
Produkttest
So performt der La Sportiva «Prodigio Pro» in abwechslungsreichem Gelände
von Siri Schubert
Der Norda 005 sieht zahm aus, hat’s aber in sich. Vom High-Tech-Obermaterial bis zur Zwischensohle ist er auf Performance ausgelegt. Ich habe den Trailrunning-Schuh getestet – und bin beeindruckt.
Doch nicht alle Läuferinnen und Läufer sind Fans von Carbonplatten im Gelände. Und hier kommt die neue Generation der Trailschuhe, wie der Norda 005, ins Spiel. Die Zwischensohle ist aus Arnitel TPEE, einem temperaturbeständigen, elastischen Kunststoff, der Energie absorbieren und über längere Zeiträume hinweg konstant zurückgeben soll. Mit einer Fersenhöhe von 28,5 Millimetern und einem Vorfuss mit 21,5 Millimetern Höhe ist der Schuh moderat gedämpft.
Mir gefällt, dass ich den Boden trotz des Schaumstoffs noch gut spüre und das Laufgefühl zu keinem Zeitpunkt schwammig ist. Die Sprengung von sieben Millimetern ist etwas hoch für meinen Geschmack, doch wegen des federnden Schaumstoffs fällt sie mir nicht so stark auf.
Zunächst trage ich den Schuh bei einem lockeren Erholungslauf, doch schon da merke ich: Der Norda 005 kann und will auch schneller. Die Sohle ist bouncy, sodass das Laufen Spass macht. Sie ist nicht super stabil, aber deutlich fester, als ich es aufgrund des geringen Gewichts und der federnden Eigenschaften erwartet hätte.
Dyneema ist in der Outdoor-Welt ein Zauberwort. Es soll 15-mal stärker sein als Stahl und dabei so leicht, dass es schwimmt. Wer es von Rucksäcken kennt, weiss, dass es sich teilweise anfühlt wie Pergamentpapier. Oder wie gestrickte Zahnseide.
Norda ist es gelungen, Dyneema so zu verarbeiten, dass das Obermaterial wie Leinen wirkt. Es ist weich, dehnbar und atmungsaktiv genug, dass sich der Fuss im Schuh nicht anfühlt, als stecke er in mehreren Lagen Frischhaltefolie. Dennoch sorgt das Obermaterial für guten Halt. Nach insgesamt rund 200 Kilometern Testläufen ist noch an keiner Stelle Abrieb zu sehen.
Der Schuh ist insgesamt breit geschnitten (was ihn durch die grössere Auftrittsfläche auch stabiler macht) und für mittlere bis breite Füsse geeignet. Ich finde die breite Zehenbox perfekt für meine Fussform. Wenn du schmale Füsse hast, könnte es allerdings etwas zu viel des Guten sein.
Norda empfiehlt, den Schuh eine halbe Grösse grösser zu nehmen, was ich auch getan habe. Für mich ist die Passform ideal, weil der Schuh im Mittelfuss leicht tailliert ist und sich gut schnüren lässt. Das Obermaterial bietet Halt, aber engt nicht ein. Auf leichten bis moderaten Trails ist das von Vorteil. Für technischere, steilere Strecken dürfte der Halt für meinen Geschmack etwas enger sein. Dazu später mehr.
Die Zunge besteht aus synthetischem Wildleder-Imitat (Microsuede), was zum Luxus-Look des Schuhs beiträgt und für Trailschuhe sehr ungewöhnlich ist. Sie ist mit der Zwischensohle verbunden, sodass der Fuss wie in einer Socke umschlossen wird. Bei mir rutscht sie auch bei langen Läufen nicht.
Obwohl die Zunge nicht gepolstert ist (spart Gewicht), schneiden die Schnürsenkel nicht ein. Im Gegenteil: Die minimalistische Zunge bietet meinem hohen Spann mehr Raum, so dass auch bei Läufen von rund 30 Kilometern nichts quetscht oder drückt.
Apropos Schnürsenkel: Auch sie sind aus Dyneema. Norda hat sie speziell für diesen Race-Schuh von fünf auf vier Millimeter Breite reduziert, um auch hier Gewicht zu sparen. Eine Schnürsenkelgarage gibt’s bei diesem minimalistischen Design nicht. Finde ich schade, aber es passt ins Gesamtkonzept.
Eine Fersenkappe hat der Norda 005 ebenfalls nicht. Dafür gepolsterte Streifen im Inneren, die das Rutschen weitgehend verhindern. Norda nennt sie Pods.
Ich war zunächst skeptisch, ob die Füsse darin genug Halt hätten, haben sie aber. Zumindest auf leichten bis mittleren Trails. Für technische Trails sind die Schuhe nämlich nicht meine erste Wahl – und das hat einen weiteren Grund.
Die Aussensohle besteht aus dem brandneuen Vibram Megagrip Elite, der erstmals in den Norda 005 eingesetzt wurde. Diese Gummimischung ist extrem leicht und mega sticky – auf den wenigen Metern Asphalt, die ich bis zum Trail zurücklege, fühlt es sich fast klebrig an – so, als sei der Boden mit Honigtau benetzt.
