Wir feiern 10 Jahre Galaxus – ein Gespräch mit zweien, die beim Launch dabei waren
Hinter den Kulissen

Wir feiern 10 Jahre Galaxus – ein Gespräch mit zweien, die beim Launch dabei waren

Vor zehn Jahren haben Florian Teuteberg und Martin Walthert als Geschäfts- bzw. Marketingleiter das Online-Warenhaus Galaxus mitlanciert. Im Interview blicken sie zurück auf bockige Hersteller, veraltete Systeme und einen kometenhaften Aufstieg.

Hallo Florian, hallo Martin. Wir feiern zehn Jahre Galaxus. Was war im Jahr 2012 neu am Konzept eines Online-Warenhauses?
Martin Walthert: Onlineshops mit einem breiten, umfassenden Sortiment konnte man vor zehn Jahren weltweit fast an der Hand abzählen. In der Schweiz waren wir die ersten mit einem solchen Angebot.

Wieso kam uns keiner zuvor?
Florian Teuteberg: Spezialisten in ihren Warenbereichen gab es bereits – mit digitec waren wir einer davon. Aber ein Online-Warenhaus, bei dem man alles unter einem Dach kaufen kann, das gab es damals noch nicht. Eine solche Plattform aufzubauen war und ist sehr aufwändig. Einerseits muss man die technischen Fähigkeiten und Systeme haben, um ein so umfangreiches Sortiment effizient zu bewirtschaften, andererseits muss man mit hunderten von Lieferanten über alle Branchen Geschäftsbeziehungen aufbauen. Das braucht viel Arbeitskraft und viel Ausdauer.

Galaxus hiess ganz zu Beginn noch «Gerda Home» und war auf Haushaltsprodukte wie Kaffeemaschinen oder Putzlappen spezialisiert. Wieso gerade Haushaltsprodukte?
Martin: Mit digitec kommen wir ja aus der IT- und Heimelektronik-Ecke. Lieferanten, die solche Produkte im Angebot hatten, führten oft auch Haushaltsprodukte im Sortiment. Da war es naheliegend, dass wir uns zunächst in diese Richtung erweitern würden.

Und wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Martin: (lacht) «Gerda Home» sollte das Tante-Emma-Gefühl rüberbringen, natürlich mit einem Augenzwinkern.

Florian: Wir wollten uns bzw. unsere Marke nahbar machen. Während digitec technisch und kühl war, wollten wir mit Gerda Home bzw. mit Galaxus eine zugängliche, persönlich aufgeladene Umgebung schaffen.

Angestaubt: So sah der Galaxus-Vorgänger Gerda Home aus
Angestaubt: So sah der Galaxus-Vorgänger Gerda Home aus

Wieso habt ihr den Namen nachträglich auf Galaxus geändert?
Martin: «Gerda Home» war natürlich eine blödsinnige Idee, nicht nur wegen der Anlehnung an ein sexistisches Rollenbild, das inzwischen als noch problematischer aufgefasst würde als vor zehn Jahren. Der Name passt zudem nicht zu Produkten wie Sportschuhen, Rasenmähern oder Mountainbikes. Und auch nicht zu einem internationalen und mehrsprachigen Onlineshop.

Galaxus im Jahr 2012
Galaxus im Jahr 2012

digitec war in der Schweiz damals schon eine starke Marke. Wieso brauchte es mit Galaxus einen zweiten Shop?
Martin: digitec ist eine wunderbare Marke, die sich bestens zum Verkauf elektronischer und digitaler Produkte eignet. Aber wer kommt schon darauf, für den neuen Fashion-Sneaker oder die Bettwäsche einen Shop namens «digitec» aufzusuchen? Eine solche Sortimentserweiterung unter digitec hätte ausserdem die Kompetenz der Marke in ihren Kerngebieten stark verwässert und die bestehende treue Kundschaft vor den Kopf gestossen.

Florian: Hinzu kommt, dass digitec sowohl als Marke wie auch als Domain-Name in den meisten Ländern schon vergeben war. Wir brauchten also einen Namen, der sich international schützen liess.

Zwei Marken bedeuten auch einen doppelten Werbeaufwand. Hat sich das gelohnt?
Martin: Auf jeden Fall! digitec und Galaxus haben eine andere Zielgruppe, eine andere Tonalität und damit auch ein anderes Image. Mit digitec können wir das Feld der hohen Technikkompetenz gut besetzen, da dies kein Konkurrent mehr ernsthaft tut.

Heute ist Galaxus auch für seine Werbung bekannt. Was ist der Leitgedanke hinter den humorvollen, teils sogar anstössigen Plakaten, Bannern und TV-Spots?
Martin: Unsere Kampagnen verbindet, dass wir die Grenzen der gewohnten Werbewelten ausloten und auch mal überschreiten, dass wir Sehgewohnheiten brechen und dass wir überraschen oder irritieren. Dabei wollen wir mit Authentizität, Humor und Sympathie für die Lebensrealität eine menschlich-emotionale Nähe herstellen. Damit unterscheiden wir uns wesentlich von den hochautomatisierten, technokratisch-anonymen Plattformen, die es international sonst noch gibt.

