
Hintergrund
«The Outer Worlds 2» angespielt: kleiner als «Starfield», dafür mit mehr Humor
von Philipp Rüegg
An einem Preview-Event durfte ich das am 10. Oktober erscheinende «Little Nightmares 3» anzocken. Dabei haben es mir die gruselige Atmosphäre und die liebenswürdigen Hauptcharaktere angetan.
Leise schleichen «Alone» und «Low» an grotesken Gestalten vorbei, die sich wollüstig dem Fressen ergeben. Ihr Schmatzen und Mampfen fährt mir durch Mark und Bein. Dabei sind sie doch auch nur Opfer dieser bizarren Welt: Die Herde, Arbeiter der Süssigkeitenfabrik, suchen Ausflucht aus ihrem langweiligen und monotonen Leben. Was nicht heisst, dass sie uns nicht nach demselben trachten, wenn sie uns entdecken. Ausflucht finden sie auf dem Jahrmarkt, auf den es uns verschlagen hat. Der sieht einfach nur schauderhaft schön aus mit seinen blinkenden Lichtern und verworrenen Wegen, scheinbar stillgelegten Attraktionen und einem schrecklichen Geheimnis.
Wenn «Little Nightmares 3» etwas kann, dann eine beklemmende Atmosphäre erzeugen. Die macht auch 90 Prozent des Charmes des Spiels aus. Beim Gameplay sehe ich nach knapp zwei Stunden mit dem Game noch Luft nach oben.
Im Spiel steuere ich einen der neuen Charaktere Low oder Alone. Zwei beste Freunde, die aus dem Nowhere zu entkommen versuchen. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung dystopischer Länder, die aus Wahnvorstellungen entstanden sind. Die Freunde müssen zusammenarbeiten.
«Little Nightmares 3» ist ein online Koop-Spiel. Gemäss Publisher Bandai Namco und Entwickler Tarsier Studios war dieser Modus der grösste Wunsch der Fans der Spielreihe. Aber keine Sorge: Du kannst das Spiel auch solo zocken, dann übernimmt die KI dein Gegenstück. Wie gut das funktioniert, konnte ich am Preview-Event leider nicht ausprobieren. Beim online Koop habe ich mich dafür schon ziemlich unfähig angestellt.
Das Coole an den «Little Nightmares»-Spielen ist zugleich das Frustrierende: Sie verraten mir nichts. Keine gelbe Farbe zeigt mir, womit ich interagieren kann, das muss ich selbst herausfinden. Ich hänge mich etwa an eine unscheinbare Ofenklappe, um diese zu öffnen. So kann der andere Charakter Kohle zum Heizen hineinwerfen und danach einen Blasebalg aktivieren, der uns das Weiterkommen ermöglicht.
Das Tüfteln und Herumprobieren macht bei diesem Beispiel Spass. Aber ich muss das zwischendurch auch unter Druck machen, wenn ich etwa von einem Gegner verfolgt werde. An einer Stelle sterbe ich zig Mal, respawne weiter zurück im Spielverlauf und muss jedes Mal wieder zum Ort meines Ablebens hinschleichen, bis ich endlich verstehe, was das Spiel von mir will.
Low und Alone sind zwar bewaffnet, aber immer noch Kinder. Als solche sind ihre kämpferischen Eigenschaften beschränkt. Der Herde kann ich mich etwa nicht erwehren, sondern muss sie umgehen. Häufig setze ich die Waffen in Rätseln ein. Zwischendurch entdecke ich auch Ballone, die ich mit dem Bogen von Low platzen lasse. Das hat beim Preview-Event keinen Effekt, ausser dass es Spass macht. Vielleicht ist das im fertigen Spiel ein Erfolg.
Der Schraubenschlüssel von Alone bleibt bis auf den Kampf gegen Puppen im ganzen Jahrmarkt-Level mehr oder weniger ungenutzt. Die Puppen sind die einzigen Gegner, denen ich auch eins aufs Dach geben kann. Mit Lows Bogen schiesse ich ihnen zuerst den Kopf ab. Ihre Körper verfolgen mich aber weiter und reagieren auf Geräusche. Durch Rufen macht Low auf sie aufmerksam, während Alone ihre auf dem Boden liegenden Köpfe mit dem Schraubenschlüssel zertrümmert.
