Apple Arcade: Da werd sogar ich als Android-User neidisch
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Apple Arcade: Da werd sogar ich als Android-User neidisch

Mit Apple Arcade bekommst du für sechs Franken, beziehungsweise fünf Euro, im Monat Zugriff auf 100 ausgewählte Spiele auf all deinen Apple-Geräten. Ich habe das Angebot ausprobiert und versucht rauszufinden, ob und für wen sich das Abo lohnt.

Keine Werbung, keine In-App-Käufe – stattdessen gibt es eine kuratierte Spielebibliothek. Das verspricht Apple Arcade. Seit Donnerstag ist das Spiele-Abo für iPhones verfügbar. iPad, Apple TV etc. folgen offiziell Ende Monat. Du erhältst damit uneingeschränkten Zugriff auf 100 ausgewählte Spiele. Apple spricht von exklusiv, was nicht ganz der Wahrheit entspricht, aber dazu später mehr.

Apple Arcade findest du als zusätzlichen Menüpunkt im App Store. Der erste Monat ist gratis, danach bezahlst du sechs Franken oder fünf Euro monatlich. Mit Family Sharing kannst du das Abo sogar mit bis zu fünf Mitgliedern teilen.

Nur bedingt exklusiv

Über 100 Spiele sollen dir zur Auswahl stehen. Aktuell zähle ich 71. Jeden Monat sollen neue folgen. Apple wirbt mit der Schlagzeile «exklusiv». Allerdings bezieht sich das nur auf Android. Denn viele der Spiele sind auf anderen Plattformen wie Switch, PC oder PS4 ebenfalls verfügbar. Im Mobile-Bereich hat sich Apple hingegen die Exklusiv-Rechte erkauft, weshalb Spiele wie «Oceanhorn 2» nun nicht mehr im Play Store zu finden sind. In absehbarer Zeit – und wir reden hier möglicherweise von Jahren –, werden die Spiele auch nicht mehr separat im App Store oder anderswo zu kaufen sein.

Egal, wie exklusiv die Spiele nun sind oder nicht, die Auswahl kann sich sehen lassen. Auf viele davon wie «Overland» oder «What the Golf» hatte ich seit längerem ein Auge geworfen.
Apple hat mit einer Investition von 500 Millionen Dollar aktiv mitgeholfen, dass die Spiele nicht bloss guter Durchschnitt sind. Auch Jeremy Spillmann von den Zürcher Blindflug Studios, die mit «Stellar Commander» ebenfalls ein Spiel in Apple Arcade haben, bestätigt auf Rückfrage, dass sich Apple aktiv am Entwicklungsprozess beteiligt habe. Finanziell dürfte sich der Exklusiv-Deal wohl rechnen. Ursprünglich war «Stellar Commander» nämlich auch für Android geplant. Jeremy bekräftigt aber, dass es auch darum ging, gemeinsam mit Apple langfristig ein Universum aufbauen zu können und am Launch einer brandneuen Plattform dabei zu sein.

Neben Blindflug sind Sunnyside Games aus Lausanne mit «Towaga» und Rosie Reality aus Zürich mit einem noch nicht veröffentlichten Titel vertreten.

Wie sind die Spiele?

Ich hab nicht alle, aber doch viele der verfügbaren Spiele ausprobiert. Und zwar auf einem iPad Mini. Bei vielen davon wäre ich durchaus bereit gewesen, auch einen Fixpreis zu bezahlen. Umso erfreulicher, wenn ich sie alle für sechs Franken, respektive fünf Euro, erhalte. Für jedes Spiel gibt es ein kurzes Vorstellvideo. Dafür ist die Sortierungsfunktion noch etwas dürftig. Es gibt mehrere nicht besonders hilfreiche Kategorien wie «Hier wird es wild» oder «Nur auf Arcade». Falls letzteres die wirklich exklusiven Spiele beschreiben soll, wären es zehn. Eine Suchfunktion fehlt ebenfalls.

