit der Audioübertragung so eine Sache ist ...

Unterhaltung für den ganzen Bus

Neulich habe ich die falschen Kopfhörer eingepackt. Es sind zwar sehr wohl USB-C-Kopfhörer, aber die, die bei meinem alten Samsung Smartphone mitgeliefert wurden. Mit dem neuen OnePlus Nord sind sie nicht kompatibel, was ich erst bemerke, als ich im Bus das Handy immer lauter stelle und immer noch nichts höre. Logisch, die In-Ear Kopfhörer verstopfen den Gehörgang, funktionieren aber nicht. Über die voll aufgedrehten Handylautsprecher erzählt Roman Mars von «99% Invisible» den anderen Passagieren davon, warum Japaner so auf Maskottchen stehen. Bis ich das bemerke, habe ich die bösen Blicke der morgendlichen Passagiere auf mir. Ich kann es ihnen nicht übel nehmen. Das Handy stecke ich mit hochrotem Kopf in die Tasche und frage mich, was genau schief gelaufen ist. USB-C ist schiefgelaufen.

Macht ein Mensch eine schlechte Erfahrung, erinnert er sich vor allem daran und vergisst all die guten Erfahrungen. Das nennt sich «Negativity Bias». In meinem Fall werde ich mich bei allen Vorteilen, die USB-C bietet, immer an die Episode aus dem Bus erinnern.

Alt und neu vereint
Alt und neu vereint

USB-C, ojemine

Um mir weitere peinliche Momente zu ersparen, teste ich die beiden Kopfhörer an meinen beiden Smartphones. Mein Verdacht: Jeder Hersteller macht sein eigenes Ding und daher sind die Kopfhörer nicht kompatibel. So krass ist es aber nicht. Die OnePlus Kopfhörer funktionieren beim Samsung einwandfrei. Nur umgekehrt nicht. Am Laptop mit USB-C Anschluss zeigt sich ein anderes Bild. Die Samsung-Kopfhörer funktionieren hier zwar, das Mikrofon aber nicht. Die OnePlus Stöpsel machen keine Probleme, hier läuft auch das Mikrofon. Mir fällt dabei auf, dass Windows die Kopfhörer als «Plug and Play»-Gerät erkennt. Meine Annahme, dass jeder Hersteller sein eigenes Süppchen braut, könnte sich bestätigen.

Die neue Theorie: Die USB-C Kopfhörer erhalten vom Handy oder dem Laptop ein digitales Signal in Nullen und Einsen und wandeln das dann mittels eines Digital-/Analogwandlers in eine analoge Wellenform um. Schliesslich braucht es für die Audiowiedergabe ein analoges Signal, sonst können keine Schallwellen entstehen. Dies Umwandlung geschieht bei der 3,5-mm-Klinke schon im Smartphone oder im Laptop. Der Klinkenstecker muss also immer nur eine Spannung in Wellenform leiten. Senden Handy und Laptop aber digitale Signale, wird es komplizierter. Beim Kopfhörer kommen Nullen und Einsen an, aber wie die zur analogen Wellenform werden, muss der Kopfhörer wissen. Das ist wie bei Sprachen: Verstehst du kein Chinesisch und dein Gegenüber kein Deutsch, dann werdet ihr nie miteinander kommunizieren können. Die Samsung-Stöpsel sprechen wohl nicht die gleiche Sprache wie mein OnePlus-Handy, daher funktionieren sie nicht, so zumindest meine Theorie.

Analoge Signale können zwischen 0 und 1 beliebige Werte aufweisen, digitale Signale sind entweder 0 oder 1
Analoge Signale können zwischen 0 und 1 beliebige Werte aufweisen, digitale Signale sind entweder 0 oder 1