Eine Galaxus-Werbung aus dem Jahr 2018

Nach der Kategorie Haushalt kamen in kurzer Abfolge Produkte für den Garten und für Heimwerker hinzu, sowie Spielwaren, Sportartikel und das IT- und Elektronik-Sortiment von digitec. Was war die Überlegung hinter dem anfänglichen Sortiment?
Florian: Wir wollten unserer Kundschaft möglichst rasch ein möglichst breites Sortiment bieten. Wir haben dann in kurzen Abständen eine Warengruppe nach der anderen gestartet.

Wie kam das bei der Kundschaft an?
Florian: Anfangs hatten wir einfach alles in den Shop gestellt, was wir von unseren Lieferanten bekommen hatten – auch wenn die Produktdaten, die Verfügbarkeit oder die Preise nicht optimal waren. Wir sahen dann aber rasch, dass es nichts bringt, wenn wir wahllos Sortimente einspielen. Wir mussten also unser Category Management massiv ausbauen, um all die Warengruppen in einer guten Qualität bewirtschaften zu können. Ausserdem mussten wir unsere Lagerkapazitäten ausbauen, damit gefragte Produkte auch verfügbar und schnell lieferbar sind.

2012 stieg der Detailhändler Migros mit einer Minderheitsbeteiligung von 30 Prozent bei Digitec Galaxus ein. Wie hing das mit der Geburt von Galaxus zusammen?
Florian: Nach dem Start von Galaxus hatten wir gesehen, dass massive Investitionen nötig waren, um all die neuen Kategorien in adäquatem Tempo aufzubauen, die Lagerkapazitäten zu erweitern und die neue Marke Galaxus der ganzen Schweiz bekannt zu machen. digitec war zwar profitabel, aber die Gewinne hätten nicht gereicht, um das Wachstum bei Galaxus zu finanzieren. Somit machten wir uns auf die Suche nach einem Investor, der unsere Vision teilt und die finanzielle Kraft hat, um ein solches Projekt zu stemmen. Mit der Migros haben wir die perfekte Partnerin gefunden: Sie teilt mit uns die langfristig ausgerichtete Denkweise. Sie hat mit Darlehen das Wachstum unterstützt und uns dabei alle unternehmerischen Freiheiten gelassen.

Florian, was sind deine schönsten Erinnerungen aus den Anfangszeiten von Galaxus?
Florian: Zu sehen, dass unsere Idee auf fruchtbaren Boden gestossen ist. Jedes Produkt und jede Produktkategorie hat in kürzester Zeit Traktion gekriegt. Das Bedürfnis nach einer neuen Plattform war offensichtlich vorhanden. Es freut mich auch, dass ich endlich meine persönlichen Bedürfnisse auf einem vernünftigen Shop erfüllen konnte (lacht).

Was waren weniger schöne Momente?
Florian: Galaxus war nicht nur ein neuer Online-Shop, dahinter hing auch eine komplett neue Systemumgebung: Wir wollten bzw. mussten nach etwa zehn Jahren das komplett veraltete System von digitec ablösen. Für das neue System hatten wir Galaxus sozusagen als Testplattform verwendet, weil das Volumen da viel kleiner war als bei digitec. Diese eigene, komplette Neuentwicklung des ganzen Systems, vom ERP bis zum Online-Shop, war aber ein Monsterprojekt, das uns fast das Genick gebrochen hätte.

Wieso das?
Wir mussten über mehrere Jahre mit zwei Systemen parallel arbeiten, wobei das Galaxus-System anfangs wirklich eine Krücke war: Es war voller Fehler und ineffizient in der Bedienung. Und bei digitec hatten wir einen Innovationsstau über mehrere Jahre, da alle Ressourcen in die neue Plattform flossen. Der Umstieg von digitec auf das neue Galaxus-System war ein Schmerz für die ganze Firma, aber dann auch die Erlösung. Danach konnten wir digitec und Galaxus auf einer Plattform effizient weiterentwickeln.

Was hattet ihr sonst noch unterschätzt?
Florian: Wir waren davon ausgegangen, dass die Hersteller uns mit offenen Armen empfangen würden. Die meisten von ihnen wollten aber erst einmal gar nichts mit uns zu tun haben. Entweder hatten sie tatsächlich nicht an die Zukunft des Online-Geschäfts geglaubt. Oder sie wollten die stationären Händler schützen und uns kleinhalten. Wir waren etwas desillusioniert, dass sich der Widerstand aus den Anfangszeiten von digitec wiederholte. Für uns war es aber offensichtlich, dass unsere Kundschaft nicht nur Elektronik-Produkte online einkaufen wollte. Wir mussten also kreativ werden und wieder viele Produkte per Grauimport beschaffen. Direkte Partnerschaften mit den Herstellern zu knüpfen ist aufwändig, die Arbeit dauert bis heute an.