Aktuell musst du also noch selber auf Entdeckungsreise gehen. Hier sind meine bisherigen Highlights.

«Over the Alps»
Die Entwickler beschreiben es als eine Mischung aus «80 Days» und «Grand Budapest Hotel». Ich liebe das Spiel und mag den Film. Optimale Voraussetzung also für «Over the Alps». Es ist ein Adventure-Spiel, wo du in Dialogen die Antworten bestimmst und wohin die Reise geht. Du reist in diesem Spionage-Abenteuer nämlich quer durch die Schweiz von 1939. Der Zweite Weltkrieg ist gerade ausgebrochen und du versuchst der hiesigen Polizei immer einen Schritt voraus zu sein. Wunderhübsche Postkarten-Optik und eine spannende Geschichte.

«Overland»
«Overland» ist ein rundenbasiertes Survival-Spiel. Ziel ist es, eine Gruppe Überlebender durch ein postapokalyptische Welt voller Gefahren zu navigieren. Jeder Level besteht aus einem kleinen quadratischen Spielfeld. Mit deinen begrenzten Spielzügen suchst du die Levels nach Ressourcen ab, wie Benzin für das Auto oder Waffen, um fiese Kreaturen zu bekämpfen. Letztere schleichen nämlich ebenfalls durch die Gegend und versuchen dir deinen Roadtrip zu vermiesen.

«Skate City»
Skategames gibt es viel zu wenige. Darum freue ich mich auf jeden Neuzugang. «Skate City» hat eine simple Steuerung, um Tricks zu machen. Die Grafik ist schlicht, aber schick und der Soundtrack lädt zum Kopfnicken ein. Was willst du mehr?

«What the Golf»
Ein Golfspiel, bei dem du meist alles, ausser Golfbälle verschiesst. Zum Beispiel Häuser oder dich selbst. «What the Golf» ist ein lustiges Physik-Puzzle-Game, wo in jedem Level neue verrückte Miniaufgaben auf dich warten. Kurzweilig, aber unterhaltsam.

«The Pinball Wizard»
Statt eine Kugel schleuderst du in «The Pinball Wizard» einen Zauberer übers Spielfeld. Dabei geht es weniger um Highscores als darum, alle Gegner auf dem Spielfeld abzuschiessen. Gegner hinterlassen Beute, mit der du neue Fähigkeiten freischalten kannst. Mit dem ersten Skill kannst du beispielsweise mitten im Spielfeld schnell die Richtung wechseln.

«Cat Quest II»
Ein knuffiges Fantasy-Rollenspiel, wo du zwei Katzenkönige auf einer abenteuerlichen Reise begleitest. Du verprügelst allerhand fieses Gesindel, sammelst bessere Ausrüstung und lernst neue Zaubersprüche. Die Grafik ist zum Anbeissen und das Gameplay zugänglich und motivierend.

Wie spielt’s sich mit Controller?

Seit kurzem kannst du deinen PS4- oder Xbox-Controller mit Apple-Geräten verbinden. Das ist insbesondere in Kombination mit einem Apple TV praktisch, aber dort ist wie erwähnt Apple Arcade aktuell noch nicht verfügbar. Die Koppelung geht theoretisch ganz leicht, indem du beim Dualshock Share- und Playstation-Button gleichzeitig drückst, bis das Licht weiss blinkt. Anschliessend klickst du bei deinem Apple-Gerät in den Bluetooth-Einstellungen auf Verbinden. Beim Xbox-Controller ist es der Pairing-Button zusammen mit der Xbox-Taste. Letzteres wollte bei mir nicht auf Anhieb funktionieren, weshalb ich beim Dualshock geblieben bin.

