Allergie: Ja. Haustier: Ja. So kann es funktionieren
Hintergrund

Allergie: Ja. Haustier: Ja. So kann es funktionieren

Bitte, bitte, bitte ein Haustier! Für allergische Eltern (oder Kinder) ist der Tierwunsch nur schwer zu erfüllen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Zusammenleben mit Hund oder Katze trotzdem gelingen.

Der unerfüllte Wunsch nach einem Haustier kann wehtun. Allergien gegen tierische Freunde stellen dich vor schwierige Entscheidungen, gebrochene Herzen und traurige Kinderaugen.

Klar, Allergien musst du ernst nehmen. Im schlimmsten Fall ist jeder Kontakt mit dem Tier eine Herausforderung für dein Immunsystem und eine Belastung für deine Gesundheit.

Dennoch: Wenn sich der sehnliche Wunsch nach einem Hund oder einer Katze nicht stillen lässt, gibt es Tipps für das Zusammenleben. Darüber habe ich mit Allergie-Expertin Nadia Ramseier vom Aha! Allergiezentrum Schweiz gesprochen und im Ratgeber «Diagnose Katzenhaarallergie. Wie kann ich meinen Liebling trotz Allergie behalten?» von Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann nachgelesen. Der Allergologe und Lungenfacharzt an der Berliner Charité ist auch Klinischer Direktor der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF).

Sensibilisiert auf Tierhaare heißt nicht zwingend, dass man eine Allergie entwickelt

Medizinisch scheint der Fall bei Tierallergie klar: Im Allergiefall muss das Tier den Haushalt verlassen und ein neues Zuhause gesucht werden. Eine besonders heikle Situation für alle, bei denen sich die Allergie auf die geliebte Katze plötzlich entwickelt. «Eine Allergie kann spontan auftreten – auch nachdem jemand bereits längere Zeit mit einem Haustier zusammengelebt hat», sagt Ramseier. Warum das so ist, sei nicht endgültig geklärt.

Umgekehrt entwickelt allerdings nicht jeder, der auf Tierhaare sensibilisiert ist, automatisch eine Allergie. Dein Prick-Test auf Tierhaar war positiv? Experte Bergmann beruhigt: Antikörper auf Katzenallergene lassen sich auf der Haut oder über das Blut nachweisen – aber: «Man kann diese Antikörper auch ohne Symptome haben. Für diese Personen gibt es gar kein Problem mit einem Haustier.»

Von 100 Erwachsenen mit nachgewiesener Sensibilisierung seien sogar 50 Prozent «klinisch stumm sensibilisiert», schreibt er in seinem Ratgeber. Sensibilisiert auf Tierhaare ist also nicht das Gleiche wie eine Allergie. Nur wenn positives Testergebnis plus Symptome an Nase, Augen oder Bronchien hinzukommen, spricht man von Allergie.

Allerdings: Es lässt sich nicht vorhersagen, ob sich eines Tages nicht doch eine Allergie entwickelt. Man kann ein Leben lang beschwerdefrei bleiben – oder eines Tages doch schwer auf das Tier reagieren. Du wirst die Situation immer individuell betrachten müssen. Doch Prof. Bergmann gibt Hoffnung: «Es ist heute fast immer möglich, bei einer Katzenallergie eine für Mensch und Tier vernünftige Lösung zu finden.»

Haustier trotz Allergie: Risiko für Betroffene

Auf jeden Fall braucht es bei der Kombination «Haustier trotz Allergie» eine gute Unterstützung durch ein Allergologie- und Lungenarzt-Team. Denn die Gefahr beim Aufkommen einer Allergie ist immer der sogenannte «Etagenwechsel»: Einen Wechsel von den oberen in die unteren Atemwege – dem allergischen Asthma. Eine Erkrankung, bei der die Atemwege dauerhaft entzündet sind und die Bronchien sehr empfindlich auf Umweltallergene reagieren. In der Schweiz leidet jedes zehnte Kind und jeder 14. Erwachsene an der chronischen Atemwegserkrankung, die man aktuell zwar gut behandeln, aber nicht heilen kann.

Bei schwerem Asthma eines oder mehrerer Familienmitglieder werden vermutlich die meisten Fachleute raten, das Allergen zuhause ganz zu vermeiden – und kein eigenes Tier anzuschaffen.

