
Hintergrund
Von Vulkanen zu den Alpen – Wenn mexikanisches Design auf die Schweiz trifft
von Pia Seidel
Hast du je daran gedacht, wie dein gedeckter Tisch Geschichten erzählen kann? Jede Gabel, jedes Glas, jeder Teller – sie alle sind mehr als nur funktional. Sie spiegeln deinen Stil, deine Haltung und manchmal sogar deine Werte.
Tischkultur ist zurück – und wird neu zelebriert. Der Tisch wird zur Bühne, auf der Design und Genuss miteinander verschmelzen. Hier geht es längst nicht mehr nur ums Essen, sondern um das gesamte Erlebnis. Die Milan Design Week 2025 (MDW) hat eindrucksvoll gezeigt: Geschirr, Besteck und Gläser lassen sich bewusst in Szene setzen. Denn wie wir servieren, ist genauso bedeutsam wie das, was wir servieren.
In dieser Serie präsentiere ich regelmässig Beispiele moderner Tischkultur – von auffälligen Designs bis hin zu poetischen Arrangements. Den Auftakt macht «Trace».
Fruchtbare Böden sind eine endliche Ressource. Jedes Jahr gehen weltweit rund 24 Milliarden Tonnen Boden durch Erosion verloren – beschleunigt durch intensive Landwirtschaft und Klimawandel.
Das Konzept «Trace» vom Studio Ananas Ananas greift dieses Problem auf und macht es erlebbar. Das skulpturale Geschirr besteht aus Edelstahlelementen, verdichteter Erde von ehemaligen Agrarflächen und dehydrierten Austernschalen aus Baja California, Mexiko. Materialien, die direkt mit der Problematik verbunden sind.
Pro Mahlzeit verliert die Erde laut Ananas Ananas etwa drei Kilo fruchtbaren Boden. «Trace» übersetzt diesen unsichtbaren Verlust in Designobjekte, die zum Nachdenken anregen. Polierte Edelstahlflächen spiegeln dabei mehr als nur Licht, sie werfen uns unsere Verantwortung direkt zurück. «Die Überreste einer sich verändernden Landschaft werden neu gedacht und genutzt», erklären die Künstlerinnen.
Auch Wasser ist eine knappe Ressource, deren Verbrauch wir oft unterschätzen. «Für die Produktion von 562 Oliven werden etwa 9 000 Liter Wasser benötigt.» Eine Zahl, die kaum greifbar ist.
Um diesen Wasserverbrauch sichtbar zu machen, hat Ananas Ananas zusammen mit der Design- und Forschungsagentur Parasite 2.0 eine Installation für die MDW geschaffen. Im Zentrum steht Geschirr aus verdichteter Erde, das auf einem schwebenden Organza-Tischtuch ruht – ein Symbol für die Fragilität unserer Ressourcen. Licht fällt auf hochglanzpolierte Edelstahloberflächen, geformt wie die Konturen der Erde, die unsere Verantwortung zurückspiegeln.
Die Installation verdichtet die 9.000 Liter Wasser, die für 562 Oliven benötigt werden, in einem einzigen Designobjekt. Sie thematisiert globale Probleme wie Bodenerosion, Klimawandel und die Konsequenzen unseres Konsums. Der Kontrast zwischen rohen Materialien und glatten Edelstahlflächen schafft einen Dialog zwischen Natur und menschlichem Eingriff.
Hinter «Trace» und «562 Olives» steht der Wunsch, die versteckten Kosten unseres Konsums sichtbar zu machen. Ananas Ananas will nicht nur ästhetische Objekte schaffen, sondern auch Bewusstsein für Umweltfragen wecken.
Der Tisch wird zur Bühne für eine stille, aber eindringliche Botschaft: Wie wir essen, beeinflusst die Welt. Diese Kollektion fordert uns auf, unser Verhalten zu hinterfragen und Verantwortung zu übernehmen. Durch den Einsatz von Materialien, Licht und Symbolik werden diese Projekte zu mehr als Designobjekten – sie sind ein Spiegel unserer Zeit.
Folge mir und bleib dran. Auch das nächste Tischsetting wird stylish, inspirierend und vielleicht sogar appetitanregend.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.