Man merkt, dass Apple klare Vorgaben gemacht hat, dass alle Titel sowohl mit Touch als auch Controller spielbar sein müssen. Alle von mir getesteten Spiele waren problemlos mit beiden Steuerungen spielbar. Erwartungsgemäss sind 3D-Rollenspiele wie «Oceanhorn 2» deutlich angenehmer mit dem Controller. Das Adventure «Over the Alps», wo du nur wenig interagieren musst, ist hingegen angenehmer per Touch. Ebenfalls «Grindstone», wo du per Touchsteuerung viel besser den Weg deiner Figur einzeichnen kannst als per Controller. Dieses Spiel ist ohnehin für’s iPhone-Bildformat optimiert. Auf dem iPad gibt es Balken links und rechts vom Spielfeld. Die meisten Titel in der Arcade-Bibliothek sind eindeutig für Touchbedienung konzipiert.

Was mir persönlich aufgefallen ist: Sobald ich mit dem Controller spiele, betrachte ich Spiele anders. Dann verlieren sie für mich den Status als Gelegenheitsspiele und ich vergleiche sie eher mit Konsolen- oder PC-Spielen. Und gerade bei Titeln wie «Oceanhorn 2» frage ich mich dann, wieso ich nicht gleich das deutlich bessere «Zelda Breath of the Wild» spiele.

Fazit: Für wen ist das Ganze?

Mir ist nicht ganz klar, auf welche Zielgruppe Apple Arcade zielt. Für Gelegenheitsspieler ist der Preis vermutlich zu hoch und die Spiele zu anspruchsvoll. Denn simple Match-3-Spiele im Stil eines «Candy Crush» gibt es erwartungsgemäss nicht und das Free-to-Play-Angebot lockt im App Store weiterhin.

Für Leute wie mich, die auch Mobile immer auf der Suche nach neuen guten Spielen sind, und auch bereit sind, Geld dafür auszugeben, ist Apple Arcade interessanter – auch wenn die Spiele nicht so exklusiv sind, wie Apple behauptet. Allerdings besitze ich kein Apple-Gerät und ein bisschen eifersüchtig bin ich schon. Und ob Google mit einem angeblich ähnlichen Projekt Play Pass mitziehen kann, bezweifle ich.

Eine weitere Zielgruppe könnten Familien sein, die einen Account mit ihren Kindern teilen und bereit sind, Geld für kuratierte und qualitativ hochwertige Spiele auszugeben. Apple Arcade ist definitiv ein Gütesiegel für eine gewisses Niveau und bei den aktuell 71 Spielen ist für fast jeden etwas dabei. Ausserdem musst du dir keine Sorgen um In-App-Käufe oder Werbung machen.

Wenn du bereits ein Apple-Gerät besitzt, lohnt es sich definitiv den Gratismonat auszuprobieren. Nicht jedes Spiel spielt sich allerdings überall gleich gut. Gewisse Titel wie «Oceanhorn 2» sind für Controller und damit den Fernseher besser geeignet. Dann muss sich Apple Arcade allerdings auch dem Konsolen-Vergleich stellen. Denn wenn du einen PS4-Controller besitzt, hast du tendenziell auch die dazugehörige Konsole. Also wieso nicht direkt auf PS4 und Co. spielen? Dort ist die Auswahl noch grösser und die Qualität ebenso. Ausserdem gibt es mit dem Xbox Game Pass oder EA Access Premiere ebenfalls solche Game-Abo-Dienste – die kosten allerdings auch etwas mehr.

Einfacher ausgedrückt. Wenn du dir ohnehin bereits jeden Monat ein oder zwei Spiele im App Store gekauft hast, ist das Apple Arcade ein Nobrainer – vorausgesetzt, Apple hält Wort und liefert weiterhin konstant gute Titel. Und wenn dir als Familienoberhaupt die Lust und Zeit fehlt, dich durch unzähligen Schund im App Store zu wühlen, damit du und deine Kinder was Anständiges zu Spielen haben, lohnt sich das Abo ebenfalls.

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Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


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