Wie Haustiere Kinder vor Allergien schützen

Gerade Kinder wünschen sich oft sehnlichst ein Haustier. Die positive Nachricht: «Kinderärzte und Allergologen haben in den letzten 10 Jahren umgelernt. Sie warnen nicht mehr vor der Anschaffung von Katzen oder auch Hunden, um eine Allergie gegen die Tiere selbst oder andere Allergien zu vermeiden. Man ist viel gelassener geworden. Warum? Ärzte und hier speziell Kinderärzte und Allergologen haben gelernt, dass der frühe und häufige Kontakt zu Allergenen dazu führen kann, dass man diese eher toleriert, als wenn man nur selten mit ihnen in Kontakt kommt.» Diese Zeilen aus Prof. Bergmanns Buch stimmen hoffnungsvoll.

Tatsächlich haben Forschende in einer großen europäischen Studie mit 22 000 Kindern festgestellt: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Halten von Tieren wie Hund oder Katze im frühen Lebensalter (bis zum zweiten Lebensjahr) und dem Auftreten von Asthma oder allergischem Schnupfen im Alter zwischen 6 und 10 Jahren. Und eine Pollenallergie trat bei Kindern, die in einem Haushalt mit Katze(n) aufgewachsen waren, sogar seltener auf.

Haustier trotz Allergie: Tipps vor dem Einzug

Du möchtest es trotz Tierallergie mit einem Haustier versuchen? Wichtig ist, wie schon erwähnt, diesen Weg unbedingt mit fachkundigen Ärztinnen oder Ärzten zu gehen.

1. Allergologische Abklärung

Generell gilt: Liegen in deiner Familie keine Allergien vor, kannst du ohne spezielle Maßnahmen ein Haustier halten. Anders ist das, wenn Allergien im familiären Umkreis bekannt sind oder du selbst daran leidest. Denn: «Sind Allergien wie zum Beispiel Heuschnupfen bekannt, ist das Risiko erhöht, weitere Allergien zu entwickeln», sagt Ramseier. Wenn du dir unsicher bist, ist eine Beratung mit deiner Allergologin, deinem Allergologen also durchaus sinnvoll.

Nun gibt es – wie gegen Pollenallergie – auch bei Tierhaarallergien die Möglichkeit, diese mit einer allergenspezifischen Immuntherapie (AIT), auch Densensibilierung genannt, zu therapieren. Dabei wird der Erreger über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren in kleinen Dosen gespritzt, um das Immunsystem langsam daran zu gewöhnen.

Diese Therapieform stand in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik, das Immunsystem zu stark mit dem Allergen zu belasten. «Von der Immuntherapie abzuraten, beruht auf alten Ängsten», erklärt Mediziner Bergmann. Denn die modernen Impfstoffe mit den sogannten Katzenhaar-Depigoiden gelten als sicher – erst recht, wenn sie sublingual, also in Form von Tropfen oder Tabletten, eingenommen und nicht gespritzt werden.

Sofern diagnostisch vorab abgeklärt wurde, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Immuntherapie gegeben sind, ist sie für Bergmann ein durchaus gangbarer Weg. In seinem Ratgeber heißt es: «Durch eine Immuntherapie VOR dem Erwerb einer Katze könnte man einen Versuch wagen. Sobald Sie bei Katzenkontakt keine oder kaum noch Beschwerden haben, könnte die eigene Katze kommen. Die Immuntherapie sollten Sie auch fortsetzen, wenn die Katze im Haus ist.»

2. Tier vorher besuchen

Wie stark du auf welches Tier reagierst, ist sehr individuell und kann in einem Versuch-und-Irrtum-Prozedere vor dem Einzug erprobt werden.

«Grundsätzlich treten allergische Reaktionen häufiger bei Katzen als bei Hunden auf. Der Grund für diesen Unterschied ist nicht bekannt», sagt Expertin Ramseier. «Die Allergenbelastung variiert von Rasse zu Rasse. Generell scheiden weibliche Katzen und kastrierte Kater weniger Allergene über Hautschuppen, Speichel, Haare, Urin oder Tränen aus. Und kurzhaarige Hunde produzieren mehr Allergene als langhaarige.»

Um deine Reaktion vorab einschätzen zu können, rät die Expertin, das Tier zunächst öfter zu besuchen oder es sogar probeweise in die Wohnung zu holen. Treten keine Beschwerden auf, ist das Risiko einer späteren Allergieentwicklung zwar nicht gleich Null. Aber wahrscheinlich verträgst du das Tier ganz gut. Expertin Ramseier gibt aber zu bedenken: «Es gibt derzeit keine Hunde- oder Katzenrasse, die hypoallergen ist und uneingeschränkt für Allergikerinnen und Allergiker empfohlen werden kann.»

