Wer (ver)kauft eigentlich gebrauchte Unterhosen und weshalb?
Hintergrund

Wer (ver)kauft eigentlich gebrauchte Unterhosen und weshalb?

Getragene Unterhosen landen nicht bei jedem Menschen im Wäschekorb. Manche verkaufen ihre weiter. Ein spezielles Geschäftsmodell im psychologischen Spotlight.

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Die eigene Unterhose nicht waschen zu müssen, sondern für Geld an anonyme Abnehmer im Netz zu verkaufen. Ist das nicht die Definition einer Win-Win-Situation? Doch wer sich etwas mit dem Thema beschäftigt, merkt schnell: So einfach ist das Ganze gar nicht. Von der Aufbereitung, dem richtigen Verpacken, bis hin zum Versand steckt ganz schön viel Arbeit hinter dem Geschäftsmodell. Hinzu kommt, dass man erst mal herausfinden muss, auf welchen Plattformen man seine Kundschaft am besten erreicht.

Und dann wäre da noch die psychologische Komponente, auf die sich dieser Beitrag konzentriert: Wer sind überhaupt die Leute, die ihre Unterwäsche im Internet für Geld anbieten und wer kauft diese? Sexualtherapeutin Dania Schiftan klärt im Gespräch auf – auch über die emotionalen Herausforderungen und Gefahren, die ein solch vermeintlich harmloser Handel birgt.

Die meisten Leute, die ich kenne, würden sich vor getragenen Unterhosen fremder Menschen ekeln. Was bewegt Menschen dazu, sogar Geld dafür auszugeben?
Dania Schiftan, Sexologin und Psychotherapeutin: Es ist eine Art von Fetisch, der in den meisten Fällen von Männern gelebt wird. Dabei empfindet man den Geruch und Geschmack von Frauen als besonders erregend und spannend. Ein Aspekt, der dabei für gewöhnlich auch eine Rolle spielt, ist der Gedanke: Wer hat dieses Kleidungsstück, wann und in welcher Situation wohl getragen? So entstehen in den Köpfen der Männer ganze Storys, Bilder und Realitäten. Hinzu kommt die Vorstellung: Ich besitze einen Teil dieser Frau und kann damit machen, was ich will. Macht, Dominanz und Genuss spielen hier also eine Rolle.

Könnte man sich den Kick nicht auch durch ein getragenes Shirt holen?
In unserer Gesellschaft ist es völlig normal, getragene T-Shirts, Hosen, Unterleibchen, BH’s etc. einfach zu verkaufen, zu tauschen oder weiterzugeben. Unterhosen hingegen verkaufen wir aus hygienischen Gründen nicht. Das macht sie symbolisch gesehen zu einem äusserst persönlichen, intimen Objekt.

Wie offen gehen Menschen mit diesem Fetisch um?
Das Verheimlichen trägt massgeblich zur Erregung bei. So à la: Uii, wenn das jemand wüsste. Es ist ein gesellschaftliches Tabu. Etwas Verbotenes.

Wechseln wir mal die Perspektive. Welche Gründe gibt es denn für mich als Frau, meine getragene Wäsche überhaupt zum Verkauf anzubieten?
Bei Frauen können die Beweggründe auch sexueller Natur sein. Das ist aber eher der Ausnahmefall. In der Regel geht es um den Verdienst. Dass das ein Thema ist, beobachte ich nicht nur in meiner Praxis, sondern auch in Mami-Gruppen auf Facebook. Dort tauschen sich Frauen aus, die ihre finanzielle Lage schnell aufbessern wollen und geben sich gegenseitig Tipps. In jedem dieser Diskussions-Threads entdecke ich zahlreiche Kommentare, die das Verkaufen der eigenen Unterhose empfehlen.

Macht man so wirklich das schnelle Geld?
Das Geschäftsmodell funktioniert durchaus, wenn man denn erstmal herausgefunden hat, wie es geht und wo man die Abnehmer findet. Aber was oft unterschätzt wird, ist die emotionale Komponente. Also was es mit dir macht, wenn du deine Unterhosen an fremde Menschen verschickst.

Das wäre?
Das Abschicken einer gebrauchten Unterhose gegen Geld scheint zunächst wie ein einfacher Deal. Und für viele funktioniert das einwandfrei. Es gibt aber auch Frauen, die sich nach dem Versand in einem Gedankenkarussel verlieren. Das Kopfkino setzt ein. Diese Frauen stellen sich dann die Frage: Was passiert mit meiner Unterhose? Wer hat sie gekauft und wofür wird sie genutzt?

Oh, an sowas habe ich dabei überhaupt nicht gedacht.
Und je nachdem, wie man als Mensch gestrickt ist, können diese Gedanken und Bilder, die man sich zusammenreimt, schnell bedrohlich wirken. Zu wissen, dass ein fremder Mann jetzt einen Teil von mir besitzt, löst was aus.

Ich könnte damit vermutlich nicht umgehen ...
Das ist verständlich. Jeder Mensch hat das Bedürfnis, persönliche Grenzen zu setzen. Eine solche bedrohliche Fantasie kann dazu führen, dass sich die eigene Grenze in der Wahrnehmung hin zu dieser fremden Person verschiebt. Dadurch fühlen sich die Frauen im Nachhinein tatsächlich bedroht. Dasselbe kann auch bei Fussfotos auf Onlyfans geschehen. Erst denken die Creatorinnen: «Sind ja nur meine Füsse.» Im Nachhinein empfinden es viele aber trotzdem so, als würden sie eine Form des Übergriffs erleben. Wer also mit dem Gedanken spielt, sich auf diesem Weg etwas dazuzuverdienen, sollte sich das Ganze vorher gut überlegen.

Dania Schiftan arbeitet in ihrer Zürcher Praxis als Sexologin und Psychotherapeutin. Als Autorin hat sie zwei Bücher über Sex und den weiblichen Orgasmus geschrieben, darunter einen Spiegelbestseller. Schiftan ist regelmässig Gast bei Schweizer Tageszeitungen und Radios. Mit ihrem Podcast «Release» erreicht sie im Monat mehr als 50’000 Menschen und schafft es auf iTunes und Spotify immer wieder in die Podcastcharts. Sie hält Referate, leitet Workshops und ist bei Parship als Psychologin tätig. Mehr über sie und ihren Job erfährst du im Interview mit ihr:
Sexualtherapeutin Dania Schiftan
Sexualtherapeutin Dania Schiftan
Quelle: Mirjam Kluka
  • Ratgeber

    Zu Besuch bei einer Sexologin

    von Natalie Hemengül

Alle weiteren Beiträge aus der Serie findest du hier:

  • Ratgeber

    Alles rund um die Sexualität

    von Natalie Hemengül

Titelbild: Andreea Popa via Unsplash

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Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich. 


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