
Hintergrund
Von Vulkanen zu den Alpen – Wenn mexikanisches Design auf die Schweiz trifft
von Pia Seidel
In seinem Studio «Designverse Zürich» verbindet Jean-Paul Brković durchdachtes Design mit nachhaltigen Prinzipien. Unter seiner Marke «DDD» entstehen Produkte, die globale Inspiration mit lokalem Handwerk vereinen.
Jean-Paul Brković ist ein Designer, der Grenzen überschreitet – geografisch wie gedanklich. Aufgewachsen im industriell geprägten Stuttgart, zog es ihn von der Technik zur Kunst: erst nach Pforzheim zum Bachelor-Industriedesign-Studium, dann an die Ecal in Lausanne für den Master. Heute führt er mit Designverse Zürich ein Studio, das für visionäre Ansätze steht. Wie schafft er es, innovative Materialien, Nachhaltigkeit und eine klare Haltung zu vereinen? Ein Gespräch über die Verantwortung des Designs, bewusste Materialwahl und die Bedeutung von Geschichten in der Gestaltung.
Was macht deine Entwürfe besonders?
Für mich steht das Material im Mittelpunkt – es wird zum Star, den ich durch Design inszeniere. Genau das zeigt sich in meiner Möbelserie «Uto», die du in Mailand in der Salone Satellite Ausstellung gesehen hast: Ich verwandle Werkstoffe in neue Formen. Ein Beispiel dafür ist ein Terrazzo-ähnliches Muster, das aus alten Abfallbechern besteht. So wird Umweltbewusstsein im Premiumsegment nicht nur sichtbar, sondern auch inspirierend, ohne erhobenen Zeigefinger.
Woher kommen die Materialien, mit denen du arbeitest?
Ich arbeite unter anderem mit Smile Plastics zusammen, echten Pionieren im Recycling. Die Firma aus Wales recycelt Abfallmaterialien vollständig und stellt daraus Kunststoffplatten her, die zu 100 Prozent recycelbar sind.
Was inspiriert dich an dieser Zusammenarbeit?
Mich inspiriert die Geschichte hinter Materialien und Menschen: zu wissen, woher etwas kommt, wie es verarbeitet wird und ob es ressourcenschonend ist. Die Platten von Smile Plastics haben sich von verspielt und poppig hin zu stilvoll und zeitlos entwickelt – ideal für die Innenarchitektur. Jede Oberfläche erzählt ihre eigene Story – von der schimmernden Folie eines Joghurtbechers bis zu Barcodes.
Wie entsteht gutes Design?
Gutes Design braucht Mut, sich von der Masse abzuheben, und die Fähigkeit, entweder harmonisch in die Umgebung zu passen oder bewusst Neues zu schaffen, das überrascht und inspiriert. Es beginnt mit einer starken Idee, braucht exzellente Umsetzung, das richtige Timing und eine klare Zielgruppe. Unkonventionelles und kleine Makel machen Gestaltung oft erst spannend, vorausgesetzt, Qualität und Anspruch stehen im Fokus.
Beende den Satz «Der Begriff Design …»
… ist mittlerweile so breit gefächert, dass er oft verwässert wirkt. Jemand, der Nail-Art macht, nennt sich genauso «Designer» wie ein Produktentwickler. Das wird dem Anspruch von Design jedoch nicht gerecht. Ein geschützter Titel, ähnlich wie in der Architektur, könnte die Qualität sichern und den Wert der Branche stärken.
Gibt es ein Produkt, das du gerne neu gestalten würdest?
Definitiv. Mit meiner Uto-Serie habe ich den Ulmer Hocker neu interpretiert. Das Original ist ikonisch und zeitlos – es funktioniert auch in 50 Jahren noch. Aber es ist nicht stapelbar und hatte Optimierungspotenzial. Für mich ist das wie Rezitieren: Bestehendes würdigen und gleichzeitig etwas Eigenes schaffen. Picasso hat schliesslich auch so gearbeitet.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Mein Stil ist offen und neugierig. Alles inspiriert mich – von der Textur einer Feile bis zur Form eines Alltagsobjekts. Manchmal denke ich: «Das wäre perfekt für ein Projekt». Vielleicht sogar für ein Birkenstock-Redesign.
Welche Entwicklungen siehst du kritisch in der Designszene?
Das ständige Nachlaufen von Trends nervt. Minimalismus ist ein gutes Beispiel: Alles muss reduziert und «cool» sein, sonst gilt es nicht als hip. Dabei ist Gestaltung viel individueller. Der Trendwahn fördert Massenproduktion und minderwertige Produkte. Langlebige, durchdachte Designs sind hingegen die bessere Alternative.
Hast du einen Tipp für bewussteren Konsum?
Ganz einfach: Kauf dir das geile Zeug. Investiere in hochwertige Produkte, die lange halten, statt ständig billige Alternativen zu kaufen. Ein gutes Messer ist ein gutes Beispiel. Warum solltest du dich mit einem billigen Messer abmühen, das nach zwei Schnitten stumpf wird? Qualität zahlt sich aus, und du brauchst weniger.
In dieser Beitragsreihe beantworten Designerinnen und Designer Fragen rund um das Thema Design und gewähren Einblicke in ihre kreative Welt und Arbeitsweise.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.