Behandlung zuhause: Was du tun kannst

Es ist immer eine individuelle Frage, mit welchen Symptomen und wie stark du auf Tierallergene reagierst. Und wie sehr du gewillt bist, sie in Kauf zu nehmen. Hast eine nachgewiesene Tierhaarallergie und willst du trotzdem ein Tier halten, brauchst du wie gesagt eine gute allergologische und/oder lungenärztliche Begleitung. Alle anderen minder Allergiegeplagten können folgende Methoden zuhause ausprobieren, um Tierallergene zu reduzieren und Allergiesymptome abzuschwächen.

1. Tabuzonen fürs Tier

Wer trotz Tierallergie ein Haustier halten möchte, sollte den Zugang zur Wohnung begrenzen. Erkläre gewisse Wohnbereiche zur Tabuzone für Hund und Katze, damit sich ihre Allergene nicht ungehindert in der ganzen Wohnung verbreiten. Wenn du die Möglichkeit hast, kannst du das Tier auch ganz im Freien halten und es dem Tier dort so schön wie möglich machen. Hunde haben ein geringeres allergenes Potential als Katzen.

Wenn du das nicht willst, lass dich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ein: Kein Haustier im Schlafzimmer. Hier sollst du dich erholen, gut durchatmen und einen ungestörten Schlaf genießen können.

2. Hygiene, Hygiene, Hygiene

Auch wenn Allergene des Haustiers sehr penetrant sind: Auf eine gute Hygiene im Haushalt zu achten kann dabei helfen, die Allergenbelastung zu reduzieren. Expertin Ramseier empfiehlt: «Waschen Sie sich nach jedem Kontakt mit dem Tier die Hände und überlassen Sie die Reinigung der Ruhe- und Futterplätze anderen, nicht-allergischen Personen.»

Auch die Anschaffung abziehbarer, waschbarer Sofabezüge kann langfristig das Zusammenleben erleichtern. Reinige außerdem Staubfänger wie Teppiche oder Vorhänge regelmäßig oder entferne sie ganz. Böden in der Wohnung idealerweise feucht wischen – bei Teppichen ist ein Waschsauger für feuchtes Saugen sinnvoll und in den Staubsauger gehört ein spezieller HEPA-Filter. Häufiges Lüften, ein Luftreiniger ebenfalls mit HEPA-Filter und regelmäßige feuchte Reinigung aller Oberflächen sollte für Menschen mit Tierhaarallergie und Tier zuhause zum Regelfall gehören.

Idealerweise wischt zudem ein nicht-allergisches Familienmitglied Hund oder Katz jeden Tag mit einem feuchten Tuch ab. Manche Katzen tolerieren sogar ein wöchentliches Waschen (Hunde sowieso). Plus: Rauchen zuhause besser vermeiden, denn es verstärkt die Allergiesymptome.

3. Medikamente

Die moderne Medizin hat Lösungen für Betroffene parat, sagt Ramseier: «Bestehen trotz aller Maßnahmen zur Allergenreduktion nach wie vor Beschwerden, können die laufende Nase, die juckenden Augen oder die Niesattacken mit Antihistaminika gelindert werden. Die gibt es in Tablettenform, als Nasenspray oder als Augentropfen.»

Experte Bergmann verweist auf eine recht neue Behandlungsmöglichkeit: Eine Lutschtablette gegen allergische Rhinitis, ausgelöst u.a. durch Tierhaar. Auch «Kuhstallpille» genannt und an der MedUni Wien um das Team der klinischen Immunologin Erika Jensen-Jarolim entwickelt.

In einer Expositionskammer-Studie der Berliner Charité von 2022 (Publikation steht noch aus) zeigte sich: Tierhaarallergiker konnten dank der Lutschtablette nach drei Monaten ihre Beschwerden um rund 40 Prozent reduzieren – sogar ohne zusätzliche Medikamente einzunehmen.

«Bestehen trotz Medikamenteneinnahme und aller Maßnahmen zur Allergenvermeidung weiterhin Beschwerden, empfehlen wir das Haustier neu zu platzieren und die Wohnung gründlich zu reinigen – so schwer es auch fällt», gibt Expertin Ramseier ihre Empfehlung ab.

Titelfoto: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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