Dem Verlust an Muskelkraft im Alter entgegenwirken. Ist Vitamin D die Lösung?
Hintergrund

Dem Verlust an Muskelkraft im Alter entgegenwirken. Ist Vitamin D die Lösung?

Mit zunehmendem Alter nimmt die Muskelkraft ab und die Muskelmasse schwindet. Doch in welchem Masse bestimmst du mit. Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigte, dass ein Mangel an Vitamin D die neuromuskuläre Kraft beeinträchtigen kann. Wie wichtig genügend Vitamin D fürs Krafttraining ist, erklären wir dir hier.

Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin, das im menschlichen Körper aus Cholesterin hergestellt wird. Es ist wichtig für die Aufnahme von Kalzium und Phosphor, die für starke Knochen und Zähne benötigt werden. Vitamin D wird im Körper durch die Sonnenexposition auf der Haut produziert, aber es kann auch in kleinen Mengen in einigen Lebensmitteln wie beispielsweise Fisch und Eiern gefunden werden.

Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Vitamin D nicht nur für die Knochen- und Zahngesundheit, sondern auch für den gesamten Bewegungsapparat und möglicherweise auch für andere Aspekte der Gesundheit von Bedeutung ist. Beispielsweise wird diskutiert, ob Vitamin D bei Herzkreislauf- [1] und Krebserkrankungen [2], neurologischen Erkrankungen [3], Autoimmunerkrankungen [4] und Infektionen [5] eine schützende Rolle spielen könnte. Ein Vitamin-D-Mangel kann zu osteoporotischen Frakturen [6], Rachitis [7] bei Kindern und anderen gesundheitlichen [8] Problemen führen.

Vitamin D und Kraft

In einer gross angelegten Studie untersuchten Delinocente et al. [9] den Zusammenhang zwischen Vitamin D (25-Hydroxyvitamin-D) und der altersbedingten Abnahme der neuromuskulären Kraft (Dynapenie). Die Stichprobe der Studie umfasste 3205 Personen im Alter von 50 Jahren oder älter. Nur Personen ohne Dynapenie (Griffkraft bei Handdynamometer von grössergleich 26 kg bei Männern und grössergleich 16 kg bei Frauen) wurden in die Studie aufgenommen und während 4 Jahren beobachtet. Zu Beginn wurde der Vitamin-D-Gehalt bei allen Testpersonen anhand der Serumkonzentration von 25-Hydroxyvitamin-D bestimmt und wie folgt eingestuft:

  • ausreichend (> 50 nmol/L)
  • unzureichend (zwischen 30 und 50 nmol/L)
  • mangelhaft (< 30 nmol/L)

Die Analysen zeigten, dass bei 30% der Testpersonen eine unzureichende Serumkonzentration von Vitamin D festgestellt wurde und 22% sogar einen Vitamin-D Mangel aufwiesen.

Unter den Personen, die während der 4-jährigen Nachbeobachtung ausreichende Mengen an Vitamin D hatten, trat Dynapenie in einer Häufigkeit von 13,1 Fällen pro 1000 Personen pro Jahr auf. Bei jenen Personen mit einer Insuffizienz an Vitamin D war die Inzidenz von Dynapenie mit 20,2 Fällen pro 1000 Personen pro Jahr höher. Bei den Personen mit einem Vitamin-D-Mangel war die Inzidenz von Dynapenie am höchsten, mit 27,4 Fällen pro 1000 Personen pro Jahr.

Die wichtigste Schlussfolgerung der vorliegenden Studie ist, dass ein Mangel an Vitamin D ein Risikofaktor für das Auftreten von Dynapenie ist. Personen mit einem Vitamin-D-Mangel (< 30 nmol/L) hatten ein 70% höheres Risiko, bis zum Ende des Studienzeitraums eine Dynapenie zu entwickeln als Personen mit normalen Vitamin-D-Werten (> 50 nmol/L).

Werden Personen mit Osteoporose und solche, die Vitamin D supplementieren von der Analyse ausgeschlossen, ist der Schwellenwert für das Risiko sogar noch höher (grössergleich 50 nmol/L). Somit ist bei diesen Personen nicht nur ein Vitamin-D-Mangel (< 30 nmol/L), sondern auch unzureichende Vitamin D Serumkonzentration (zwischen 30 und 50 nmol/L) ein Risikofaktor für Dynapenie. Die Forscher konnten somit aufzeigen, dass das Risiko, am Ende des Vierjahreszeitraums eine Muskelschwäche zu entwickeln, bei Personen mit Vitamin-D-Mangel zu Beginn der Studie um 78% höher war als bei Personen mit normalen Vitamin-D-Werten und um 77% höher bei Personen mit Vitamin-D-Insuffizienz (30-50 nmol/L).

