
News & Trends
Veloanhänger im Test: nicht eine Empfehlung von Stiftung Warentest
von Patrick Vogt
Ein Veloanhänger muss viel aushalten: tobende Kinder, schweres Gepäck und kritische Testberichte. Während die Stiftung Warentest im Vorjahr alle geprüften Modelle als «mangelhaft» abstrafte, urteilt der Kassensturz anders.
Kinderanhänger sind die windeltransporierenden Milchschoppensäue im Alltag junger Eltern. Ich war jahrelang täglich damit unterwegs. Erst mit einem Einsitzer von Thule, dann kurz mit einem ungefederten Zweisitzer von Leggero, bis schliesslich der Thule Chariot Cougar 2 lange Zeit treue Dienste leistete. Auch der war nicht perfekt, manche Dinge nerven bei jedem Modell. Deshalb sind Praxistests wichtig, wie sie der Kassensturz gemeinsam mit dem TCS und dem Velojournal durchgeführt hat.
Zum einen durften fünf Velofahrer das machen, was man mit Kinderanhängern im Alltag macht: Sie am Velo montieren, die Gurte einstellen, zum Buggy umbauen, zusammenklappen, die Bremse fixieren und das Gepäckfach vollpacken. Zum anderen nahmen zwei Experten die Qualität und die Fahreigenschaften unter die Lupe. Was taugen die Bremssysteme, wie gut sind die Federung und der Sitzkomfort? Praxisnahe Fragen. Der Ansatz gefällt mir.
Trotzdem wird auch neben den besten Modellen im Kassensturz-Test bei uns im Sortiment noch der Hinweis auf eine miese Bewertung der Stiftung Warentest stehen. Das liegt an per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS). Die Verbraucherorganisation hat im Juli 2024 mit neuen Prüfverfahren Schadstoffe gefunden und deshalb ansonsten gute Anhänger durch die Bank mit «mangelhaft» bewertet.
Wie die überrumpelten Hersteller darauf reagiert haben, sage ich dir am Ende dieses Beitrags. Kommen wir aber zuerst zum Kassensturz-Urteil.
Mit gefederten Modellen ist nicht nur das Kipp-Risiko geringer, sondern schon auf Asphalt einfach alles komfortabler. Deshalb habe ich mein kurzes Intermezzo mit dem ungefederten Leggero damals schnell wieder beendet. Die gefederten Modelle sind zwar teurer, belegen aber die ersten drei Plätze im Testfeld.
Gelobt wird die Federung, der Gepäckraum und die verstellbare Sitzneigung. Dazu gibt’s eine Hartschale im Fussraum, also dort, wo die Kinder aus- und einsteigen. Die abmontierte Deichsel lässt sich in einer Halterung transportieren, wenn du den Anhänger zum Buggy umbaust. Genervt hat dagegen die Gummilasche der Kupplungssicherung und das hohe Gewicht von 19 Kilogramm.
Fast alles so, wie ich es kenne und unterschreiben würde. Auf den ersten Blick besser als früher, finde ich die seitlichen Reissverschlüsse am Verdeck. Denn Klett- und Klemmlösungen springen meiner Erfahrung nach auf, sobald ein Kinderfuss heftig dagegen tritt. Das ist der einzige Punkt, der mich beim zweitplatzierten Modell etwas skeptisch machen würde.
Der Preis-Leistungs-Sieger im Test: Federung, Kupplungssystem und Fahrkomfort werden besser als bei der Konkurrenz bewertet. Ebenfalls interessant: Die Kupplung lässt sich mit einem Schloss sichern. Als mühsam werden die Gurtschnallen empfunden, ausserdem ist der Umbau zum Buggy (Frontrad montieren und Deichsel entfernen) voll beladen kaum möglich.
Diesen Anhänger loben die Testpersonen für den besten Sitzkomfort, viel Raum, die einstellbare Sitzneigung und die Federung. Ärger macht dagegen die schwer verstellbare Deichsel, die auch beim Einsatz als Buggy dran bleibt. Zudem lässt sich nichts Sperriges im Gepäckfach transportieren.