Digitec Galaxus hat 2021 über zwei Milliarden Franken Umsatz geschrieben und beschäftigt inzwischen mehr als 2500 Mitarbeitende. Welche Ziele hattet ihr vor zehn Jahren vor Augen?
Florian: 2012 schrieben wir mit digitec etwa 500 Millionen Franken Umsatz. Nach einer kurzen Anlaufphase mit Galaxus hatten wir uns 2014 zusammen mit der Migros vorgenommen, bis 2018 die Umsatzmilliarde zu knacken. Das war damals eher eine Vision als ein konkretes Ziel, aber wir haben es mit 992 Millionen Franken fast geschafft.

Und welche Ziele hat Galaxus heute?
Martin: Wir wollen europaweit zu den führenden Onlinehändlern gehören.

2016 wurde Galaxus zum Marktplatz. Inzwischen bieten mehrere Hundert Händler ihre Produkte der Galaxus-Kundschaft an. Hattet ihr nie die Befürchtung, die Kontrolle zu verlieren?
Martin: Natürlich war die Öffnung unserer Plattform mit einem Kontrollverlust verbunden, sei es hinsichtlich Produktbeschreibungen, Preisgestaltung oder Lieferfristen. Wir bewirtschaften über vier Millionen Artikel weitgehend automatisiert und es hat an diversen Orten noch Baustellen, die manchmal recht weh tun. Da können wir noch nicht zufrieden sein, deshalb arbeiten wir mit hoher Priorität daran, die Qualität unserer Produktdaten auch in der Tiefe des schnell wachsenden Sortiments zu verbessern.

Seit Ende 2018 gibt es Galaxus auch in Deutschland, und seit 2021 in Österreich. In welchen Ländern werden wir im Jahr 2032 bei Galaxus shoppen können?
Martin: Vermutlich in allen Ländern der EU.

Und in Grossbritannien?
Florian: Vielleicht auch da.

Wie schätzt ihr das Marktpotenzial von Galaxus in der Schweiz ein?
Florian: Nach wie vor sehr gross: Noch immer werden hier erst 20 Prozent aller Non-Food Produkte online gekauft. Ich sehe da ein Potential von mindestens 50 Prozent, wie wir es in einigen weiter entwickelten Produktkategorien bereits sehen.

Galaxus hat in Deutschland und Österreich letztes Jahr die 100-Millionen-Euro-Umsatzgrenze geknackt. Hat euch das Wachstumstempo überrascht?
Martin: Das Wachstum lag ziemlich genau im Mittel der ambitionierten Schätzungen, die wir mal in der Geschäftsleitung eher aus Spass abgegeben hatten. Wir sind also schon erfreut, aber nicht komplett überrascht.

Was sind die nächsten Schritte in Deutschland und Österreich?
Martin: In Deutschland beginnen wir nun damit, die Marke aufzubauen und dazu grössere Image-Kampagnen zu lancieren. In Österreich werden wir weiter testen und beobachten und zu einem geeigneten Zeitpunkt mehr investieren.

Welchen Weg nimmt Galaxus in Sachen Nachhaltigkeit?
Florian: Ein nachhaltiger Umgang mit Umwelt und Menschen ist für uns selbstverständlich. Auf allen Ebenen richten wir unser Handeln zunehmend auf einen langfristig verträglichen Umgang mit Ressourcen aus. Dies umfasst unseren eigenen Betrieb, vor allem möchten wir es aber auch den Kundinnen und Kunden ermöglichen, nachhaltiger einzukaufen.

Galaxus lebt von seiner Shopping-Community, die Produkte bewertet, Fragen stellt oder Reviews der Redaktion kommentiert. Gibt es etwas, das ihr der Community sagen möchtet?
Martin: Ein riesiges Dankeschön! Unsere Community bringt leben in unsere Shops und macht die per se technischen Shopping-Plattformen menschlich und erlebbar. Zudem ist die Community für viele Hilfesuchende eine riesige Unterstützung, weil sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenseitig mit Kompetenz und Know-how unterstützen.

Florian: Ohne euch wäre Galaxus heute nicht das, was es ist. Auch von mir herzlichen Dank!

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Alex Hämmerli
Senior Public Relations Manager
alex.haemmerli@digitecgalaxus.ch

Ich bin bei Galaxus und Digitec zuständig für den Austausch mit Journalistinnen und Bloggern. Gute Geschichten sind meine Leidenschaft, deshalb bin ich immer auf dem neusten Stand.


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