Der eingeschränkte Einsatz der Waffen scheint mir verschenktes Gameplay-Potenzial. Sowieso ist dieses eher beschränkt. Ausser dem Waffengebrauch können Low und Alone schleichen, rennen, hüpfen, werfen und mit Leitern, Gegenständen etc. interagieren. Deren Einsatz scheint mir als altbekannt. «Little Nightmares 3» strotzt nicht wie etwa «Split Fiction» vor kreativer Gameplay-Ideen. Es ist mehr vom Gleichen, ergänzt durch die Koop-Mechanik. Ich hoffe, dass das komplette Spiel noch mehr Innovation an den Tag legt.
Was «Little Nightmares 3» beim Gameplay fehlt, macht es bei der Präsentation mehr als wett. Die diversen Räume, durch die ich mir meinen Weg bahne, sind äusserst detailliert und sehen dank der genialen Beleuchtungseffekten schaurig schön aus. Das Sounddesign unterstützt die Szenerie phänomenal. Dass die Entwickler Freude am Entwerfen der diversen Locations hatten, merke ich nach fünf Minuten: Ich verirre mich in einen versteckten Raum, der mich nicht weiterführt. Er ist einfach nur da, um da zu sein und cool auszusehen.
Das geniale Design hört aber nicht bei der Umgebung auf, sondern zieht sich beim Charakterdesign weiter. Low und Alone sehen nur auf den ersten Blick furchteinflössend aus. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich ihre Zerbrechlichkeit. Die kommt auch erzählerisch in einer Szene zu Tragen, in der sich Low in einem Spiegel betrachtet und sich fremd vorkommt. Es sind diese kurzen, spärlich gesäten Szenen, die mir die stummen Protagonisten näher bringen. Mehr braucht es aber auch nicht, denn sie gehen unter die Haut.
Auch die Gegner überzeugen mit ihrer schrecklichen Optik. Die einzelnen Mitglieder der Herde gleichen sich bis aufs Haar, was ihre Funktion als gehirnlose Arbeiterbienen unterstreicht. Die Puppen hingegen sind alle unterschiedlich verstörend. Die beiden Gegnertypen sind aber nur die Speerspitze. Hervorragend ist der «Boss» des Levels «Kin». Dieser trägt eine kleine Version von sich, Mini-Kin, als Hand. Kin ist eine noch groteskere Version des Jokers aus Batman – davon zeugt auch sein violetter Anzug.
Einen Grossteil der Spielzeit am Preview-Event verbringe ich damit, vor Kin zu flüchten, was zu schön dargestellten Verfolgungsjagden führt. Besonders gelungen ist die Inszenierung des Levelfinales – welchen ich dir aber an dieser Stelle nicht spoilere. Eines sei aber verraten: Es lohnt sich, dranzubleiben.
Trotz aller Kritik am Gameplay hatte ich beim Anspielen von «Little Nightmares 3» meinen Spass. Die Welt sieht einfach genial aus, Low und Alone sind sympathische Charaktere, die mir auch ohne Text und trotz der kurzen Spielzeit ans Herz gewachsen sind.
Für sich allein betrachtet bietet mir der Jahrmarkt-Level jedoch zu wenig Gameplay-Variation und die wirklich grossen Ideen fehlen. Ich hoffe, dass das im fertigen Spiel anders sein wird.
«Little Nightmares 3» kannst du ab dem 17. September auch selbst ausprobieren, dann erscheint eine Demo auf allen verfügbaren Plattformen. Das fertige Spiel erscheint am 10. Oktober 2025 für PS 5/4, Switch 1/2, Xbox One/Series und PC. Bandai Namco hat mich an das Preview-Event in Frankfurt eingeladen und die Reisekosten übernommen.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
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