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Hintergrund

Warum sind alte Fussballtrikots wieder so beliebt – und wer verdient am Trend?

Martin Jungfer
16.9.2025
Co-Autor: Luca Fontana

Retro-Welle statt La Ola: Trikots von Fussballclubs aus den 80er- oder 90er-Jahren sind neuerdings Verkaufsschlager. Der Modetrend lässt auch die Kassen der Vereine klingeln.

Weisst du, welche Firma 1978 auf den Trikots des FC St. Gallen Werbung gemacht hat? Nein? Gut, ich verrate es dir: Es war: Ernst Teigwaren. Bis in die 70er-Jahre war so etwas undenkbar. Verbände und Vereine waren sich einig, dass Werbung der «amateurhaften, gemeinschaftsorientierten Natur des Spiels» schaden würde. Es brauchte ein Umdenken, bis Firmen ihren Schriftzug auf die Trikotbrust drucken konnten. Sport-Sponsoring wurde zu einem neuen Feld im Marketing, und statt globaler Konzerne waren es zu Beginn oft lokale Firmen, die «ihren» Fussballclub unterstützen.

Heute ist Fussball ein Milliardengeschäft. Vereine, Spieler, Berater, Medien und Sponsoren – alle wollen das grosse Geld verdienen. Die Fans sind eine gute Quelle dafür. Buben tragen Leibchen von Messi, Ronaldo, Yamal oder Mbappé. Die Väter tragen im Stadion das Trikot der aktuellen Saison ihres Herzensvereins, gerne mal mit ihrem eigenen Vornamen über der Nummer. Und weibliche Fans? Auch die haben Fussballtrikots inzwischen für sich entdeckt – als stylisches Kleidungsstück, als Abwechslung zur Bluse oder zum Designer-Shirt. Oder man hat, wie der Venezia FC, beides fusioniert. Fussball meets Fashion quasi.

Geht's hier noch um Fussball? So bewarb Venezia FC 2022 die Arbeitskleidung der Fussballer.
Geht's hier noch um Fussball? So bewarb Venezia FC 2022 die Arbeitskleidung der Fussballer.
Quelle: Venezia FC

Der Trend hat sogar einen Namen: Blokecore. Unter dem entsprechenden Hashtag finden sich auf den Social-Media-Plattformen Hunderttausende Fotos von Frauen in Trikots aus den 90er-Jahren. Redaktionskollegin und Mode-Expertin Laura hat hier mehr dazu geschrieben.

Die Vintage-Trikots werden von den modebewussten Trägerinnen locker in Hose oder Rock gesteckt. Getragen wird, was farblich gerade passt. So ist die Auswahl gross. Heute das Blau-Schwarz von Inter, morgen lieber Schwarz mit Rot wie bei Milan – in der Mode geht, was für Fans ein Sakrileg wäre.

Blokecore-Mode wie sie Adidas prägt.
Blokecore-Mode wie sie Adidas prägt.
Quelle: Adidas

Retro ist Teil der Strategie

Auch die Sportartikelriesen haben den Retro-Zug längst bestiegen. Adidas, Nike & Co. inszenieren Retro nicht mehr nur als Fan-Nostalgie, sondern als handfeste Verkaufsstrategie. Zur Saison 2023/24 schickte Adidas gleich mehrere Topclubs mit Retro-inspirierten Sondertrikots in die Champions League. Bayern, Arsenal, Juve, Manchester United und Real Madrid liefen in Shirts mit dem alten Trefoil-Logo und klassischen Vereinswappen auf – vermarktet als «echtes Fashion-Statement».

Vereinslegende Bastian Schweinsteiger präsentierte als Model das Retro-Trikot des FC Bayern zur Saison 2024/2025.
Vereinslegende Bastian Schweinsteiger präsentierte als Model das Retro-Trikot des FC Bayern zur Saison 2024/2025.
Quelle: Adidas

Und tatsächlich: Die Kollektionen kamen an. Trainingsanzüge und Shirts im 90er-Look verkauften sich rund um die EM 2024 blendend, Adidas-CEO Bjørn Gulden sprach sogar von «ersten Früchten», die die Strategie finanziell abwerfe. Das Quartal brachte ein Umsatzplus von 11 Prozent, die Jahresprognose wurde nach oben korrigiert.