Weltweit betrachtet leidet mehr als die Hälfte der Bevölkerung an einer Vitamin-D-Insuffizienz oder einem Vitamin-D-Mangel [10,11]. Viele davon sind ältere Personen. Doch aufgrund der geringen Sonnenintensität im Winter sind auch jüngere Erwachsene und Kinder vom Mangel betroffen.

Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt folgende Vitamin-D-Supplementation:

  • ab dem 60. Lebensjahr: 800 IE pro Tag
    1. bis 59. Lebensjahr: 600 IE pro Tag
    1. Lebensjahr: 400 IE pro Tag

Fazit

Das obige Studienergebnis zeigt, dass es wichtig ist, Vitamin D einzunehmen, wenn ein Mangel oder eine Insuffizienz vorliegt. Wer nicht genügend Vitamin D hat, läuft Gefahr, Muskelkraft zu verlieren. Sonne, Vitamin-D-reiche Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel sowie Krafttraining werden empfohlen, um die Muskelkraft auch im Alter zu erhalten. Es braucht jedoch noch weitere klinische Studien, um zu untersuchen, ob eine kombinierte Therapie von Krafttraining und Vitamin-D-Supplementierung bei Personen mit Dynapenie und Vitamin-D-Mangel die Muskelkraft im Alter ab 50 Jahren erhöht.

Also ab an die Sonne oder genügend Vitamin D über die Nahrung aufnehmen und mit Krafttraining kombinieren. Denn du bestimmst deine Kraft und Muskelmasse im Alter.

Referenzen

  1. Zhou A, Selvanayagam JB, Hyppönen E. Non-linear Mendelian randomization analyses support a role for vitamin D deficiency in cardiovascular disease risk. Eur Heart J. Oxford Academic; 2022;43: 1731–1739. doi:10.1093/EURHEARTJ/EHAB809

  2. Chandler PD, Chen WY, Ajala ON, Hazra A, Cook N, Bubes V, et al. Effect of Vitamin D3 Supplements on Development of Advanced Cancer: A Secondary Analysis of the VITAL Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. American Medical Association; 2020;3. doi:10.1001/JAMANETWORKOPEN.2020.25850

  3. Shea MK, Barger K, Dawson-Hughes B, Leurgans SE, Fu X, James BD, et al. Brain vitamin D forms, cognitive decline, and neuropathology in community-dwelling older adults. Alzheimer’s Dement. John Wiley & Sons, Ltd; 2022; doi:10.1002/ALZ.1283

  4. Hahn J, Cook NR, Alexander EK, Friedman S, Walter J, Bubes V, et al. Vitamin D and marine omega 3 fatty acid supplementation and incident autoimmune disease: VITAL randomized controlled trial. BMJ. British Medical Journal Publishing Group; 2022;376. doi:10.1136/BMJ-2021-066452

  5. Taha R, Abureesh S, Alghamdi S, Hassan RY, Cheikh MM, Bagabir RA, et al. The Relationship Between Vitamin D and Infections Including COVID-19: Any Hopes? Int J Gen Med. Dove Press; 2021;14: 3849. doi:10.2147/IJGM.S317421

  6. Larsen ER, Mosekilde L, Foldspang A. Vitamin D and Calcium Supplementation Prevents Osteoporotic Fractures in Elderly Community Dwelling Residents: A Pragmatic Population-Based 3-Year Intervention Study. J Bone Miner Res. John Wiley & Sons, Ltd; 2004;19: 370–378. doi:10.1359/JBMR.0301240

  7. Sahay M, Sahay R. Rickets–vitamin D deficiency and dependency. Indian J Endocrinol Metab. Wolters Kluwer -- Medknow Publications; 2012;16: 164. doi:10.4103/2230-8210.93732

  8. Amrein K, Scherkl M, Hoffmann M, Neuwersch-Sommeregger S, Köstenberger M, Tmava Berisha A, et al. Vitamin D deficiency 2.0: an update on the current status worldwide. Eur J Clin Nutr 2020 7411. Nature Publishing Group; 2020;74: 1498–1513. doi:10.1038/s41430-020-0558-y

  9. Delinocente MLB, Luiz MM, de Oliveira DC, de Souza AF, Ramírez PC, de Oliveira Máximo R, et al. Are Serum 25-Hydroxyvitamin D Deficiency and Insufficiency Risk Factors for the Incidence of Dynapenia? Calcif Tissue Int. Springer; 2022;111: 571–579. doi:10.1007/S00223-022-01021-8/TABLES/3

  10. van Schoor N, Lips P. Worldwide Vitamin D Status. Vitam D Fourth Ed. Academic Press; 2018;2: 15–40. doi:10.1016/B978-0-12-809963-6.00059-6

  11. Mithal A, Wahl DA, Bonjour JP, Burckhardt P, Dawson-Hughes B, Eisman JA, et al. Global vitamin D status and determinants of hypovitaminosis D. Osteoporos Int. Springer London; 2009;20: 1807–1820. doi:10.1007/S00198-009-0954-6/METRICS

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Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.


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