Auf trockenen Steinen und Trails ist der Grip sehr stark. Das gibt mir Sicherheit, auch auf steilen Passagen mit gutem Halt zu laufen.
Der Schuh sieht so gutmütig aus und fühlt sich so angenehm an, dass ich ihn gern für lockere Läufe oder längere Läufe in einfachem Gelände trage – fast wie einen Gravel-Schuh.
Doch der Preis macht das zum zweifelhaften Vergnügen: Es ist ein leichter Race-Schuh mit High-Tech-Materialien und deshalb nicht auf unbegrenzte Kilometer ausgelegt. Zwar soll er nach Herstellerangaben auf Langlebigkeit getuned sein, doch ihn als Daily Trainer zu verwenden, grenzt an Verschwendung. Selbst wenn er rund 200 Kilometer bei mir bisher ohne Leistungseinbussen überstanden hat. Aber das ist ja auch noch nicht viel.
Der Norda 005 ist ein Jaguar im Schafspelz. Erst wenn er losrennt, zeigt sich, was in ihm steckt. Die Zwischensohle aus Arnitel-TPEE-Schaumstoff ist sehr leicht, federnd und fest zugleich. Das Obermaterial aus Dyneema ist ebenfalls leicht, atmungsaktiv und – soweit ich das im Testzeitraum beurteilen kann – langlebig. Die Aussensohle bietet einen hervorragenden Grip. Allerdings sind mir die Stollen zu klein und zu weit voneinander entfernt platziert. Das schränkt seine Vielseitigkeit ein, was den Untergrund angeht.
Die Passform ist für mittlere bis breitere Füsse gut. Wenn du einen schmalen Fuss hast, könnte der Schnitt etwas zu weit sein.
Insgesamt überzeugt der Schuh durch sein geringes Gewicht und durch die High-Tech-Materialien, die ihn schnell und auch für lange Distanzen tauglich machen. Die haben allerdings ihren Preis. Ich würde den Norda 005 ohne Zögern für ein Rennen auf leichten bis mittleren Trails wählen. Und auch beim Training macht mir der Schuh wegen seiner Performance und seines Aussehens immer wieder Freude.
Pro
Contra
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.
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Alle anzeigen«Echt jetzt?» – der erste Blick auf den Norda 005 versetzte mich in Erstaunen. Er sieht aus wie ein gutmütiger City-Sneaker und nicht wie ein Racing-Schuh für die Trails. Doch schon das Gewicht belehrt mich eines Besseren: Gerade mal 192 Gramm (eigene Messung) bringt mein Exemplar (Frauenschuh in Grösse 40,5) auf die Waage. Der Männerschuh in Grösse 42 soll gemäss Herstellerangaben 214 Gramm wiegen. Trotz des geringen Gewichts wirkt der Schuh nicht fragil, sondern robust genug für lange Läufe im Gelände.
Der 005 des kanadischen Herstellers Norda markiert einen spannenden Punkt in der Evolution der Trailrunning-Schuhe. Waren Schuhe für den Berglauf traditionell eher sparsam gepolstert, stabil und vergleichsweise schwer, kamen nach dem Erfolg der Superschuhe im Strassenlauf vermehrt Trailrunning-Schuhe mit Sohlen aus sehr federndem Schaumstoff und Carbonplatten auf den Markt.
Nicht ganz so überzeugt bin ich von den Stollen. Sie sind mit zwischen 3,5 und 4 Millimetern nicht gerade hoch. Ihre Anordnung ist – sagen wir: luftig. Auch wenn die Sohle sehr viel Haftung hat, halten mich die Stollen davon ab, den Schuh bei längeren und anspruchsvollen Trailläufen anzuziehen. Denn selbst wenn ein Grossteil des Laufes über trockenen und festen Untergrund führt, gibt es immer wieder Passagen mit Grass, feuchtem, verwurzelten Boden oder Matsch. Und da ist mir das Profil zu sparsam.
Einen flachen Backyard-Ultra auf Feld- und Waldwegen würde ich wegen der guten Dämpfung ohne Zögern in ihnen laufen. Auch für einen Halbmarathon mit wenig Asphalt wie die Strecke bei Les Courses du Mont Terrible oder den Hallwilersee-Halbmarathon ist der Schuh geeignet, weil er Leichtigkeit und Speed bringt. Für längere Rennen – wie einen 50-K-Trailrun – würde ich ihn ebenfalls nehmen, wenn der Untergrund trocken und die Strecke nicht zu technisch ist. Den Schuh gibt es übrigens als Herren- und Damenmodell.
Dass der Schuh auch bei längeren Rennen performt, zeigen die Ergebnisse von Jason Schlarb, der 2024 in ihnen den dritten Platz beim Hardrock 100 Ultra erzielte. Und von Rich Lockwood, der den Run Rabbit Run, ein 100-Meilen-Rennen, ebenfalls 2024 in den Norda-Schuhen gewann. Diese Ergebnisse sind auch deshalb beachtlich, weil Norda ein Newcomer in der Trailrunning-Schuh-Szene ist. Das kanadische Unternehmen begann erst 2020 damit, Laufschuhe herzustellen.