Hier verläuft die Preis- und Komfortgrenze. Die ungefederten Modelle lohnen sich, wenn du nur gelegentlich mit dem Anhänger und ausschliesslich auf gut asphaltierten Strassen unterwegs bist. TCS-Prüfleiter Stefan Eichenberger sagt im Kassensturz-Beitrag, dass «für die Stadt ein günstiger Anhänger reicht. Wer über Kies fährt, soll sich überlegen, ob einer mit Federung mehr Sinn ergibt.» Ich hätte als Vielfahrer selbst in der Stadt nicht auf die Federung verzichten wollen.
Schon der Name deutet an, dass es hier etwas rustikaler zugeht. Der Courier ist leicht zu montieren, sehr gut als Transportanhänger nutzbar und lässt sich mit dem Hunde-Set für Vierbeiner umrüsten. Dafür hat das Modell keine Federung und eine Standbremse, die mit der Hand statt mit dem Fuss betätigt werden muss. Und das so unkomfortabel, dass dabei laut Kassensturz sogar Verletzungsgefahr besteht.
Die gute Fussbremse wird dagegen beim Hauck Dryk Duo hervorgehoben. Das günstigste Modell im Test hat zudem mit maximal 50 Kilogramm die grösste Zuladung und ist einfach faltbar. Schwer ist dagegen der Anhänger selbst (18,7 kg) sowie der Umbau zum Buggy. Ausserdem ist die Gurthöhe schlecht verstellbar und der Reissverschluss anfällig, da er ständig unter Zug steht.
Mit 13,2 Kilogramm das Leichtgewicht unter den getesteten Anhängern. Dafür ist er nicht wasserdicht, die Regenhaube muss separat bestellt werden. Weitere Kritikpunkte: kippelig, wenn der Gepäckraum beladen wird, mühsame Demontage der Deichsel und die schlechteste Babyhalterung.
Die Abwertung durch die Stiftung Warentest ist hart, wenn man bedenkt, dass die getesteten Produkte alle gesetzlichen Anforderungen einhalten. Die kritisierten Anhänger gefährden ihre Insassen nicht direkt. Doch in die Umwelt freigesetzte per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) stellen ein potenzielles Risiko für die menschliche Gesundheit dar. Sie können Wasser und Boden verschmutzen und über die Nahrungskette auch Menschen und Tiere erreichen. Deshalb geraten sie zurecht in den Fokus der Verbraucherschützer.
Umgekehrt müssen sich auch die Verbraucherschützer der Kritik stellen, die an ihrem Bewertungssystem geäussert wird. Ein Vater zeigt sich auf test.de «fassungslos» über die Bewertung, obwohl laut Stiftung Warentest keine akute Gesundheitsgefahr für Kinder bestehe. Das Umweltproblem sei fraglos wichtig, aber Sicherheit dürfe nicht zur Nebensache werden. Diese spiegle sich in der Note aber nicht wider, da die Schadstoffnote zur Gesamtnote gemacht werde.
Warum trennt man nicht zwischen Produktsicherheit und Umweltaspekten – mit zwei Bewertungen? So wie jetzt ist das Ergebnis weder hilfreich noch differenziert.
Das hätten vermutlich auch die Hersteller als fairer empfunden, da Verbraucherschützer schneller kritisieren als sie reagieren können. Dann sind die Schlagzeilen schon in der Welt.
Das Branchenmagazin velobiz.de hat den Fall aufgearbeitet. Einerseits betonen alle betroffenen Hersteller, gesetzeskonform zu produzieren. Andererseits bemühen sie sich darum, auf die Kritik zu reagieren und sich neuen Anforderungen zu stellen.
Es kommt also etwas in Gang. Wenn deine Kinder jetzt klein sind, nützt dir das wenig. Aber vielleicht hilft es, die verschiedenen Testergebnisse und Hintergründe zu kennen, um dir einen guten Marktüberblick zu verschaffen. Dabei unterstützt auch die Einordnung des Vereins Fahrrad & Familie.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.
Vom neuen iPhone bis zur Auferstehung der Mode aus den 80er-Jahren. Die Redaktion ordnet ein.
Alle anzeigen