Auch Nike setzte auf Retro-Referenzen: Liverpool trug vergangene Saison ein Heimtrikot, das stark an das Design von 1984 erinnerte – das Jahr des gewonnen Landesmeisterpokals. Und Milan zeigte zum 125-jährigen Jubiläum gar, wie breit sich Nostalgie wirklich inszenieren lässt: Gemeinsam mit Puma, New Era, Off-White und sogar den New York Yankees entstanden gleich mehrere Lifestyle-Kollektionen. Teile davon trugen die Spieler sogar in offiziellen Spielen.

Retro als Jubiläums-Statement, mitten im Wettkampf.

Und nicht nur die grossen Vereine surfen gerade auf der Nostalgie-Welle. Die deutsche Nationalmannschaft spielte im Frühjahr zwei Länderspiele in Retro-Trikots, auch in der WM-Qualifikation sind sie noch zu sehen. Anlass war der 125. Geburtstag des Fussballverbands. Ausrüster Adidas richtete mit grosser Marketing-Kelle an, inklusive aufwändigen Werbespot.

Werbung aus der guten alten Zeit

Selbst ein Club wie der 1. FC Nürnberg, einst ruhmreich, heute Kellerkind in der Zweiten Bundesliga, setzt auf Retro. Ein Jubiläumstrikot zum 125. Geburtstag des Vereins sorgte dafür, dass die Server des Onlineshops in die Knie gingen. Der FC Augsburg setzt auf Pseudo-Retro-Chic und vertickt ein «Römertrikot». Beim Super-League-Club FC St. Gallen gibt es Retro-Shirts aus verschiedenen Epochen – einmal mit Sponsor Fido auf der Brust, das andere Mal mit Ernst Teigwaren – wie vor fast 50 Jahren.

Copa Football FC St. Gallen 1978 - 80 Retro Trikot | FC St. Gallen 1978 - 80 Vintage Shirt (XL)
Fussballtrikot

Copa Football FC St. Gallen 1978 - 80 Retro Trikot | FC St. Gallen 1978 - 80 Vintage Shirt

XL

Vielleicht sind es zum Teil die Schriftzüge längst untergegangener Firmen, die den Reiz der Retro-Trikots ausmachen. Mit «Fido» auf der Brust Werbung für Hundefutter zu machen – warum nicht? Oder wie wäre es mit «Commodore» auf der Arbeitskleidung des FC Bayern in den 80er-Jahren, mit «Buitoni» und dem SSC Neapel aus Maradona-Zeiten? War früher nicht eh alles besser? Auf aktuellen Trikots von heute werben Fluggesellschaften aus autokratischen arabischen Emiraten oder globale Tech-Konzerne für sich. Damit mag sich nicht jeder und jede identifizieren.

Eine Frage der Lizenzen

Wer ein altes Trikot neu produzieren will, muss zuerst durch die Rechtehölle. Logos, Wappen und Vereinsfarben gehören den Clubs, nicht dem Nostalgie-Hersteller. Marken wie Copa Football sichern sich deshalb offizielle Lizenzen. Wenn’s geht auch jene des offiziellen Trikotsponsors. Etwa «Buitoni» oder «Motta» im Falle Napolis oder Milans. Damit dürfen sie die historischen Designs nutzen – im Gegenzug fliesst Geld zurück an die Vereine und ihre Sponsoren.

So entstehen Retro-Trikots, die offiziell abgesegnet sind. Keine illegalen Kopien, sondern Merchandise mit Genehmigung. Copa ist etwa offizieller Retro-Partner von Barcelona, Milan, Bayern oder Juventus. Für Fans bedeutet das: Sie können ein Stück Vereinsgeschichte tragen, ohne in der Grauzone unterwegs zu sein.

Spannend wird’s bei der Frage, wer den Retro-Trend überhaupt zu Geld machen darf. Klar, die grossen Ausrüster wie Adidas, Nike oder Puma haben die Rechte an den aktuellen Trikots und zahlen dafür Rekordsummen in Milliardenhöhe. Aber die Retro-Schiene fällt nicht automatisch in diese Verträge. Manche Clubs haben in den letzten Jahren ganz bewusst eigene Kollektionen auf den Markt gebracht, ohne ihren offiziellen Ausrüster einzubinden. Mehr Marge für den Verein, weniger für Adidas & Co.