Genau hier dürfte der Hund tatsächlich begraben liegen. Bei meiner Recherche bin ich auf einen Artikel von Soundguys.com gestossen, der das gut erklärt. Grund ist der USB Standard, der sich stetig weiterentwickelt. Digitale Audiosignale lassen sich seit Ende der 90er-Jahre mit USB übertragen. Damals wurde die «USB Audio Class» Spezifikation in der Version 1 eingeführt. Heute sind wir bei Version 3. Mehr Geschwindigkeit, weniger Energieverbrauch und neue Features sind hinzugekommen. Damit alles einwandfrei funktioniert, müssen sowohl Hardware als auch Software Version 3 verstehen. Beherrscht ein Kopfhörer Version 3, ist noch lange nicht gesagt, dass er mit einem Gerät, das lediglich Version 2 oder 1 der «USB Audio Class» beherrscht, funktioniert. Sie sprechen zwar die gleiche Sprache, aber auf verschiedenen Niveaus. Verstehst du ein wenig Chinesisch, kannst du noch lange nicht an einem tiefgründigen Gespräch mit einem Chinesen teilnehmen. Daher ist USB-C als Ersatz für die analoge Klinke aus Sicht der Kompatibilität ungeeignet. Indizien dafür, welches Format nun ein Kopfhörer oder ein Endgerät beherrscht, gibt es nicht. Du kaufst fast immer die Katze im Sack oder recherchierst dich ins Grab, ob jetzt dein gewünschter Kopfhörer auch wirklich zu deinem Gerät passt.

Als ob das nicht genug kompliziert wäre, kann USB-C auch rein analoge Audiosignale leiten. Der sogenannte «Accessory Mode» sollte eigentlich in modernen Smartphones und Laptops nicht mehr vorhanden sein. Er galt als Übergangslösung, bis die digitale Signalübertragung Fuss gefasst hat und erweist sich als weiterer Stolperstein beim Thema USB-C und Audio. Bestellst du dir beim chinesischen Grosshändler günstige USB-C-Kopfhörer oder Dongles, funktionieren die höchstwahrscheinlich deswegen nicht.

Warum USB-C eigentlich toll ist

Streife ich meinen «Negativity Bias» ab, ist USB-C sinnvoll. Das grosse Problem analoger Signale ist nämlich, dass sie sehr anfällig auf Störungen sind. Vielleicht hattest du auch schon ein leichtes Rauschen oder komische Töne auf deinen analog verbundenen Kopfhörern und hattest keine Ahnung, woher das kommt. Meistens sind es die sehr filigranen, dicht verbauten Leitungen in Smartphones, Laptops oder anderen Geräten die das analoge Signal empfindlich beeinflussen. Dieses Problem beseitigt sich mit digitalen Signalen. Es ist sinnvoll, so lange wie möglich digital zu fahren und das Signal erst kurz vor dem Ohr in ein analoges Signal umzuwandeln. Wenn das hundertprozentig und einwandfrei funktioniert, ist es die Zukunft. Das tut es heute offensichtlich nicht. Vielleicht auch, weil die Zukunft in den Augen der Hersteller drahtlos ist. Stichwort Bluetooth. Aber auch diese wunderbare, drahtlose Welt ist voller Fallstricke: Da sind die Akkus leer oder die Bluetooth-Verbindungen instabil. Dieses Fass mache ich daher gar nicht erst auf. Ich will meine Kopfhörer einstecken und sie funktionieren, fertig.

Genau daher trauere ich dem analogen Anschluss nach. Ein bisschen Rauschen auf den Kopfhörern nehme ich gerne in Kauf, wenn sie immer funktionieren. Klar wird sich USB-C durchsetzen. Für die Kunden ist das schlecht. Sie können nicht darauf gehen, dass der gleiche Anschluss auch tatsächlich funktioniert. Es bleibt zu hoffen, dass längerfristig ein Konsens darüber entsteht, wie USB Audio zu funktionieren hat. Bis es soweit ist, bleibe ich aber wo immer möglich bei der 150 Jahre alten Klinken-Technik.

Welcher Dongle ist es denn?

Um mein Problem zu lösen, brauche ich also einen Dongle, der USB-C auf 3,5-mm-Klinke umwandelt. Der wurde nicht mitgeliefert. Ich habe mir daher die vier meistgekauften Dongles besorgt und teste diese in einem nächsten Artikel. Wenn du auf «Autor folgen» klickst, dingelt es bei dir, sobald der Dongle-Artikel fertig ist.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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