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Shutterstock / anto4ka
Hintergrund

Abmachen ist so kompliziert geworden!

Thomas Meyer
17.9.2025

Als ich jung war, brauchte es nur einen kurzen Anruf, um Freunde zu sehen. Heute sind dafür zahlreiche Nachrichten nötig. Und mehrere Wochen Wartezeit.

Als wir jung waren, also vor dreissig Jahren, riefen wir einander zuhause an – die Nummern kannten wir alle auswendig – und vereinbarten ein Treffen für den nächsten oder übernächsten Abend. Das galt dann auch. Niemand benutzte in diesem Zusammenhang das Wort «provisorisch». Niemand sagte den seltsamen Satz: «Muss noch schauen.» Wer versuchte, «übernächsten Mittwoch» abzumachen, wurde ausgelacht. Ebenso, wer eine Agenda führte.

Von da an verwandelten wir uns beim geringsten Anlass in militante Juristinnen und Juristen, die eiskalte Kurznachrichten aufeinander abfeuerten. Das endete jedesmal in schlimmen Zerwürfnissen, was uns aber offenbar lieber war, als einander in die Augen sehen zu müssen. Ich brauchte mehrere Jahre, um zu erkennen, wie bescheuert das ist. Und ein paar weitere, um es mir wieder abzugewöhnen.

Abermals hätten wir bald einsehen können, dass wir uns das Leben unnötig schwer machen, indem wir schreiben statt reden. Aber irgendwie fanden wir das neue Zeitalter so geil, dass niemand zu den nunmehr verstaubten Methoden zurückkehren wollte.

Knappe Freunde

Mittlerweile haben wir uns völlig verfahren. Kürzlich wollte ich mit einem Freund abmachen, was sich auch deshalb nicht einfach gestaltete, weil wir beide Jobs und Kinder haben. Nach zwei erfolglosen Terminvorschlägen bat er mich, ihm abermals Termine vorzuschlagen, aber «frühestens in zwei Wochen, für einen Call zum Abmachen».

Vorschläge fürs Abmachen zum Abmachen!

«Sag mir einfach einen Abend, an dem wir uns sehen können», bat ich ihn. Das klappte dann auch. Nach fünf Wochen. Für eine Stunde, dann musste er weiter.

Nebst ihm gibt es noch viele andere Menschen, die mir sehr am Herzen liegen, mit denen ich aber nur ein, zwei Mal im Jahr etwas zu tun habe. Klar, ich könnte sie anrufen, sogar mehrmals pro Woche, wie früher. Oder sie mich. Stattdessen schreibt man alle paar Monate:

Wie geht’s?
Gut, dir?
Auch, grad viel los.
Ich auch.
Mal abmachen?
Ja, gern!

Weiter geht es nicht. Wie gesagt, ich bin nicht besser. Auch ich schreibe immer wieder endlos hin und her, anstatt einfach auf das Telefonsymbol zu tippen (wozu ist es überhaupt noch da?). Manchmal mache ich es dennoch, und dann spricht man erleichtert darüber, wie viel einfacher und freundlicher es doch sei, kurz anzurufen. Um es hinterher wieder bleibenzulassen.

Update statt Begegnung

Klappt es schliesslich mit dem Treffen, besteht der gemeinsame Abend zur Hauptsache darin, einander über die Vorkommnisse aufzuklären, die sich seit der letzten Zusammenkunft ereignet haben. Das Erstaunen ist gross: Was, Du wohnst jetzt im Aargau? Was, ihr habt ein zweites Kind?

Ein Gespräch ist das nicht, vielmehr ein Update. Wie zwei Frösche auf Speed hüpft man von Thema zu Thema, ohne eines zu vertiefen, und schwört beim Abschied, bis zum nächsten Mal nicht so viel Zeit vergehen zu lassen. Aber genau das wird passieren. Wir sind wie Kometen geworden, die alle 100 Jahre kurz am Firmament des anderen erscheinen und dann wieder im Dunkel verschwinden.

Die Unhöflichkeit des Anrufens

Das ist natürlich alles nur meine Wahrnehmung. Vermutlich gibt es auch heute viele, die so abmachen wie Simon und ich früher. Indem sie einfach anrufen. Und einander so oft treffen wie Simon und ich früher.

Allerdings meint meine Partnerin, die eine Generation nach mir geboren wurde, dass gar niemand mehr telefoniere. Nur ich und andere Boomer täten das. Ich sei der einzige, mit dem sie am Telefon spreche. Eigentlich sei es heute unhöflich, überhaupt anzurufen.

Anrufen soll unhöflich sein? Fassungslos bat ich um Erklärung. Nun, sagte meine Partnerin, junge Menschen empfänden es als übergriffig, wenn man sie anrufe. Es beraube sie quasi der Freiheit, selber zu entscheiden, wann sie kommunizieren.

Ich weiss aus eigener und leider reicher Erfahrung, was Übergriffigkeit bedeutet. Angerufen zu werden, gehört definitiv nicht dazu. Ausufernde Sprachnachrichten schon eher.

Wie erlebst du das Abmachen? Rufst du noch an, oder schreibst du nur noch? Wie oft siehst du deine Freundinnen und Freunde, und wie viel Zeit verstreicht bis dahin? Streitest du via Messenger (hör sofort auf damit!)? Und ist Thomas Meyer ein Boomer? Schreib es in die Kommentare!

Titelbild: Shutterstock / anto4ka

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Der Schriftsteller Thomas Meyer wurde 1974 in Zürich geboren. Er arbeitete als Werbetexter, bis 2012 sein erster Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» erschien. Er ist Vater eines Sohnes und hat dadurch immer eine prima Ausrede, um Lego zu kaufen. Mehr von ihm: www.thomasmeyer.ch. 


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