Ganz ohne Risiko ist das aber nicht. Logos und Markenzeichen wie die berühmten drei Streifen gehören schliesslich den Herstellern. Wer sie ohne Erlaubnis nutzt, landet schnell vor Gericht. Deshalb fehlen bei vielen Retro-Trikots die originalen Herstellerlogos. Das legendäre Bayern-Shirt aus den 80-ern gibt’s bei Copa zwar mit Vereinswappen und Sponsor – aber eben ohne Adidas-Schriftzug. Retro, ja. Aber juristisch sauber.

Hier zeigt das Etikett, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Hier zeigt das Etikett, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Quelle: Martin Jungfer
Copa Football FC Bayern München 1988 - 89 Retro Trikot (L)
Fussballtrikot

Copa Football FC Bayern München 1988 - 89 Retro Trikot

L

Stoff war früher nicht schlechter als heute

Es gibt auch spezialisierte Händler, die Originalware anbieten. Also Trikots, die tatsächlich vor vielen Jahren, teils Jahrzehnten produziert wurden. Leon Rademaker ist Gründer und Betreiber des Onlineshops «Trikotstoff». Dort gibt es keine Trikots, die die früheren Originale nur nachahmen, sondern den «echten Stoff».

Leon erklärt, dass sich bei solchen Vintage-Trikots niemand Sorgen machen müsse, dass der Stoff nach Jahren allenfalls gelitten hat. Die Qualität sei damals nicht schlechter gewesen als heute. Abnutzungserscheinungen hätten manchmal die sogenannten Flocks, also die auf den Stoff aufgebrachten Spielernamen oder Sponsorenlogos. Im Gespräch mit Galaxus rät Leon:

Wenn man die Trikots normal behandelt und schonend wäscht, können auch über 20 Jahre alte Trikots noch sehr sehr gut aussehen.

Leon weiss aufgrund seiner langjährigen Erfahrung gut, welche Trikots wann besonders gefragt sind. Spürbaren Einfluss haben bestimmte Events wie die Europameisterschaft 2024. «Trikots von deutschen, österreichischen oder der Schweizer Nationalmannschaften wurden mir damals förmlich aus der Hand gerissen», erinnert sich der Händler. Der Aufstieg eines Traditionsvereins wie dem HSV sorgen ebenfalls für einen Nachfrageschub.

Woher kommen diese Trikots? Leon kauft sie von Privatpersonen an, die zum Beispiel alte Sammlungen auflösen. Beim Verkauf gehe es ihm nicht um Profitmaximierung, sagte Rademaker einmal in einem Interview mit dem Magazin «Kicker». «Ich finde, das gehört sich nicht», so der Fußballfan. Deshalb kosten die alten Trikots bei ihm meist deutlich unter 100 Euro, weniger als die Top-Vereine für aktuelle Modelle von den Fans wollen. Richtig reich dürfte er – anders als die Konzerne und Vereine – damit nicht werden, es ist eher ein Service von Fan zu Fan.

Leon Rademaker betreibt einen Shop, bei dem Fans ihre alten Lieblingstrikots finden sollen.
Leon Rademaker betreibt einen Shop, bei dem Fans ihre alten Lieblingstrikots finden sollen.
Quelle: privat

Mit Buitoni gewinnt man Titel – mit Qatar Airways Märkte

Der Retro-Boom zeigt, wie zweischneidig Nostalgie sein kann. Für Adidas, Nike oder die grossen Clubs ist er ein Milliardengeschäft, in dem Retro-Trikots Umsatzsprünge und Rekordverträge bringen. Für kleine Händler wie Leon Rademaker bleibt es dagegen ein Liebhaberprojekt. Fanservice statt Profitmaximierung.

Vielleicht ist das genau der Reiz der alten Shirts. Ob «Ernst Teigwaren» beim FC St. Gallen, «Fido» beim Hundefutter oder «Commodore» beim FC Bayern – sie erinnern an eine Zeit, in der Fussball noch nicht komplett durchökonomisiert war. «Mit Buitoni gewinnt man Titel», hiess es damals. Heute wohl eher: «Mit Qatar Airways gewinnt man Märkte.»

Klingt weniger romantisch, verkauft sich aber trotzdem.

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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